Infratest-Analyse zum Gipfel

IT-Umsatz: China jagt Deutschland

13.11.2012 von Bettina Dobe
Deutschland als IKT-Standort steht auf Platz 6 im internationalen Vergleich. TNS Infratest analysiert Schwächen und Stärken der digitalen Wirtschaft.

Die deutsche Informations- und Kommunikationswirtschaft (IKT) steht im internationalen Vergleich mit 14 Industrienationen Asiens und Europas im Mittelfeld. TNS Infratest hat die Situation der deutschen IKT-Wirtschaft analysiert und weltweit Daten zum Vergleich erhoben. Im Rahmen des IT-Gipfels wurden die Ergebnisse jetzt vorgestellt.

Tobias Weber, Projektleiter bei TNS Infratest. "Da ist Bewegung im Markt."
Foto: TNS Infratest

Die Analyse besteht aus 33 Kernindikatoren, die 15 Länder vergleichbar machen und so den Standort Deutschland darstellen. "Wir haben das in drei Teilbereiche unterteilt: Wie stark und attraktiv ist der Markt in Deutschland, wie ist die Infrastruktur aufgebaut und wie nutzen Unternehmen und Privatpersonen die digitale Technologien", erklärt Tobias Weber, Projektleiter des "Monitoring Report Digitale Wirtschaft". Daraus ergibt sich die Gesamtperformance der Standorte.

IT-Umsätze: Platz 4

TNS Infratest analysierte, wie stark und attraktiv der Markt in der Digitalen Wirtschaft ist. Wenig überraschend: Die nach IT-Umsatz stärkste Nation sind die USA. "Sie sind einfach das Maß der Dinge und nicht zu schlagen", sagt Weber. Immerhin machen deren IT-Umsätze 35 Prozent des Weltmarktes aus. Im Vergleich: Deutschland hat 6,2 Prozent Anteil am Weltmarkt mit IT-Ausgaben von 63,6 Milliarden Euro. Die Telekommunikationsausgaben dazugerechnet, kommt TNS Infratest auf 123 Milliarden Euro Umsatz auf dem IKT-Markt. Die USA kommen bei IT und TK auf mehr als fünf Mal so viel. Der reine IT-Umsatz liegt dort bei umgerechnet 360 Milliarden Euro, zählt man die TK-Ausgaben dazu, ergibt sich eine Summe von 647 Milliarden Euro. "Aber wir sind in der Spitzengruppe, das ist sehr gut", sagt Weber. Allerdings sei China Deutschland dicht auf den Fersen.

Ob Deutschland hinter Japan und Großbritannien auf dem vierten Platz bleiben kann, hängt davon ab, wie sich die deutschen Unternehmen entwickeln. Weber zählt einige Probleme der deutschen digitalen Wirtschaft auf: "Wir haben mit SAP nur einen Global Player", sagt er, "und danach kommt lange nichts mehr." International werde von den kleineren Firmen nicht viel entwickelt, auch Skaleneffekte fehlten. Und weil in der DACH-Region deutschsprachige Unternehmen ganz gut zu Recht kämen, "ist die Komfortzone für Firmen recht groß", wie Weber sagt. Es drängt sie also nicht auf den internationalen Markt.

Momentan seien einige Märkte in Deutschland im Entstehen. Die von der Politik gewollte Energiewende kommt zwar mit Zwang daher - aber dafür sind die Möglichkeiten auch sehr groß. Auch für Smart Grids gibt es hierzulande noch keine Geschäftsmodelle. Das könnte die Digitale Wirtschaft ankurbeln.

Nullwachstum im TK-Umsatz

Die gute Nachricht: Deutschland liegt im TK-Umsatz auf Rang sieben und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Klingt gut, aber: Deutschland hat das mit einem Nullwachstum geschafft. Länder wie Frankreich und Großbritannien, die genauso von der Krise betroffen sind, liegen weiter vorn. Und Japan auf Rang 8 glänzt mit 0,75 Prozent Negativwachstum, soll heißen: Die TK-Umsätze schrumpfen. "In der Sprachtelefonie und im Internetbereich gehen die Umsätze zurück", erklärt Weber.

Mit neuen Geschäftsmodellen für mobile Datendienste oder LTE als neuer Standard werden diese Umsätze aber wieder steigen, glaubt Weber. "Das ist Bewegung drin." Sich weiter nach vorn zu arbeiten, dürfte allerdings schwierig werden: An China oder Indien kommt Deutschland in den Wachstumsraten einfach nicht vorbei.

Viel Luft nach oben gibt es auch bei den Ausgaben für Online-Content. Die Deutschen geben im Schnitt nur 9,31 Euro im Jahr für "paid content" aus, also für Musik oder Filme. Zum Vergleich: In Südkorea sind es 70,18 Euro. "Der Filmbereich entsteht hier gerade erst", erklärt Weber. Und das illegale Angebot ist - trotz des Schließens einiger Seiten - immer noch groß. Werbefinanzierter Content ist da noch nicht erfasst.

