IT-Konsolidierung Bund

Keine 1.300 Serverräume mehr

27.03.2019 von Christiane Pütter
Die Konsolidierung von IT-Netzen, Rechenzentren und IT-Beschaffung ist Aufgabe des IT-Dienstleisters des Bundes ITZ. Das mutmaßlich europaweit größte Konsolidierungsprojekt mit mehreren hunderttausend Arbeitsplätzen zeigt, dass die technologischen und organisatorischen Schnittstellen zwischen den Arbeitspaketen – eines davon der Aufbau einer Bundes-Cloud – unterschätzt wurden.
  • Das Vorhaben umfasst insgesamt sechs Teilprojekte und wird sich über zehn Jahre bis 2025 erstrecken.
  • Ein Ziel der IT-Konsolidierung besteht darin, einen schlagkräftigen und handlungsfähigen IT-Dienstleister zu etablieren

Unter den wachsamen Augen des Bundesadlers beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages im Sommer 2015, die IT der Bundesverwaltung strategisch zu konsolidieren. IT-Netze, Rechenzentren, Dienste, IT-Beschaffung und vieles mehr sind organisatorisch und technisch zu bündeln. Statt beispielsweise 1.300 Serverräumen verbleiben wenige, zentralisierte Rechenzentren. Auf Anwendungsebene sollen ressortübergreifend nutzbare Lösungen entstehen. Die Steuerung übernimmt der IT-Rat des Bundes, der auf politisch strategischer Ebene das zentrale Gremium zur Steuerung der Bundes-IT darstellt.

"Aufgrund der Komplexität und Größe handelt es sich beim Gesamtprojekt IT-Konsolidierung Bund um das vielleicht europaweit größte Konsolidierungsprojekt überhaupt", sagt Gerald Höhne vom öffentlichen Beratungsunternehmen PD, das im Auftrag vom BMF dieses Projekt begleitet hat. Wie jedes Großprojekt baut auch dieses auf einer umfangreichen Planung in Form eines Programms auf. Das Vorhaben umfasst insgesamt sechs Teilprojekte und wird sich über zehn Jahre von 2015 bis 2025 erstrecken. Dazu gehören im Einzelnen:

Ein Ziel der IT-Konsolidierung ist das Etablieren schlagkräftiger und handlungsfähiger IT-Dienstleister. Das ITZBund wurde im Teilprojekt 1 der IT-K Bund durch eine Fusion des Zentrums für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT), die Bundesstelle für Informationstechnik (BIT) und das IT-Dienstleistungszentren (DLZ-IT) zum 01.01.2016 mit dem Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) geschaffen. Um diesen IT-Dienstleister gut aufzustellen, wurde innerhalb des ITZBund ein Großprojekt mit drei Teilprojekten und 35 "Arbeitspaketen" geschaffen.

In Sachen Cloud muss der Bund besonders stark auf Sicherheit achten.
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Bundescloud schon verfügbar

Welche Größenordnung hinter diesem Begriff steckt, zeigt sich etwa daran, dass der Aufbau einer Bundescloud als eines dieser Pakete gilt. Sie ist technologisch bereits verfügbar und stellt zum Beispiel eine Software-Entwicklungsplattform bereit. Derzeit erweitert das Team sie sukzessiv um verschiedene Dienste. Darüber hinaus waren Arbeitspakete aus den Bereichen Organisation, Steuerung und Fertigungsoptimierung zu managen. Das "Ertüchtigungsprojekt" des ITZBund verfolgte zwei große Ziele:

Vom Erfolg des Projektes hängt letztlich auch der Fortschritt der IT-Konsolidierung Bund abhängt, das war allen Beteiligten klar. Projektleiter war der stellvertretende Direktor des ITZBund, Wolfgang Cremer. Auftraggeber war der ehemalige Direktor Hans-Georg Göhring des ITZBund.

