Web 2.0 bei Mitarbeitern kaum akzeptiert

Karriereplanung wandelt sich massiv

05.08.2009 von Thomas Pelkmann
Statt auf High Potentials fokussieren sich Personalabteilungen künftig auf kompetente Mitarbeiter. Bei der Mitarbeiterfortbildung sollen Web 2.0-Anwendungen immer wichtiger werden. Doch viele, so eine Studie, kennen nicht einmal den Begriff.

Die Karlsruher time4you GmbH und die Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) haben den zweiten Teil ihrer Studie zur Entwicklung von Personal-, Informations- und Trainingsmanagement vorgelegt. Seit 2007 forschen beide Institutionen an der "Zukunft des Lernens", um interessierten Unternehmen und Führungskräften einen Ausblick auf die Entwicklungen der nächsten zehn bis zwanzig Jahre und eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe zu geben.

Der Studie zufolge wird sich die Sichtweise auf das Thema Personalentwicklung stark verändern. Stünden heute noch Führungskräfte und High Potentials im Fokus der Karriereplanung, würden sich in der Zukunft die Anstrengungen auch auf die Fachkräfte eines Unternehmens beziehen. Das setzt aber in den Augen der Forscher ein verändertes Karriereverständnis voraus, das kompetente Mitarbeiter als zentralen Wertschöpfungsfaktor in wissensorientierten Unternehmen begreift. Damit einher gehe die Aufwertung der Personalabteilungen im Unternehmen zu einem strategisch wichtigen Bereich.

Immer wichtiger beim Recruiting sowie bei der Entwicklung von Fach- und Führungspersonal wird das Internet. Personalverantwortliche erproben und evaluieren Online-Assessments, teilautomatisierte Online-Bewerbungsverfahren und die Nutzung von Online-Communities. Web 2.0-Technologien nehmen zudem in der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter einen immer größeren Platz ein.

Trotz dieser neuen Lehr- und Lernformen setzt ein Großteil aber nach wie vor auf traditionelle Unterrichtsmethoden. So werden der eigenen Einschätzung zufolge 100 Prozent der befragten Unternehmen auch im Jahr 2029 die Präsenzveranstaltung als Hauptlernmethode einsetzen. Immerhin beträgt aber der Anteil derer, die auch auf Online-Kurse setzen, 72,7 Prozent, während 95,2 Prozent der Experten davon überzeugt sind, dass die Hauptmethode des künftigen Lernens "Coaching-on-the-job" sein wird.

Auch inhaltlich werde sich das Thema Aus- und Weiterbildung verändern. Der Wert von Wissen werde wachsen, prognostizieren die Forscher aus Karlsruhe und Berlin. Für die Fach- und Führungskräfte komme es zunehmend darauf an herauszufinden, was in der Flut an verfügbaren Informationen wirklich wissenswert und relevant ist. Dazu bedarf es nicht zuletzt auch einer hohen Medienkompetenz, denn nur der versierte Umgang mit vorhandenen Informationsquellen ermögliche das notwendige Filtern von Fakten.

Wikis, Blogs, Communities und Netzwerke aller Art zeigen auch den Trend hin zur zunehmenden Virtualisierung von Lernumgebungen: "Alles wird virtueller", wie es in der Studie heißt. Zudem ermöglicht diese Virtualisierung mehr und mehr ein zeit- und ortsunabhängiges Lernen auf eigenen Plattformen wie Laptop oder Smartphone.

Durch die wachsende Virtualisierung komme es auch zu einer stärken Individualisierung von Bildung, da eine Präsenz zum Lernen nicht mehr länger nötig ist. Das aber verlangt nach einer hoch entwickelten Fähigkeit zur Selbstorganisation der Lernenden, die sich ohne ständige Anleitung und durch eigene Motivation die für sie wichtigen Lerninhalte aneignen müssen.

Schon der noch immer begrenzte Zugang zum Internet als der Plattform nahezu aller künftiger Lerneinheiten führt dabei durchaus zu einer Zweiklassengesellschaft im Bildungssystem, die durch die hohen Anforderungen an die Lernenden eher noch verschärft wird. Dazu kommen die ebenfalls zunehmende Menge des potenziellen Lernstoffes sowie die verstärkte Ökonomisierung der Bildung im Unternehmen.

Wenig Akzeptanz für Web 2.0

Bis zu diesen, eher futuristisch anmutenden Szenarien für die Zukunft ist es aber noch ein weiter Weg. Obwohl geeignete Werkzeuge wie Blogs, Wikis oder Communities bereits existieren, fehlt es ihnen an Akzeptanz in den Unternehmen. "Die neuen Technologien des Web 2.0 haben geradezu eine eingebaute Tendenz, Inhalte, Orte, Menschen, Meinungen und Ereignisse zu vernetzen und so einen ganz neuen Raum von Produktivität, Interaktion und Miteinander aufzuspannen", heißt es in der Studie. Allerdings setzt bis heute nur ein sehr kleiner Teil der Unternehmen diese Anwendungen auch ein, unter anderem deswegen, weil viele die die neuen Webtechnologien für "die komplexen Anwendungen in den Unternehmen als nicht geeignet" ansehen.

Zudem veranschaulicht die Studie, dass ein mangelndes Problembewusstsein hinsichtlich der Nutzung des kollektiven Wissens von Mitarbeitern, Partnern und Kunden besteht. Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist, dass fast ein Viertel der befragten Fachbereichsleiter in deutschen Unternehmen den Begriff Web 2.0 gar nicht kennen. Von denjenigen, die Web 2.0 kennen, glaubt fast ein Viertel, dass diese Technologien für Unternehmen nicht relevant seien.

Web 2.0 nahezu unbekannt

Während die Gegenwart der Studie zufolge eher Skepsis gegenüber neuen Lernformen und -Werkzeugen offenbart, gibt die Zukunft dann doch Anlass zu vorsichtigem Optimismus: So rechnen alle Befragten damit, dass die Akzeptanz gegenüber Web 2.0-Anwendungen deutlich steigen wird. Dass sich damit auch das Lernverhalten mittelstark bis stark ändern wird, glauben immerhin deutlich mehr als 90 Prozent. "Für die Unternehmen ist es wichtig", so Andreas König, Professor an der die Studie mit gestaltenden ZHAW, "Zukunft als jetzt laufenden Prozess zu begreifen, der vor allem Veränderungsfähigkeit und Umweltwahrnehmung verlangt. Nicht die Frage, was kommt, ist wichtig, sondern ob und wie wir jetzt mit gestalten, was kommt."