Wie man Fehler vermeidet

IT-Produktkataloge falsch aufgestellt

07.12.2011 von Alexander Müller-Herbst
Über 80 Prozent der Kataloge sind nicht auf Kunden zugeschnitten, sondern technisch ausgerichtet. Und neue Cloud-Module bringen weiter Risiken, erläutert Alexander Müller-Herbst von Compass.

Transparenz schaffen, IT-Services standardisieren und dadurch Kosten senken. Diese Versprechen haben CIOs und Fachbereichsleiter in den vergangenen Jahren motiviert, den Einsatz von IT-Produktkatalogen voranzutreiben. Rund 60 Prozent der Unternehmen steuern die Leistungsbeziehung zwischen Dienstleistern und Kunden mittlerweile auf diese Weise.

Alexander Müller-Herbst ist Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH.
Foto: Information Services Group Germany GmbH

Doch sind die Versprechen bisher nur zum Teil gehalten worden. Um sie einzulösen, müssen vier zentrale Herausforderungen bewältigt werden:

1. Ausrichtung am Geschäft des Kunden

2. Standardisierung wo immer möglich

3. Integration neuer Entwicklungen durch Governance-Prozesse sowie kontinuierliche Anpassung an den Markt.

Noch immer sind mehr als 80 Prozent der Kataloge nicht auf den Kunden zugeschnitten, sondern eher technisch ausgerichtet. Ihr Angebot besteht in der Regel aus Komponenten entlang des IT-Service-Stacks (wie RZ, Netzwerk, Server, Datenbank), die häufig auch die leistungserbringenden Teams in der IT repräsentieren und deren Servicelevel verhältnismäßig einfach zu definieren und messen sind (wie Verfügbarkeiten und Ausfallzeiten von Komponenten oder Systemen, Servicezeiten).

Damit aber kann der Kunde in der Regel nicht allzu viel anfangen. Er sieht den Geschäftsprozess oder seine Abteilung - wie beispielsweise Beschaffung oder After Sales - die durch die IT unterstützt werden sollen. Hinter diesen Prozessen stehen (häufig mehrere) Applikationen, und erst dann kommen die IT-Komponenten. Sie optimal zu organisieren ist Aufgabe des Dienstleisters - den Kunden interessiert das nicht.

Technische Orientierung fehlt End-to-End-Sicht

Zudem enthält diese technische Orientierung an einzelnen Servicemodulen handfeste Risiken für den Kunden, da nur die Servicelevel der einzelnen Bausteine definiert und überwacht werden, eine End-to-End-Sicht aber fehlt. Ein Beispiel: Die Unterstützung eines Geschäftsprozesses für die Beschaffung beinhaltet Komponenten aus den Bereichen Rechenzentrum, Hosting, Datenbank, Middleware, Anwendungen, Applikationsmanagement und -support sowie Netzwerk. Wie sie zusammenspielen, ist meist nicht transparent. Oftmals weichen die Service-Level verschiedener Module voneinander ab, was aus Sicht des Gesamtprozesses wenig Sinn ergibt.

Zudem zeigt die Praxiserfahrung, dass häufig eine zentrale Komponente aus der End-to-End-Sicht fehlt (meist das Netzwerk) oder die Anforderungen nicht zum Endgerät des Kunden passen. Der Leidtragende ist dann der Anwender, der seinen Geschäftsprozess über die Applikation auf seinem PC abwickelt und die IT mittels Verfügbarkeiten und Antwortzeiten wahrnimmt, unabhängig von den Dienstleistern, deren Services den Geschäftsprozess technisch abbilden.

Der Kunde kann also bei technisch orientierten Katalogen gar nicht erkennen, ob der Service für ihn am Ende in der Nutzung im Tagesgeschäft tatsächlich adäquat ist. Die optimale Unterstützung des Gesamtprozesses wird nicht gemessen - dabei ist dies der eigentliche Wertbeitrag der IT im Unternehmen.

SLA messen am besten auf dem Endgerät des Anwenders

Als Konsequenz entsteht Unzufriedenheit auf Kundenseite, obwohl der oder die Dienstleister die jeweiligen SLA für die einzelnen Services erfüllen. Diesem Zustand kann nur von vornherein Abhilfe geschaffen werden, wenn Services End-to-End definiert, gemessen (am besten auf dem Endgerät des Anwenders) und reportet werden.

In mehr als 80 Prozent der Unternehmen erstellt die IT-Organisation (interner oder externer Dienstleister) den Pro-duktkatalog. Gibt es mehrere Dienstleister im Haus, haben diese häufig ihre eigenen Produktkataloge. In weniger als zehn Prozent der Fälle wird zumindest auf dieser Ebene, z.B. durch eine zentrale IT Organisation als Mittler zwischen Demand und Supply, eine einheitliche Sicht durch Konsolidierung und Vereinheitlichung der Kataloge hergestellt.