Platz 7 für Attraktivität und Stärke

Insgesamt behauptet sich Deutschland, was Marktstärke und -attraktivität angeht, auf Platz 7. Dieser Wert setzt sich aus der errechneten Marktstärke, also IKT-Umsätzen und Umsatzwachstum, IKT-Exporten und Internetwerbeauftritten, und der Nachfrage auf dem Markt zusammen, also IKT-Ausgaben, den E-Commerce-Ausgaben und den Ausgaben für Online-Content. Deutschland hat auf einer Skala von 1 bis 100 ganze 28 Indexpunkte geholt. "Die Umsätze sind in Ordnung, nur das Wachstum schwächelt", sagt Weber. Die USA kamen auf 74 Punkte, sind also einem perfekten Standort schon ziemlich nahe.

Überraschend findet sich Großbritannien in der Spitzengruppe zwischen Ländern wie China, Südkorea, Japan und Indien und verweist Deutschland nach hinten. "Großbritannien ist ein Phänomen, die sind einfach überall guter Durchschnitt", so Weber. Deutschland dagegen mache das immer weiter nach unten korrigierte Wirtschaftswachstum im internationalen Vergleich zu schaffen.

Bei Infrastruktur auf Rang 5

Die Digitale Infrastruktur in Deutschland ist entscheidend für die Zukunft des digitalen Marktes. Weber und Kollegen sahen sich als Kernindikatoren die Technische Infrastruktur an, also die Verbreitung von Computern, Smartphones und Breitbandanschlüssen sowie sonstige Rahmenbedingungen, also Innovationsfähigkeit, Verfügbarkeit von Venture Capital und den IKT-Rechtsrahmen. Und da hakt es teilweise.

Zwar erreichte Deutschland im internationalen Vergleich zusammen mit Großbritannien den 5. Platz, hinter Finnland, den Niederlanden und Südkorea. Immerhin erreichte es 72 Indexpunkte, nur elf weniger als Rangerster Finnland. "Die Infrastruktur in Deutschland ist nicht schlecht", sagt Weber. Aber: "Die Herausforderung bleibt, dass die Bandbreiten wachsen müssen." Für B2B und LTE, aber auch HD-Streaming, brauche es verlässliche Geschwindigkeiten, sagt der TNS-Infratest-Analyst.

Obwohl die Verbreitung von Breitbandanschlüssen in Deutschland zugenommen hat und immerhin laut Aussage der TNS Infratest knapp ein Drittel (32,5 Prozent) der Deutschen Zugang zu Breitbandinternet hat - in anderen Ländern sieht es besser aus. "Deutschland wächst zwar, aber die anderen wachsen schneller", sagt Weber. Für Breitband müssen Unternehmen eben viel investieren. "Glasfaser kostet viel Geld, da braucht es für die Firmen eine Investitionssicherheit", sagt Weber.

Nutzung der Digitalen Wirtschaft

Dass Privatpersonen zu 83 Prozent das Internet nutzen, ist wenig spannend. Laut einer Unternehmensbefragung geht in Deutschland allerdings ein hoher Prozentsatz der Berufstätigen auch zu Arbeitszwecken ins Internet. Hier belegt das Land zwar nur Platz neun, ist aber nur wenige Indexpunkte vom ersten Platz entfernt.

Insgesamt befindet sich Deutschland als Standort der Digitalen Wirtschaft im Mittelfeld. Zusammen mit den Niederlanden steht Deutschland auf Platz 6. Es erreichte 52 der möglichen 100 Indexpunkte, Spitzenreiter USA kam auf 74 Punkte. Im vergangenen Jahr war Deutschland noch auf Platz Sieben - eine langsame Steigerung macht sich bemerkbar.

Lösungen für Cloud und Big Data entwickeln

Auf der Marktseite sei noch einiges zu holen, glaubt Weber. "Wo in Cloud-Lösungen, Big Data und Mobile Payment die Claims noch nicht abgesteckt sind, da müssen deutschen Unternehmen Lösungen entwickeln", sagt Weber. "In der Infrastruktur stehen wir gut da, aber die Bandbreiten müssen sich erhöhen." Und dann kommt die ewige Skepsis der Deutschen wieder ins Spiel. "Die Deutschen haben ein sehr große Sicherheitsbedürfnis und fordern Datenschutz", sagt Weber. Das schlage sich in der Internet-Nutzung nieder, wo Deutschland auf Platz 8 abgerutscht sei.

Weber und seine Kollegen analysierten für die Studie Daten aus Studien, die international vergleichbare Ergebnisse ermöglichen. Sie zogen Untersuchungen der OECD, des World Economic Forum, Beratungsunternehmen und eigene Daten zu Rate. Die Ergebnisse beziehen sich auf das Jahr 2011. Seit zwölf Jahren erhebt TNS diese Daten, allerdings mit wechselnden Kriterien. Neu ist etwa der Bereich "Nutzung von Sozialen Netzwerken". "Die Top-Trend-Themen können wir kaum abbilden", sagt Weber. Nicht untersucht wurde dagegen die Verbreitung von Tablets, da diese noch nicht in allen untersuchten Ländern gleich verbreitet sind und daher keine vergleichbaren Informationen erhoben werden konnten.