Nachlässe

Lässt SAP bei den Wartungsgebühren locker?

05.02.2013 von Martin Bayer
Während Softwarehersteller beim Lizenzpreis hohe Rabatte einräumen, zeigen sie sich bei der Wartung meist wenig verhandlungsbereit. Analysten berichten nun, dass selbst SAP mittlerweile auch an dieser Stelle Nachlässe gewährt.

Wir haben mit einer Handvoll großer SAP-Kunden gesprochen, die im Zuge der Erneuerung ihrer Wartungsverträge Nachlässe von bis zu 50 Prozent erhalten haben", berichtete jüngst Peter Goldmacher, Analyst von Cowen and Company, in einem Report. Die Anwenderunternehmen suchten nach Mitteln und Wegen, ihre IT-Ausgaben zu senken, schildert der Marktbeobachter die Hintergründe. Dabei kämen immer mehr Verantwortliche zu dem Ergebnis, dass die SAP-Wartung den hohen Preis nicht wert sei, den ihre Unternehmen zahlen müssten.

Drittanbieter lauern

SAP verdient immer besser an der Wartung: Die Einnahmen für Support und Wartung machen in der SAP-Bilanz einen immer wichtigeren Posten aus. Selbst als in der Krise die Lizenzeinnahmen einbrachen, stiegen die Support-Erlöse weiter an. Angaben in Millionen Euro.
Foto: Geschäftsberichte SAP

In der Folge hielten die Firmen Ausschau nach kostengünstigeren Alternativen, wie sie beispielsweise Anbieter von Drittwartung wie Rimini Street bieten. Äußerten die Anwender ihre Absicht, die Wartung zu kündigen, biete der Softwarekonzern zunächst einen moderaten Rabatt auf die Wartung. Wiesen die Kunden diese Offerte zurück, landeten durchaus ansehnliche Rabatte auf dem Verhandlungstisch, berichtet Goldmacher. Die Tatsache, dass hochrangige SAP-Manager in diese Verhandlungen involviert seien, zeige dass das Management das Wartungsthema offenbar sehr ernst nehme.

Auf SAP-Seite will man von den Wartungsrabatten nichts wissen. "Als wir den Report gesehen haben, waren wir ziemlich geschockt", zitiert der "IDG News Service" Augusto Abbarchi, Senior Executive von SAP. Es gebe bei SAP keine Nachlass-Policy dieser Art. Man wisse nicht, woher diese Annahmen herrührten. "Wir haben immer gesagt, wenn es darum geht, den Preis auszuhandeln, ist die Wartung kein Teil dieser Diskussionen." Allerdings, so muss der SAP-Manager einräumen, verstärke sich der Druck der Kunden auf den Softwarekonzern. Diese suchten nach allen Möglichkeiten, Kosten zu reduzieren. Daher gebe es heute mehr Diskussionen als in der Vergangenheit.

Für die Softwarekonzerne ist die Wartung ein sensibles Thema. Im gesamten Lebenszyklus einer Software bescheren die Maintenance-Gebühren den Anbietern deutlich mehr Einnahmen als der einmalig gezahlte Lizenzpreis. Auf diesen gewähren die Hersteller gerne einen Rabatt, um den Kunden zum Kauf zu bewegen. Dagegen lassen sie in Sachen Wartung meist nicht mit sich reden.

Wartungspanne bei SAP

Speziell für SAP ist das Thema Wartung noch aus einem anderen Grund besonders heikel. Vor ein paar Jahren erhöhte der Konzern über Nacht den Wartungssatz, was unter den Anwendern einen Sturm der Empörung auslöste. Aufgrund des hartnäckigen Widerstands seiner Kunden musste SAP schließlich zurückrudern und den Firmen die Wahlmöglichkeit zwischen dem klassischen Standard-Support oder dem höherpreisigen Enterprise-Support einräumen.

Entsprechend dünnhäutig reagiert man auf alles, was die Wartungseinnahmen in irgendeiner Form gefährden könnte. Vielleicht habe Goldmacher in seinen Gesprächen etwas missverstanden, spekuliert SAP-Manager Abbarchi. Eventuell habe der Analyst Lizenzrabatte, die sich auch auf die Wartung auswirken könnten, als Nachlass auf die Maintenance-Gebühren interpretiert.

Goldmacher wies dies zurück. Er stehe zu dem, was er in seinem Report geschrieben habe. In den Gesprächen sei es um direkte Nachlässe auf die Wartungsgebühren gegangen und nicht um Rabatte, die sich indirekt ausgewirkt hätten. Seine Quellen in den Reihen der SAP-Kunden wollte der Analyst jedoch nicht nennen.

Report angezweifelt

SAP-Sprecher James Dever bemühte sich um Schadensbegrenzung, indem er die Glaubwürdigkeit Goldmachers in Frage stellte. Dieser habe nur mit einer Handvoll Kunden gesprochen. Das sei angesichts einer rund 200.000 Firmennamen zählenden Kundenliste nicht repräsentativ. Er verwies zudem auf einen möglichen Interessenkonflikt, weil Goldmachers Firma Cowen and Company eine Investoren-Tour für Rimini Street veranstaltet habe, deren Verantwortliche offenbar einen Börsengang erwägen. Goldmacher bestritt auch dies. Er habe Rimini Street in seinem Bericht mit keinem Wort erwähnt. Das Nachtreten zeige nur, wie verärgert die SAP-Manager seien.