Produktkataloge am Demand Management ausrichten

Grafik 1: Ausgestaltungsvarianten eines IT-Servicekatalogs - Beispiel Desktop-Bereitstellung.
Foto: Compass Publishing BV

Produktkataloge müssen deshalb am Demand Management ausgerichtet werden. Der Service muss sich an Geschäftsprozessen und -einheiten orientieren und die Unterstützung End-to-End garantieren. Aufgabe des Providers ist es, die Services (einschließlich der Underpinning Contracts und OLAs) so zusammenzufassen und zu bündeln, dass am Ende der Prozess aus Kundensicht optimal abgebildet wird. Er erhält damit auch die Freiheit, Bausteine wiederzuverwenden und Synergieeffekte zu nutzen.

Zur Abrechnung werden businessbezogene Preismodelle benötigt, die für Kunden nachvollziehbar sind - etwa IT-Kosten pro Transaktion, pro Kontoauszug, pro Bestellung, pro produziertem Wirtschaftsgut. Aber auch solche Modelle finden wir heute erst in weniger als zehn Prozent der Unternehmen.

Viele Unternehmen richten den Umfang bezogener IT-Leistungen an der jeweils größten Geschäftseinheit aus und stülpen ihn dann pauschal den anderen Abteilungen über - obwohl diese die Serviceausprägungen oder -level vielleicht überhaupt nicht benötigen. Die Folgen sind pauschalierte Preise, die mitunter wenig mit dem eigentlichen Bedarf der Kunden zu tun haben.

Produktkataloge standardisieren

Produktkataloge können die Kosten deutlich reduzieren, wenn ihr Angebot standardisiert, gleichwohl flexibel gestaltet wird. Sinnvoll ist es, ein Gerüst an Basisleistungen zu definieren, die für alle Abteilungen oder Geschäftseinheiten gelten. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Services, die ein Kunde optional
gegen Vergütung beziehen kann (vgl. Grafik 1).

Die Herausforderung liegt darin, die Struktur richtig auszutarieren, damit einerseits Synergieeffekte genutzt werden können und die Kosten sinken, andererseits die Anwender den Katalog akzeptieren. Ist das Basisangebot überdimensioniert, werden die Kosten aufgebläht - siehe oben. Ist es hingegen zu klein, bestellen die Geschäftseinheiten zusätzlich individuelle Services außerhalb des Katalogs, was wiederum einen Wildwuchs nach sich zieht.

Katalog sollte auch optionale Module anbieten

Deshalb sollte der Katalog optionale Module anbieten, die Teil des Standards sind. Das gilt besonders für übergreifende Services, die sich nicht an Prozessen orientieren, wie etwa E-Mail. Hier wird zum Beispiel eine gemeinsame Postfachgröße für alle definiert; weitere Optionen sind verfügbar, kosten aber separat.

Diese Struktur schafft Transparenz, auf deren Grundlage die Geschäftsbereiche ihre IT-Kosten besser beeinflussen können. Sie erhalten Alternativen, deren finanziellen Auswirkungen sie erkennen, beispielsweise die unterschiedlichen Kosten eines Servicedesk-Supports bis 18 Uhr oder 22 Uhr. Sie können dann entscheiden, ob der Vorteil die Mehrausgaben wirklich rechtfertigt. Dafür sind wiederum Preismodelle erforderlich, die eine nutzungsabhängige Verrechnung ermöglichen.

Zugleich lassen sich im Zuge der Servicestrukturierung viele Anforderungen der Fachseiten, sie sich im Laufe der Zeit verfestigt haben, auf Sinnhaftigkeit überprüfen und, wo immer möglich, Standards einzuführen. Der Provider kann so Synergien nutzen, seine eigenen Prozesse effizienter organisieren und Leistungen günstiger anbieten. Einigen sich die Fachbereiche beispielsweise auf eine gemeinsame Servicezeit im gesamten Unternehmen, sind Einsparungen bis zu 20 Prozent möglich.

Akzeptanz nur mit Aktualität

Ein Produktkatalog findet auf Dauer nur Akzeptanz, wenn er bezüglich der Serviceangebote, Leistungsschnitte, Preise etc. aktuell bleibt und auch immer wieder neue Technologien integriert - wenn er also lebt. Eine technische Entwicklung der jüngeren Zeit, die die Möglichkeiten von Katalogen deutlich macht, ist das Cloud Computing. Hier ergeben sich mitunter Möglichkeiten zu einer Positionierung des IT Dienstleisters.

