Künstliche Intelligenz und Cloud Computing im Einklang

KI wird zum Game Changer in der Public Cloud

06.06.2018 von René Büst
Ohne Cloud Computing wäre der aktuelle Hype um Künstliche Intelligenz nicht möglich. Erst der leichte Zugang zu Cloud-basierten AI-Services wie Machine Learning und die dafür notwendige Rechenleistung ermöglichen die Entwicklung neuer "intelligenter" Produkte, Services und Geschäftsmodelle.

Cloud Computing hat sich in den vergangenen 10 Jahren zu einem ertragreichen Geschäft für Anbieter wie Amazon Web Services oder Microsoft entwickelt. Doch der Wettbewerb wird durch Nachzügler wie Google und Alibaba immer stärker. Mit der massiven Einführung von AI-bezogenen Cloud-Services (AI = Artificial Intelligence, Künstliche Intelligenz) haben die Anbieter den Wettbewerbsdruck selbst nochmal einmal erhöht und wollen die Attraktivität bei den Kunden stärken.

Die großen Cloud-Anbieter wie AWS, Micorsoft und Google investieren massiv in Künstliche Intelligenz und werden damit den Markt verändern.
Foto: Laurent T - shutterstock.com

Für kleine und mittelständische Unternehmen kann der Aufbau von performanten und skalierbaren AI-Systemen schnell zu einer teuren Angelegenheit werden. Schließlich benötigt das Training von Algorithmen und der spätere Betrieb der entsprechenden Analytics-Systeme Unmengen an Rechenleistung. Im eigenen Keller, Serverraum oder Rechenzentrum ist es unmöglich, die dafür benötigte Rechenkraft rechtzeitig und punktgenau bereitzustellen. Welche, nebenbei bemerkt, anschließend in der Regel nicht mehr benötigt wird.

Begibt man sich in die Sphären von Amazon, Microsoft oder Google, haben alle drei in den vergangenen Jahren riesige Mengen an Rechenleistung aufgebaut und besitzen gleichermaßen einen großen Anteil an der 40 Milliarden Dollar schweren Cloud-Computing-Industrie. Für alle drei handelt es sich bei der Erweiterung ihrer Portfolios mit AI-Services um den nächsten logischen Schritt in der Cloud.

Einerseits, weil die Entwicklung von AI-Anwendungen bzw. die intelligente Erweiterung von bestehenden Anwendungen den leichten Zugang zu Rechenleistung, Daten, Konnektivität, aber vor allem additive Platform-Services erfordert. Andererseits, um die Attraktivität bei Bestandskunden zu erhalten und Neukunden zu gewinnen, welche immer stärker nach einfach zugänglichen Lösungen suchen, um AI in ihre Anwendungen und Geschäftsmodelle zu integrieren.

Die AI-Service-Portfolios der großen vier Public Cloud-Anbieter.
Foto: Copyright, 2018, Rene Buest

Amazon Web Services

Amazon mit Amazon Web Services (AWS) ist nicht nur Cloud-Pionier und Innovationstreiber, sondern weiterhin mit Abstand der Marktführer im weltweiten Public-Cloud Markt. Auf Grund seiner Skalierbarkeit und dem umfangreichen Angebot an Platform-Services ist AWS derzeit die führende Cloud-Umgebung für die Entwicklung und Bereitstellung von Cloud- und AI-Anwendungen. Im Rahmen der vergangenen re:Invent präsentierte AWS unter anderem Amazon Cloud 9 (durch die Akquisition von Cloud9 IDE Inc. im Juli 2016), eine Cloud-basierte Entwicklungsumgebung, welche direkt in die AWS Cloud-Plattform integriert ist, um Cloud-native Anwendungen zu entwickeln.

Weiterhin wurden sechs "Machine Learning as a Service"-(MLaaS) Dienste angekündigt, unter anderem ein Videoanalyseservice sowie ein NLP-Service und ein Übersetzungsservice. Zudem bietet AWS mit MXNet, Lex, Rekognition und SageMaker mächtige Services für die einfache Entwicklung von AI-Anwendungen. Insbesondere SageMaker ist dabei von Interesse. Mit dem Service lässt sich der gesamte Lebenszyklus einer Machine-Learning-Anwendung steuern. Wie bei allen Cloud-Services verfolgt AWS allerdings auch im AI-Bereich den Lock-In-Ansatz. Alle AI-Services sind sehr eng mit der AWS-Umgebung verzahnt, um sicherzustellen, dass AWS nach der Entwicklung der AI-Lösungen auch die Plattform für deren späteren Betrieb bleibt.

Auch hinsichtlich der Strategie bleibt Amazon seinem Erfolgsmodell treu. Nachdem Amazon die Technologien hinter seiner massiv skalierbaren E-Commerce-Plattform als Services via AWS der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat, folgen nun zum Beispiel die Technologien hinter Alexa, damit Kunden eigene Chatbots oder Sprachassistenten in Ihre Angebote integrieren können.

Microsoft Azure wird zum AI Hub

Auf Grund seiner breiten Kundenbasis im Unternehmensumfeld und seinem umfassenden Portfolio an Cloud- und AI-Services hat Microsoft grundsätzlich gute Voraussetzungen, sich auch im AI-Umfeld als eine führende Größe zu etablieren. Insbesondere durch das umfangreiche Angebot an Produktivitäts- und Geschäftsprozesslösungen stehen für Microsoft die Zeichen gut, um bei Unternehmensanwendern oben auf der Agenda zu stehen.

