Personal

Kümmerer für die digitale Revolution gesucht

29.01.2015 von Christof Kerkmann
Die Digitalisierung krempelt die Wirtschaft um. Auch Maschinenbauer oder Seifenhersteller müssen sich bald darüber Gedanken machen, sagt der Personalberater Dwight Cribb – und fordert einen Kümmerer im Vorstand.

Computer sind heute zu Leistungen fähig, die vor wenigen Jahren noch als undenkbar galten - ob als Fahrer im Auto, Übersetzer im Büro oder Assistent in der Fabrik. Experten sehen eine neue industrielle Revolution anbrechen - und die könnte auch viele traditionelle Unternehmen durchschütteln. Um sich auf die rasanten Veränderungen einzustellen, sollten sie einen Spezialisten in den Vorstand holen, fordert der Personalberater Dwight Cribb. "Die Firmen müssen wichtige Fragen beantworten: Wie verändern sich die Märkte, wie die Technologie - und in welchem Tempo?"

Herr Cribb, warum sollte sich ein Maschinenbauer oder ein Waschmittelhersteller Gedanken über die Digitalisierung machen?

Dwight Cribb: Bei Digitalisierung denken viele erstmal an E-Commerce und digitales Marketing. Das sind die offensichtlichsten Bereiche, die auch den Alltag der Konsumenten stark prägen. Aber die digitale Transformation geht weit darüber hinaus. Sie betrifft alle Unternehmensbereiche. Das fängt bei der Kommunikation an und geht bis zur Produktion.

Zum Beispiel?

Dwight Cribb: Ein Waschmittelhersteller muss sich beispielsweise darauf einstellen, dass die Waschmaschinen in Zukunft Sensoren haben, die das Abwasser oder die Wäsche analysieren und dem Konsumenten dann raten, wie er das Waschmittel noch besser, effizienter einsetzen kann. Grundsätzlich gilt: Wer sich nicht bewegt, wird feststellen, dass viele kritische Geschäftsbereiche nicht auf den digitalen Wandel vorbereitet sind.

McKinsey über Digitalisierung
"The digital tipping point" (McKinsey)
Rund 850 C-Level-Manager hat McKinsey über den Stand der Digitalisierung befragt. Die Ergebnisse sind in dem Papier "The digital tipping point" dokumentiert.
Immer mehr Macher
Wie ein Blick auf die Vorjahresumfrage zeigt, schalten sich CEOs und Chief Marketing Officer (CMOs) immer stärker in das Thema Digitalisierung ein. Anmerkung der Redaktion: die 2012-Umfrage ist wegen der deutlich höheren Grundgesamtheit nur bedingt vergleichbar.
Größte Schwierigkeiten
Die richtigen Köpfe zu finden gilt als größtes Hindernis für die Umsetzung von Digitalisierungs-Initiativen.
CIOs/CTOs weichen ab
CIOs und CTOs (Chief Technology Officer) sehen vor allem Bedarf an Fachkräften für Analytics und Data Science. Damit weichen sie deutlich vom Durchschnitt ab. Umgekehrt halten sie den Bedarf in der Mobile und Online-Entwicklung nicht für so hoch wie der Rest der Befragten.
Kunde im Mittelpunkt
Digitale Kundenbindung wird als strategisches Ziel stärker priorisiert als das digitale Einbinden der Mitarbeiter.
Erst die Kunden, dann die Belegschaft
Das Einbinden von Kunden ist Unternehmen am wichtigsten. Derzeit wird Kundenbindung stärker priorisiert als digitale Produktinnovationen.
Erwartungen an Digitalisierung
Das Erschließen neuer Geschäftsfelder durch Digitalisierung steht im Vordergrund. Kostensenken ist dagegen nicht das Hauptziel.

Wie verändern sich die Geschäftsmodelle?

Dwight Cribb: Uber ist ein gutes Beispiel: Das Unternehmen ist ja kein klassischer Internet-Dienst. Es baut eine Plattform auf, die zwischen den Konsumenten - also den Fahrgästen - und den Lieferanten - also den Fahrern - steht. Dort findet der Markt statt. Die Macht dieser Plattformen ist sehr stark, nicht nur im E-Commerce, sondern auch bei Reisen oder anderen Geschäftsmodellen.

Lässt sich das so einfach übertragen?