"Wir haben es geschafft, drei Kulturen unter einen Hut zu kriegen"

Heute, nach rund dreieinhalb Jahren, zieht Cremer ein positives Fazit. "Wir haben es geschafft, drei Kulturen unter einen Hut zu kriegen", sagt er im Gespräch mit unserem Magazin. "Darüber hinaus wurden die Steuerungs-, Betriebs- und Serviceprozesse vereinheitlicht, der organisatorische und personelle Rahmen angepasst, Standorte und Flächen so konsolidiert, dass sie erweiterbar sind - Stichwort Skalierbarkeit - , ein Produkt- und Servicekatalog für ressortübergreifende Angebote etabliert sowie eine Zusammenarbeit mit anderen IT-Dienstleistern der Bundesverwaltung im Leistungsverbund etabliert."

Die IT-Chefs der Bundesländer
Markus Richter, Bundes-CIO
BAMF-Vizepräsident Markus Richter ist Bundes-CIO. Er löste Klaus Vitt ab, der Ende April 2020 in den Ruhestand ging.
Christian Pfromm, CDO von Hamburg
Christian Pfromm ist seit Januar 2018 neuer CDO der Stadt Hamburg Sein genauer Titel lautet: "Chief Digital Officer / Leiter des Amtes für IT und Digitalisierung". Der CDO berichtet an den 1. Bürgermeister der Stadt Hamburg und an den Chef der Senatskanzlei. Zuvor war Pfromm von Juni 2011 bis Dezember 2017 Group CIO der BHF-Bank AG. CIO Jörn Riedel berichtet an ihn.
Andreas Meyer-Falcke, Beauftragter der Landesregierung NRW für Informationstechnik (CIO)
Der langjährige nordrhein-westfälische Landes-CIO Hartmut Beuß verabschiedet sich zum 31. August 2020 in den Ruhestand. Seine Nachfolge im Wirtschafts- und Digitalministerium als Beauftragter für Informationstechnik tritt Andreas Meyer-Falcke an. Meyer-Falcke kommt von der Landeshauptstadt Düsseldorf, wo er seit August 2012 als Beigeordneter für die Bereiche Personal, Organisation, IT, Gesundheit und Bürgerservice tätig ist. In der Rolle trägt er unter anderem die Verantwortung für die Digitalisierung der Kommunalverwaltung.
Bernd Schlömer, Landes-CIO von Sachsen-Anhalt
Bernd Schlömer ist seit Oktober 2021 CIO des Landes Sachsen-Anhalt. Er folgte auf Rüdiger Malter, der das Amt seit April 2020 innehatte.
Fedor Ruhose, Landes-CIO von Rheinland-Pfalz
Staatssekretär Fedor Ruhose (SPD) verantwortet als CIO und CDO die IT und digitale Transformation des Landes Rheinland-Pfalz.
Hartmut Schubert, CIO in Thüringen
Hartmut Schubert ist seit Dezember 2014 Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium. Der Titel CIO kommt in der „Richtlinie für die Organisation des E-Government und des IT-Einsatzes in der Landesverwaltung des Freistaats Thüringen“ nicht vor. Dennoch erfüllt Schubert, der Beauftragte des Freistaats Thüringen für E-Government und IT, genau die Aufgaben und die Funktion des CIO. Mit dem Kabinettbeschluss der Richtlinie vom 7. Juli 2015 erhält Thüringen deshalb als letztes Bundesland einen Landes-CIO.
Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Sächsischen Staatsregierung (CIO)
Im Januar 2020 ernannte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) CIO Thomas Popp zum Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Staatsregierung (CIO). Popp war bisher Landes-CIO in Sachsen.
Ina-Maria Ulbrich, Staatsekretärin, Mecklenburg-Vorpommern
Ina-Maria Ulbrich ist seit November 2016 Staatsekretärin im neu geschaffenen Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern. Aus "Landesentwicklung" wurde nun "Digitalisierung". Die Juristin wurde 2002 Regierungsrätin und Referentin im Umweltministerium, beim Landkreis Ostvorpommern und im Wirtschaftsministerium. Von 2006 bis 2008 leitete sie das Büros des Ministers für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, von 2008 bis 2011 war Ulbrich Leiterin des Büros des Ministerpräsidenten. Ulbrich vertritt das Land auch im IT-Planungsrat.
Ralf Stettner, CIO in Hessen
Ralf Stettner ist Chief Information Officer und Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie (CIO) und folgt damit Patrick Burghardt, der im Januar 2024 das Amt des Oberbürgermeisters von Rüsselsheim übernahm. Stettner hatte von Ende 2018 bis Anfang 2024 die Position des Chief Information Security Officers (CISO) in der hessischen Landesverwaltung inne und war Leiter der Abteilung Cyber- und IT-Sicherheit und Verwaltungsdigitalisierung im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport.
Stefan Krebs, CIO in Baden-Württemberg
