Modellbasierter Datenaustausch mit IFC

Kleine Revolution in der Bau-IT

31.08.2007 von Stefan Holler
Grundlegende Geschäfts- und Kommunikationsprozesse in der Bauindustrie hängen in wachsendem Maße von der IT ab. Während beispielsweise in der Automobilbranche die IT-Integration weit fortgeschritten ist, beruht die Zusammenarbeit in der Bauwirtschaft meistens auf persönlichen Gesprächen oder Kommunikation per Telefon und Fax. Die Industry Foundation Classes (IFC), ein offener herstellerneutraler Standard, könnte den Datenaustausch und damit die Kommunikation am Bau revolutionieren.

Seit Jahrzehnten wird der Informationsaustausch zwischen Bauindustrie, Planern und Bauherren vom "Gemeinsamen Ausschuss für Elektronik im Bauwesen" (GAEB) strukturiert. Der GAEB fördert den Einsatz der Datenverarbeitung im Bauwesen unter Berücksichtigung der gemeinsamen Sprache aller am Bau Beteiligten. "Die Branche kennt - anders als viele Industriebranchen - kaum Serienproduktionen, sondern fertigt vielmehr ausgesprochen komplexe Einzelstücke", erläutert Martin Schneider vom Arbeitskreis Informations-Management im Hauptverband der deutschen Bauindustrie. So müssten von Projekt zu Projekt unterschiedliche Abläufe, wechselnde Zulieferer, Planer und andere Partner integriert werden.

Bauauelemente logisch verknüpfen

Im Laufe der Zeit produzieren die an Bauprojekten beteiligten Parteien gewaltige Informationsmengen und entwickeln wertvolles berufliches Know-how. In der Regel wird dieses Wissen allenfalls schriftlich zu Papier gebracht und steht anderen nicht zur Verfügung, die aus früheren Erfahrungen lernen könnten. Durch die Digitalisierung sollen diese Informationen erfasst werden und damit die Effektivität bei Bauprojekten verbessern helfen. Ziel ist es, Gesamtprojektrisiken zu minimieren.

Vor zehn Jahren wurde in den USA bereits die Internationale Allianz für Interoperabilität (IAI) in der Absicht gegründet, eine Spezifikation für die gemeinsame Nutzung aller während des Lebenszyklus eines Architekturprojektes anfallenden Daten zu entwickeln sowie diese zu verbreiten - und zwar über alle beteiligten Branchen und eingesetzten Software-Anwendungen hinweg. Diese Spezifikation der IAI, die Industry Foundation Classes (IFC), beruht auf einer Sammlung von Objekten, die in einem Bauwerk vorkommen (zum Beispiel Wände, Türen, Fenster) sowie auf einer Beschreibung der EDV-gerechten Repräsentation dieser Objekte.

IFC versteht sich als ein programmübergreifendes "intelligentes" Datenmodell für die verschiedenen Planungs- Bau- und Bewirtschaftungsprozesse. Beim Datenaustausch werden nicht mehr nur Striche ausgetauscht, sondern alle Software-Programme erkennen, dass es sich bei dem Objekt beispielsweise um eine Wand oder ein Fenster handelt. So geht keine Information verloren, und der Planungsablauf wird unterstützt. Ein wichtiger Unterschied zwischen IFC und den bestehenden Datenaustauschsystemen besteht darin, dass IFC die einzelnen Bauelemente logisch miteinander verbinden kann. Damit solle eine integrierte Arbeitsweise zwischen den Projektpartnern gefördert werden.

Wachsender Marktanteil für IFC

Wolfgang Reinecke vom deutschen Verband des IAI betont, dass es für die Bau-Software-Häuser weltweit keine Alternative mehr zum IFC-Datenstandard gibt. Eine zunehmende Anzahl von Programmen, die Bauwerke als digitales Datenmodell benötigen, seien auf IFC als Austauschformat angewiesen. "Nationale Standards werden nach und nach durch IFC abgelöst", erklärt Reinecke. "Das hat technische Gründe und wird unterstützt dadurch, dass immer mehr Software international vermarktet wird.“ Bisher machten modellbasierende Anwendungen, bei denen IFC eingesetzt wird, erst zehn Prozent des Software-Marktes aus - allerdings mit stark steigender Tendenz. Für nächstes Jahr erwartet die Branche 15 Prozent, und für 2010 bereits 30 Prozent Marktanteil.

IFC als Basis für das virtuelle Gebäudemodell (Quelle: Max-Bögl).