Microsoft steckt mit Produkten wie Windows, Office 365 oder Dynamics 365 mitten im digitalen Ökosystem vieler Unternehmen weltweit. Und damit an einem Punkt, wo sich exakt die Daten befinden oder Datenflüsse stattfinden, die genutzt werden können, um Machine-Learning-Algorithmen zu trainieren und Neuronale Netze aufzubauen. Microsoft Azure ist der zentrale Hub, an dem am Ende alles zusammenläuft und die dafür notwendigen Cloud-basierten AI-Services zur Verfügung stehen, um eine AI-Strategie umzusetzen.

Google investiert am meisten in AI

Was die Cloud betrifft, hinkt Google weiter hinter AWS und Microsoft hinterher. Allerdings könnte AI hier zum Game Changer werden. Vergleicht man aktuell Googles AI-Service-Portfolio mit dem von AWS und Microsoft, dann lässt sich festhalten, dass Google zwar eigentlich ein Nachzügler unter den innovativen Anbietern von Public-Cloud- und AI-Services ist. Andererseits haben Googles AI-Investitionen eine Summe von 3,9 Milliarden US-Dollar erreicht. Im Vergleich dazu hat Amazon bisher nur 871 Millionen US-Dollar und Microsoft nur 690 Millionen US-Dollar in AI investiert. Bei Google mangelt es halt an der konsequenten Exekution.

Aber: Google hat weltweit bereits mehr als eine Million AI-Nutzer (überwiegend durch die Akquisition der Data Science Community "Kaggle") und besitzt extrem viel AI-Know-How (unter anderem durch die Akquisition von "DeepMind"). Zudem gilt Google unter Entwicklern als die leistungsstärkste AI-Plattform mit den fortgeschrittensten AI-Tools.

Zudem ist TensorFlow die führende AI-Engine und für Entwickler die wichtigste AI-Plattform, mit welcher schon zahlreiche AI-Projekte umgesetzt wurden. Weiterhin hat Google mit den Tensor Processing Units (TPUs) eigene Prozessorchips entwickelt, die speziell für den Einsatz mit TensorFlow abgestimmt sind. Mit Cloud AutoML hat Google erst kürzlich einen MLaaS-Dienst angekündigt, mit dem auch unerfahrene Machine-Learning-Entwickler eigene Deep Learning Modelle bauen können.

Wenn man sich dann noch vor Augen hält, wo Google unter anderem mit dem Android OS seine Finger im Spiel hat (beispielsweise Smartphones, Haushaltsgeräte, Smart Home oder Autos), wird das Potenzial der AI-Services auf der Google Cloud Platform deutlich sichtbar. Der einzige Wehrmutstropfen besteht - weiterhin - darin, dass Google nur Entwickler bedienen kann. Der ausschlaggebende Zugang zu Unternehmen, wie Microsoft ihn besitzt, fehlt immer noch.

AI wird der Game Changer in der Public Cloud

Der Markt für AI-Plattformen und AI-Services befindet sich derzeit noch in der Anfangsphase. Doch mit dem wachsenden Bedarf, Kunden intelligente Produkte und Services anzubieten, werden Unternehmen dazu übergehen, sich Unterstützung zu suchen. Und Fakt ist, dass nur der leichte Zugang zu Cloud-basierten AI-Services und die dafür notwendige und schnell zur Verfügung stehende Rechenleistung die Entwicklung neuer "intelligenter" Produkte, Services und Geschäftsmodelle ermöglicht.

Für Unternehmen macht es daher keinen Sinn, AI-Systeme inhouse aufzubauen, da sich diese dort unter anderem nicht performant und skalierbar betreiben lassen. Zudem sollte der Zugriff auf die Endgeräte und die weltweit verteilten Daten, die ausgewertet werden müssen, nicht vernachlässigt werden. Das ist nur durch weltweit skalierte und gut vernetzte Cloud-Plattformen möglich.

Für die Anbieter könnte AI zum Game Changer in der Public Cloud werden. Nachdem AWS und Microsoft das Feld anführen, hat es Google bis heute dort nicht geschafft, signifikant Boden gut zu machen. Mit seinem AI-Portfolio könnte sich das aber ändern. Vor allem TensorFlow und die Beliebtheit unter Entwicklern spielt Google dabei in die Karten.

Aber dort sind AWS und Microsoft bereits auf der Hut und gehen sogar gemeinsam dagegen vor. Mit "Gluon" haben beide zusammen eine Open-Source Deep Learning Bibliothek entwickelt, die sehr ähnlich funktioniert wie TensorFlow. Zudem muss man AWS und Microsoft zusprechen, dass sie ein breites Angebot von AI-Engines (Frameworks) unterstützen und eben nicht nur TensorFlow.

Ob Google eines Tages AWS einholen wird, bleibt zu bezweifeln. Aber Microsoft könnte schnell den Atem zu spüren bekommen. Für Microsoft wird es ausschlaggebend sein, wie schnell Unternehmenskunden vom AI-Service-Portfolio überzeugt werden können und ob währenddessen das Verständnis vermittelt wird, andere Microsoft-Produkte und Services (zum Beispiel Azure IoT) in die AI-Strategie einfließen zu lassen.

Amazon wird mit seiner dualen Strategie, dem Fokus auf Entwickler und Unternehmen, den Public-Cloud-Markt auch weiterhin anführen und die Heimat für all diejenigen - insbesondere Cloud-nativen - AI-Nutzer sein, die nicht ausschließlich TensorFlow einsetzen wollen. Hinzu kommt die große und auf Innovationen ausgerichtete Kundenbasis, die versteht, welchen Nutzen AI-Services bergen.