Seit dem 1. Juli 2015 leitet Stefan Krebs die IT-Geschicke des Landes Baden-Württemberg als Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO/CDO). Der Diplom-Verwaltungswirt kennt sich mit Banken und IT-Sicherheit aus. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Feinplanung für die schrittweise Bündelung der bisher dezentralen IT-Einheiten der Landesverwaltung.
Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Seit Mitte Juli 2013 lenkt Sven Thomsen als CIO des Landes Schleswig-Holstein die Geschicke des Zentralen IT-Management Schleswig-Holstein (ZIT-SH). Im ZIT-SH sind die Aufgaben der ressortübergreifenden IT- und Finanzensteuerung für alle Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologie zentralisiert. Wie auch in Hamburg ist Sven Thomsen nicht Staatssekretär und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Im IT-Planungsrat wird Schleswig-Holstein durch Knud Büchmann, Beauftragter der Landesregierung Schleswig-Holstein für Zentrale IT-, Organisations- und Personalentwicklung vertreten. Seit Mitte 2017 ist Thomsen an das neue Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) angedockt.
Elena Yorgova-Ramanauskas, CIO im Saarland
Elena Yorgova-Ramanauskas, ist seit Juni 2022 Chief Digital Officer (CIO) im Saarland. Seit 2022 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie.
Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern
Die Landtagsabgeordnete und Rechtsanwältin Judith Gerlach (CSU) ist seit November 2018 Staatsministerin für Digitales in Bayern. Das Ministerium wurde neu geschaffen. Das neue Staatsministerium übernimmt die Grundsatzangelegenheiten und die Koordinierung der Digitalisierung Bayerns, die bisher bei der Staatskanzlei angesiedelt waren. Das Ministerium soll sich außerdem um die strategischen Fragen der digitalen Verwaltung kümmern.
Jörn Riedel, CIO von Hamburg
Seit 2008 hat Hamburg einen CIO. Den Posten hat seitdem Jörn Riedel inne. Angesiedelt ist er bei der Finanzbehörde der Hansestadt. Beim dortigen Amt für Organisation und Zentrale Dienste ist Riedel Abteilungsleiter für E-Government und IT-Steuerung. Anders als in anderen Bundesländern ist CIO Riedel nicht Staatssekretär - und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Hamburg vertritt in dem Bund-Länder-Gremium der Staatsrat der Finanzbehörde, Jens Lattmann. CIO Jörn Riedel verantwortet derzeit gleich mehrere übergreifende IT-Projekte in Hamburg.
Cornelius Everding, CPIO von Brandenburg
In Brandenburg fließen die Fäden in IT-Angelegenheiten nicht bei einem CIO zusammen sondern beim CPIO - dem Chief Process Innovation Officer. Mit dieser Bezeichnung soll die Orientierung an Prozessen betont werden, sagte gegenüber CIO.de Cornelius Everding, der das Amt seit seiner Schaffung im August 2008 innehat. Everding sieht sich nicht als alleine für IT zuständig an, sondern setzt auf einen Dreiklang: Mit dem CPIO kümmern sich um IT-Themen der zentrale IT-Dienstleister von Brandenburg und der sogenannte RIO-Ausschuss, die Runde der Ressort Information Officers. Aktuelles Thema ist das Forschungsprojekt "Stein-Hardenberg 2.0". Der Bund, Hamburg und Berlin, der öffentlich-rechtliche IT-Dienstleister Dataport und das Potsdamer Institut für E-Government bearbeiten die Frage, wie sich das Gemeinwesen mit modernen Werkzeugen organisieren lässt. Den CPIO hat Brandenburg beim Innenministerium angesiedelt. Amtsinhaber Everding ist nicht Staatssekretär, weshalb er - wie Kollegen aus anderen Ländern - nicht im IT-Planungsrat sitzt. Dort spricht Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb für das Bundesland.
Hans-Henning Lühr, Staatsrat im Bremer Finanzressort
In Bremen ist die CIO-Funktion beim Staatsrat des Finanzressorts angesiedelt, Hans-Henning Lühr. Ihm direkt zugeordnet ist die Stabsstelle "Zentrales IT-Management und E-Government", die von Martin Hagen geleitet wird. Ein aktuelles Projekt der Bremer IT ist der einheitliche "Verwaltungs-PC": Ziel ist eine Standardisierung und die Professionalisierung des IT-Supports über alle Dienststellen hinweg. Im IT-Planungsrat vertritt Lühr Bremen.
Horst Baier, CIO von Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat am 20. März 2020 Horst Baier zum IT-Bevollmächtigten ernannt. Formal agiert der 57-Jährige als IT-Bevollmächtigter und leitet die Stabsstelle "Informationstechnik der Landesverwaltung".
Stefan Latuski, CIO der Bundesagentur für Arbeit
Stefan Latuski leitet ab 1. August 2023 als CIO die IT-Geschicke der Bundesagentur für Arbeit - zunächst kommissarisch.