Grafik 2: Sourcing-Beziehungen innerhalb eines Unternehmens sowie zu externen Providern.
Foto: Compass Publishing BV

Zum einen erlaubt eine Cloud den Dienstleistern Verbesserungen ihrer eigenen Delivery. Da hier in erster Linie das Supply Management betroffen ist, muss der Servicekatalog nicht angepasst werden. Dies hat Compass vor allem bei kaptiven Dienstleistern beobachtet.

Was Cloud Computing für den Katalog bedeutet

Zum anderen positionieren sich aber insbesondere externe Provider anhand von Cloud-Diensten neu und bieten in ihren Servicekatalogen entsprechende Module an. In diesem Fall steht das empfangende Unternehmen vor der Herausforderung, diese Komponenten in seinen eigenen Katalog zu integrieren. Da Flexibilität und Agilität der Geschäftsbereiche im Vordergrund stehen, müssen die Bereiche Leistungsumfang und Abrechnung angepasst werden, aber auch die dahinter liegenden Prozesse - von der Angebotserstellung über die Auftragsabwicklung bis zur Bereitstellung der Leistungen.

Noch relativ einfach einzubauen sind Infrastrukturleistungen wie etwa Storage- und Server-Nutzung. Eine größere Herausforderung bilden Applikationen, die über das Netz bereitgestellt werden.

Herkömmliche Bestellprozesse (durch die zentrale IT) benötigen eine gewisse Zeitspanne bis zur Umsetzung. Die spezifische Stärke eines Cloud Services - das schnelle Anpassen an einen veränderten Bedarf - kommt jedoch nur zum Tragen, wenn die Bestellprozesse diesen neuen Anforderungen Rechnung tragen und eine rasche Umsetzung zulassen. Soll beispielsweise eine Applikation hochverfügbar sein, muss ihr auch die entsprechende Serverklasse zugrunde liegen. Angebotsstruktur und Preismodell müssen solchen Spezifika Rechnung tragen.

Kundenakzeptanz zu sichern

Um die Kundenakzeptanz zu sichern, ist ein kontinuierlicher Governance-Prozess erforderlich. Er beginnt mit der Definition des Katalogs: Die wichtigsten Vertreter von Kunden- und Providerseite sollten sich zusammensetzen, um die Anforderungen zu eruieren und entsprechende Serviceinhalte, Leistungsschnitte und Preise zu definieren. Dabei müssen die Verantwortlichkeiten für einen End-to-End-Service detailliert geregelt werden. Die Demand-Seite muss klar festlegen, was sie kaufen möchte und wer für den Einkauf zuständig ist. Die Dienstleister müssen bestimmen, wer welchen Beitrag für den Service erbringt und das Reporting verantwortet. (Vgl. Grafik 2)

Zur laufenden Pflege des Katalogs sollten die Governance-Gremien mindestens einmal jährlich zusammenkommen, um zu prüfen:

Seine Akzeptanz behält der Produktkatalog nur, wenn der Governance-Prozess sicherstellt, dass das Angebot zu jedem Zeitpunkt marktgerecht ist. Das können am besten regelmäßige Benchmarks garantieren. Sie haben außerdem den Effekt, dass sie den Wettbewerb stimulieren.

Benchmarking einführen

Individuelle Kundenabläufe vergleichbar zu machen ist Aufgabe des Benchmarkers. Indem er proprietäre Prozesse in einzelne Komponenten herunter bricht, diese auf marktadäquate Modelle abbildet und mit den geschäftlichen und technischen Kenngrößen versieht, kann er sie an Leading Practices messen. Auch hier schafft Cloud Computing insofern Erleichterung, da es standardisierte Leistungen beinhaltet, die transparenter und besser vergleichbar sind.

Ein Marktvergleich kann den Produktkatalog in zwei Richtungen beeinflussen: Zum einen überprüft er das Angebot des Dienstleisters: Welche Inhalte und Leistungsschnitte sind bei bestimmten Geschäftsprozessen üblich? Welche Preise werden für welche Qualität gezahlt? Zum anderen kann er auch die Anforderungen des Kunden hinterfragen: Welche Servicequalitäten sind zum Beispiel in bestimmten Bereichen bei führenden Unternehmen der Branche üblich?

Kosten um 30 bis 40 Prozent senken

Wenn auch die geschäftlichen Vorgaben an Leading Practices angepasst und - wo immer dies ohne Wettbewerbsnachteil möglich ist - individuelle Prozeduren durch standardisierte Angebote des Dienstleisters abgelöst werden, lassen sich die Kosten um weitere 30 bis 40 Prozent senken.

Alexander Müller-Herbst ist Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH.