Ohne IT keine Strukturreformen

IT treibt das Gesundheitswesen

05.09.2006 von Tanja Wolff
Der IT-Markt im deutschen Gesundheitswesen legt im nächsten Jahr um 7,9 Prozent zu. Der Grund: Die Strukturreform muss realisiert werden und dafür ist ein Wandel bei den IT-Infrastrukturen unabdingbar. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Experton Group.

Laut der Analyse führen zwei Faktoren zu einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Erstens bringt die steigende Nachfrage nach Leistungen höhere Kosten (Zivilisationskrankheiten und die demographische Entwicklung treiben diese Tendenz an). Zweitens steigen die Ausgaben durch den medizinisch-technischen Wandel. Beide Trends sind unumkehrbar.

Aus diesem Grund ist es wichtig nach Rationalisierungsreserven zu suchen. Besonders betroffen ist dabei der Krankenhaussektor. Er bildet, neben den Ärzten in ambulanten Praxen, die primäre Schaltstelle der Gesundheitsversorgung. Auf die vielschichtigen medizinischen Dienstleistungen in Krankenhäusern fällt etwa ein Drittel der Gesundheitsausgaben des Etats an.

Der Untersuchung zufolge ist die IT ein Wegbereiter für viele Rationalisierungsmöglichkeiten. Dabei gibt es weder eine homogene IT-Landschaft im Gesundheitswesen, noch kann eine einheitliche IT-Infrastruktur im Krankenhaus identifiziert werden.

"Die aktuelle IT-Infrastruktur im Gesundheitswesen, und insbesondere in Krankenhäusern, ist die Folge eines organischen Systemwachstums. Es gibt nicht "die" IT im Krankenhaus oder Gesundheitswesen", sagt Axel Oppermann, Berater bei Experton. Vielmehr würden verschiedene Installationen von verschiedenen Anbietern und in verschiedenen Ausprägungsformen parallel eingesetzt.

Optimierung der Prozesse

Im Markt für Krankenhaus-IT werden regelmäßig neue und weiterentwickelte Produktlösungen oder -ideen angepriesen, so die Studie. Die Implementierung und der Einsatz der Lösungen sollen einzelne Prozesse optimieren und Kosten senken. Das führt zu einer projektbezogenen und budgetorientierten Auswahl.

Laut der Analyse wird der Markt für IT-Dienstleistungen im deutschen Gesundheitswesen zwischen 2005 und 2008 um durchschnittlich fast acht Prozent jährlich wachsen. Das bedeutet von 740 auf 936 Millionen Euro.

Ein wichtiges IT-Gesundheitsprojekt ist die Integration der Behandlungspfade über die klassische Sektorentrennung hinweg. Das Einführen einer sicheren Telematik-Infrastruktur und Kommunikationsplattform wird als Basis einer ganzheitlichen Rationalisierungsstrategie eingestuft. Die Voraussetzung dafür sind offene Schnittstellen und eine sicher- und breitbandig verbundene Server-Infrastruktur.

Die wesentlichen Ausprägungen der angestrebten Telematik-Infrastruktur sind die elektronische Patientenakte, die elektronische Gesundheitskarte, das elektronische Rezept und der elektronische Arztbrief. Die IT kann das Erstellen eines Arztbriefs im Umfeld einer integrierten Versorgung optimieren.

Zu den Herausforderungen gehört es unter anderem die Return on Investment-Szenarien abzubilden und somit eine realisierbare Wertschöpfung für alle Beteiligten zu generieren. Außerdem muss die Umsetzung in den traditionell getrennt betrachteten Sektoren harmonisch und kooperativ ablaufen.

Unterschiedliche IT-Lösungen

Die am Markt vorhandenen IT-Lösungen sind sehr unterschiedlich. Eine innovationsbezogene Adaption der Lösungen wird meist als nicht ökonomisch bewertet. Vielmehr sollten Lösungen überproportional gewichtet werden, die eine zeitnahe und zunehmende Kontinuität der Leistung ermöglichen. Hierzu zählt insbesondere das im Gesundheitswesen bisher vernachlässigte Supply Chain Management.

So liegt es nahe, erst einmal die wirtschaftliche und organisatorische Situation im Einrichtungsumfeld der Supply Chain abzubilden. Dabei ermöglicht die elektronische Informationsverarbeitung den einzelnen Leistungserbringern innerhalb des Krankenhaus-Systems, die Leistung zu verbessern. Die Einführung von standardisierten Schnittstellen, wie beispielsweise Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transporter, SCM- und Supplier-Relationship-Management-Lösungen sowie Lösungskonzepten im RFID-Umfeld ermöglichen erhebliche Rationalisierungen.

Der Studie zufolge müssen die Prozesse zwischen krankenhausinternen Verbrauchs- und Verwaltungsstellen sowie externen Dienstleistern definiert werden. Außerdem ist eine zeitnahe Optimierung der Betriebsergebnisse nur durch IT-basierte Ansätze möglich.

Nicht allein die Prozesskette muss verbessert werden. Es ist außerdem wichtig die Integration von Mobility-Lösungen im Rahmen der medizinischen- und organisatorischen Leistungserbringung zu prüfen. Ziel der Implementierung ist die Versorgung qualitativ zu verbessern und Kosten zu reduzieren. Allerdings müssen sich die mobilen Produktneuerungen erst im Rahmen von Massenanwendungen begründen und etablieren.

Laut der Untersuchung sollten auch die Anforderungen an das Qualitäts-Management sowie die Gesamtheit der zunehmenden Digitalisierung in Krankenhäusern berücksichtigt werden. Hohe Anforderungen an das Qualitäts-Management und Ambitionen in die Langzeitarchivierung verlangen nach einer effizienten Storage-Infrastruktur-Strategie und einem ILM-System.

Steigender Kostendruck

Bei der Untersuchung ist herausgekommen, dass auch das Outsourcing der IT stärker in Betracht gezogen werden muss. Der Grund: Steigender Kostendruck und die Fusions-Aktivitäten in der Branche. Das treibt auch im IT-Bereich den Shared-Service-Gedanken voran. Ein Aspekt ist dabei die Langzeitarchivierung von elektronischen Patientenakten.

Außerdem legen die hohen Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Haltbarkeit der Medien, die über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren aufrechtzuerhalten sind, eine Auslagerung der entsprechenden Prozesse nahe. Doch bisher gibt es hierfür weder auf Kunden- noch auf Anbieterseite klare branchenspezifische Konzepte. Bis zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte wird man sich dafür noch etwas überlegen müssen.