Entsprechend optimistisch ist Cremer für die kommenden Jahre. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche IT-Konsolidierung in der Bundesverwaltung beim ITZBund sind geschaffen, sagt er. Eines zeichnet sich aber bereits ab: Er habe den Aufwand mit all den Schnittstellen zwischen den Arbeitspaketen unterschätzt, so Cremer. "Das betrifft Technologisches wie unterschiedliche Service Desks und Architekturen ebenso wie Organisationsfragen, etwa verschiedene Steuerungs- und Controlling-Prozesse."

In Anbetracht der Komplexität und den vorhandenen Erfahrungen aus der Wirtschaft hat sich Cremer externe Unterstützung geholt. Gerald Höhne, Direktor im öffentlichen Beratungsunternehmen PD, dem Inhouse-Berater der öffentlichen Hand, übernahm diese Aufgabe. "Für den technischen Teil des Projektes macht es keinen Unterschied, ob ein solches Projekt durch ein freies Wirtschaftsunternehmen oder die öffentliche Hand durchgeführt wird", sagt Höhne. Doch die Rahmenbedingungen können aus Cremers Sicht durch einen Inhouse-Berater mit Kenntnis der öffentlichen Verwaltung besser ausgestaltet werden, auch, wenn der Abstimmungsaufwand groß ist. So müssen die Projektleiter zahlreiche Stakeholder (Ministerien, Kundenbehörden, Personalräte, Gleichstellungsbeauftrage etc.) einbinden.

Fünf Lessons Learned

Aus dem bisherigen Projektverlauf leiten Cremer und Höhne fünf Lessons Learned ab:

Wegen der Komplexität der Aufgabe mussten die Projektleiter einige Termine strecken, sagt Höhne offen. Die Vorgehensweisen in der öffentlichen Verwaltung - mit vielen rechtlichen Rahmenparametern wie etwa aus dem Vergabe- und Haushaltsrecht - sind nur bedingt mit einem Industrieansatz vergleichbar. Fragen von Organisationsentwicklung und Veränderungs-Management müsse man bei diesem Projekt stark positionieren. Denn "immer wieder fragt der Kunde, was auf ihn zukommt", erläutert Cremer.

Der ITZBund-Vizedirektor weiß um die Geduld, die er allen Beteiligten abverlangt. Cremer konnte während der Projektlaufzeit personell aufstocken, und zwar nicht nur mit Informatikern, sondern auch mit Steuerungspersonal für die Projektarbeit. Nach nunmehr rund dreieinhalb Jahren zeigen sich die ersten angepeilten Synergien, so seine Einschätzung. Zwischen den Zeilen äußert er Verständnis für die gelegentliche Sehnsucht nach dem "Hey Joe-Prinzip". Doch bei der IT des Bundes ist ein Höchstmaß an Governance und Compliance unabdingbar, weiß der Jurist. Da kann der Bundesadler kein Auge zudrücken.