Nach außen versucht SAP das Bild zu vermitteln, die Wartungsgebühren seien nicht verhandelbar, bestätigt Helmuth Gümbel von Strategy Partners. Allerdings gebe es durchaus Möglichkeiten, an dieser Stellschraube zu drehen. Zwar werde SAP kaum den Maintenance-Prozentsatz verringern, aber die Kunden könnten darauf beharren, dass die Wartungsgebühr auf Basis des rabattierten Vertragspreises berehnet wird und nicht anhand des höheren Listenpreises. Außerdem könnten Anwender versuchen, Lizenzen, die sie nicht mehr einsetzten, für die aber weiterhin Wartung bezahlt werde, zu wandeln und damit Funktionen zu erhalten, die auch benutzt würden. Grundsätzlich ist es für die Anwender an dieser Stelle aber nicht einfach, sagt Gümbel: "Man muss schon dicke Geschütze auffahren, damit sich etwas bewegt."

Davon weiß auch die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) ein Lied zu singen. Schon seit Langem fordern die Anwendervertreter mehr Flexibilität in den Lizenzmetriken. Doch die Gespräche mit den SAP-Verantwortlichen gestalten sich zäh. "Wir sprechen sehr intensiv mit SAP", berichtet Andreas Oczko, stellvertretender Vorsitzender der DSAG. Er hofft, dass die Verhandlungen im laufenden Jahr endlich Ergebnisse bringen.

SAP stellt sich taub

Bislang ließ die SAP-Führung die Kritik der Anwendervertreter an sich abprallen. Beispielsweise hatten die DSAG-Vertreter auf ihrer Jahrestagung Ende September 2012 ihre Forderungen nach kundengerechten, flexiblen und transparenten Preismodellen bekräftigt. So müsse es möglich sein, Teile der eigenen SAP-Landschaften stillzulegen beziehungsweise zu kündigen und aus der Wartung zu nehmen. "Ein Auto, das man nicht mehr fährt, bringt man schließlich auch nicht zum Service", so der Vergleich der DSAG.

SAPs Vorstandssprecher Jim Hageman Snabe muss ehrgeizige Finanzziele erreichen. Seine Kunden fordern indes finanzielle Entlastung.
Foto: SAP

Die Anwendervertreter sind aber skeptisch, ob sich SAP in den Kernfragen rund um flexiblere Lizenz- und Wartungsmodelle bewegen wird. Schließlich gehe es an dieser Stelle um das Kerngeschäft der Walldorfer. Und die haben ehrgeizige Ziele: Bis 2015 soll der Jahresumsatz von derzeit rund 14 Milliarden Euro auf 20 Milliarden Euro steigen. In seiner Keynote auf dem DSAG-Kongress ließ SAPs Vorstandssprecher Jim Hagemann Snabe die Kritik an den Lizenz- und Wartungsmetriken denn auch links liegen. Mit keinem Wort ging er auf die Forderungen seiner Kunden ein.

Ganz unberührt scheint den Softwarekonzern die anhaltende Diskussion allerdings nicht zu lassen. Nur wenige Wochen später kündigte Snabe auf der SAP-Kundenkonferenz Sapphire mit "SAP 360 Customer" ein neues Produkt an, das neben klassischer Software auch In-Memory-, Cloud-, Mobile- und Collaboration-Techniken beinhaltet. Im Zusammenhang mit dieser neuen Produktkategorie, die sich zum Prototypen für künftige Softwareangebote aus dem Hause SAP entwickeln könnte, versprach der SAP-Lenker zugleich ein einfacheres Lizenz- und Preismodell.

Softwarekonzerne wie SAP und Oracle werden sich der lauter werdenden Kritik stellen müssen. Schließlich kratzen auch die Anbieter von Dritt-Wartung am Maintenance-Monopol der großen Anbieter. Firmen wie die 2005 gegründete Rimini Street bauen seit Jahren ihre Services kontinuierlich aus und versprechen ihren Kunden ein Einsparpotenzial von bis zu 50 Prozent. Rimini Street begann mit Wartungs-Dienstleistungen für Software von Siebel, Peoplesoft und JD Edwards. Dann weitete der Service-Anbieter sein Maintenance-Portfolio auf Anwendungssoftware von Oracle aus. 2009 bot Rimini Street schließlich auch Wartungsdienste für SAP-Software. Mittlerweile setzten Angaben des Unternehmens zufolge über 520 Firmen weltweit in 70 Ländern auf Drittwartung ihrer Systeme.

Brücken für Skeptiker

Zugleich baut man Brücken für noch skeptische Kunden. Gerade weil viele Anwender ihre Software stark angepasst haben, meinten diese, keine Alternative zum Support durch den Hersteller zu haben, sagt Mark Bartrick, Analyst von Forrester Research. Die meisten Support-Anfragen beträfen kundenspezifischen Code. Dem wollen sich künftig auch Drittanbieter wie Rimini Street annehmen. Der Dienstleister hat kürzlich den Aufbau der Rimini Street Labs angekündigt. Dafür sollen in Indien bis 2015 rund 200 SAP- und Oracle-Spezialisten eingestellt werden.

Mittlerweile nehme SAP die Konkurrenz ernst, behaupten die Rimini-Street-Verantwortlichen. Sie berichten ebenfalls von Nachlässen, wenn Drittwartung ins Spiel komme. (Computerwoche)