Einige deutsche Bauunternehmen engagieren sich aktiv an der Entwicklung und Fortschreibung des IFC-Basismodells für die integrierte modellbasierte Arbeitsweise im Bauwesen, wie etwa die Firmengruppe Max Bögl. Das Neumarkter Bauunternehmen entwickelt derzeit gemeinsam mit dem Software-Konzern Oracle ein Grundkonzept einer offenen Kommunikationsplattform für die Bauindustrie. Die Lösung soll flexibel und skalierbar auf der Grundlage vorhandener Datenbanktechnologien und Applikationen von Oracle umgesetzt werden. "Diese Kommunikationsplattform wird in den nächsten Jahren stufenweise bei Max Bögl implementiert und mit den bereits laufenden ERP-Systemen der Firmengruppe wie zum Beispiel SAP integriert", so Wolfgang Herrmann, CIO der Max-Bögl-Gruppe.

Auf Basis des IFC-Standards können aus unterschiedlichen grafischen CAD-Systemen sowohl digitale 3D-Bauwerksmodelle aber auch daraus abgeleitete 2D-Zeichnungen auf dieser Pattform abgelegt und durchgängig für eine digitale Projektabwicklung bereitgestellt und genutzt werden. Mit dem offenen Konzept einer Kommunikationsplattform soll der gesamte Lebenszyklus des Bauwerks abgedeckt werden - von der Entwicklung, dem Entwurf, Planung über die Bauphase bis hin zum Betrieb.

Nationalstadion Bukarest: Design- und Build-Projekt

3-D-Modell des geplanten Stadions in Bukarest der Max Bögl Gruppe.

Bei der Planung und Konstruktion des Nationalstadions "Lia Manoliu" in Bukarest tauschen die beteiligten Projektpartner die Planungsdaten untereinander im IFC-Format. Die Planungspartner werden dazu über das Portal der Max-Bögl-Gruppe auf die Modelldaten zugreifen, die sie direkt im Internet Browser virtuell betrachten und in Online-Besprechungen kommentieren und verändern können. "Leider nutzt die Bauindustrie noch immer zu wenig Synergieeffekte, obwohl das mit einheitlicher Planung und durchgängiger Datenhaltung auf moderner IT-Basis möglich wäre", sagt CIO Herrmann. Daher habe sich die Firmengruppe Max-Bögl zum Ziel gesetzt die Informationen der verschiedenen EDV-Lösungen sukzessive über eine offene Kommunikationsplattform zusammenzuführen. Durch Vernetzung und den konsequenten Einsatz neuer digitaler 3D und 4D-Techniken sollen Bauprojekte zukünftig über alle Projektphasen hinweg kostengünstiger und mit deutlich gesteigerter Qualität und Termintreue abgewickelt und überwacht werden.

Den Marktwert des IFC-Datenstandards hat inzwischen auch die Politik entdeckt. So kooperieren das Bundesbauministerium und die deutsche IAI seit April dieses Jahres mit dem Ziel, "durch den effizienten Datenaustausch eine Verbesserung der öffentlichen Bauprozesse und eine Wettbewerbsstärkung für die deutsche Bauwirtschaft zu erreichen." In der ersten Phase konzentriert sich die Zusammenarbeit auf die Datenübergabe für die Bewirtschaftungsprozesse. "Wir haben innerhalb der öffentlichen Bauverwaltung die Anforderungen in Bezug auf den produktneutralen Datenaustausch von alpha-numerischen Gebäudedaten diskutiert und dokumentiert. Hier ist der Handlungsbedarf besonders groß, und wir sehen in den Aktivitäten des Industrieverbandes IAI eine gute Voraussetzung, diese Lücke jetzt schließen zu können."

Nach Experteneinschätzung hat die sogenannte "building smart-Methode" und die IFC-Schnittstelle ihre Praxisreife erreicht. Viele Software-Firmen hätten dies bereits erkannt und unterstützten diese Entwicklung. Darüber hinaus engagieren sich auch einige Länder im IFC-Datenaustausch speziell für das Facility Management, unter anderem die CAD-Stelle für die Bayerische Staatshochbauverwaltung. Inzwischen ist die Entwicklung der IFC-Schnittstelle inhaltlich weitgehend abgeschlossen.

Wie Robert Schweisser, Vorsitzender im Arbeitskreis Faciliy Management der IAI gegenüber CIO.de erläutert, wurde der IFC-Standard inzwischen in die Baufachliche Richtlinie für die Gebäudebestands- Dokumentation von Bund und Ländern übernommen. Die CAD-Stelle Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, den IFC-Standard noch dieses Jahr verbindlich als Standard vorzuschreiben.