Dwight Cribb: Häufig ja. Das zeigt der Stahlhändler Klöckner: Der versucht derzeit, seine gesamte Lieferkette und Auftragsabwicklung zu digitalisieren - bisher läuft das überwiegend per Fax. Doch nicht nur das, Klöckner spielt mit dem Gedanken, eine Stahlhandelsplattform aufzubauen, über die auch Wettbewerber ihren Stahl anbieten können. Wenn das gelingt, wird Klöckner das Gesicht gegenüber dem Kunden.

Sie vermitteln Führungskräfte für die Digitalisierung. Warum braucht es Spezialisten?

Dwight Cribb: Die Firmen müssen wichtige Fragen beantworten: Wie verändern sich die Märkte, wie die Technologie - und in welchem Tempo? Und was wollen Kunden wirklich? In einem Bereich, der sich so rapide verändert, ist es schwierig, den Überblick zu behalten, deswegen brauchen die Unternehmen Menschen, die sich hauptsächlich damit beschäftigen.

Also ein Chief Digital Officer.

Dwight Cribb: Man braucht eine Person auf Vorstandsebene, deren Hauptaufgabe die Digitalisierung ist. Das kann auch der Strategievorstand sein, da es eigentlich egal ist, wie die Position heißt. Hauptsache, es gibt dort einen Digital-Verantwortlichen, der die Unterstützung des CEO hat.

Viele Mitarbeiter sehen Veränderungen skeptisch …

Dwight Cribb: Keiner mag Veränderungen, noch weniger welche, die einen zu bedrohen scheinen. Es ist eine schwierige Aufgabe, die Mitarbeiter mitzunehmen. Zunächst sollte der Digital-Verantwortliche ein klares Bild zeichnen: Was passiert, wenn wir uns nicht verändern? Die Verlagsbranche, die ja so sehr unter der Digitalisierung leidet, ist ein gutes Beispiel dafür. Stillstand ist keine Option. Vielleicht wird ein Teil der Belegschaft mittelfristig nicht mehr gebraucht, aber das bringt leider jeder Wandel mit sich.

Herr Cribb, vielen Dank für das Gespräch. (Handelsblatt)

IT-Skills für die Digitalisierung
8 neue Mitarbeiter-Rollen
Laut Forrester brauchen IT-Abteilungen Beratungsfähigkeiten und übergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert politisches Fingerspitzengefühl und Methodenkompetenz.
1. Beziehungsmanager
Die IT stellt Partnerschaft und Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher. Sie übersetzt zwischen den beiden Seiten und bildet die Unternehmensziele technologisch ab. Im Zeitalter des Kunden bedeutet das vor allem mehr Beschäftigung mit Daten über die Verbraucher.
2. Architekt
In der Rolle des Architekten geht es konkret um das Entwickeln von Standards für Daten, Anwendungen und mobile Endgeräte. Das beinhaltet die Beobachtung der Konkurrenz und das Aufdecken neuer Kundengruppen.
3. Projekt- und Programm-Manager
Immer mehr Projekte starten von vornherein als abteilungsübergreifende Vorhaben. Hier ist nicht selten politisches Gespür gefragt.
6. Daten-Experte
Daten sind über das ganze Unternehmen verstreut. Der Daten-Experte wahrt dennoch die Kontrolle und erklärt jeder einzelnen Anwender-Gruppe, was sie mit welchen Daten tun darf und was nicht. Das beinhaltet Expertise in Daten-Tools, Methoden, dem Status jeder einzelnen Datenquelle und Einblick in die Geschäftsprozesse.
7. Geschäftsprozess-Designer
Unternehmen kaufen Anwendungen und setzen sie an allen Standorten ein. Geschäftsprozess-Designer sorgen für die Balance zwischen der Anpassung der Systeme und der Anpassung der Prozesse.
8. Sicherheitsexperte
Sicherheit ist nicht nur ein Thema von Regeln und Überwachung, sondern auch von Soft Skills. Security-Experten verdeutlichen der Belegschaft, warum sie nicht an der IT vorbeiarbeiten dürfen.
4. Vendor Manager
Der Vendor Manager entwickelt sich zunehmend zum Berater. Fachabteilungen interessieren sich üblicherweise nur für Funktionalitäten und kaum für Sicherheit. Der Vendor Manager schon.
5. Experte für Nutzer-Erfahrung
Die IT muss durch die Brille des Endverbrauchers beziehungsweise Unternehmenskunden sehen können. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im direkten Kundenkontakt.