Analysten-Kolumne

Lohnt sich der Einsatz von Balanced Scorecards in der IT?

14.02.2007 von Peter Ratzer
Seit zehn Jahren gibt es das Konzept der Balanced Scorecard (BSC). Der Nutzen des Balanced-Scorecard-Einsatzes im Hinblick auf Steuerungsfähigkeit und Strategiekonformität der IT wird seit fast genauso langer Zeit diskutiert. Doch wird die Frage, ob es auf Basis der strategischen Rolle der IT sowie des Vorhandenseins weiterer essentieller Voraussetzungen überhaupt sinnvoll ist, eine Balanced Scorecard einzuführen, bisher zu wenig beleuchtet.

In den späten neunziger Jahren etablierte sich die BSC als das strategische Steuerungsinstrument. Es gibt kaum ein Unternehmen, das sich nicht mit der Einführung einer BSC auf Unternehmens- oder Bereichsebene beschäftigt hat. Hohe Aufmerksamkeit genoss der BSC-Ansatz auch in der IT.

In Zeiten, in denen sich die IT-Abteilungen durch den Einsatz von Shared Services, Outsourcing und Offshoring von serviceerbringenden Einheiten (IT-Supply) hin zu nachfragesteuernden Einheiten (IT Demand/IT Governance) entwickelten, machte dieses Steuerungsinstrument durchaus Sinn. Dennoch schlugen viele Versuche fehl, IT BSCs nachhaltig zur zielorientierten Steuerung eines IT-Bereichs einzuführen, da wesentliche Voraussetzungen nicht existierten.

Zielsetzung

Bevor man in die Diskussion der Sinnhaftigkeit von IT BSCs einsteigt, sollte man sich zunächst deren Zielsetzung verdeutlichen. Mit IT BSCs ist ein integriertes IT-Performance-Management-System gemeint, das auf dem BSC-Ansatz basiert und unter anderem

Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung

1. Die Rolle der IT im Unternehmen

Von zentraler Bedeutung ist die Rolle, die die IT innerhalb des Unternehmens einnimmt. Wird sie im Unternehmen als "Business Partner" oder sogar "Business Leader" angesehen, so erfolgt auch eine starke Einbindung in die strategischen Planungsprozesse. Da Geschäftsstrategien häufig gar nicht oder nur unvollständig dokumentiert sind, spielt dies bei der Ableitung strategischer Zielvorgaben für die IT eine entscheidende Rolle.

Wird die IT als Service Provider gesehen, fehlt meist diese Einbindung und somit werden hier IT BSCs pragmatisch anhand verfügbarer Informationen oder basierend auf Annahmen erstellt. Gleichzeitig werden oftmals Kennzahlensysteme entwickelt, die auf operativen Standardkennzahlen wie Fehlerbehebungszeiten, SLA-Zielerreichung und ROI (Return on Investment) der Projekte beruhen, was aber nicht dem strategischen Anspruch einer IT BSC entspricht. Strategische Kennzahlen bedürfen nicht zuletzt der Diskussion von Zielsetzungen und Prioritäten von Produkten, Geschäftsprozessen und Projekten.

2. Reifegrad der IT Governance

Performance Management (also auch die IT BSC) ist wesentlicher Teil der IT Governance. Im Kern zielt IT Governvance darauf ab, die IT-Strategie aus den Zielen des Gesamtunternehmens abzuleiten und durch koordinierte Steuerung des laufenden IT-Betriebs und der IT-Projekte Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen. Dazu sind jedoch klare Strukturen, Prozesse sowie Entscheidungskompetenzen notwendig, mit deren Hilfe die Ausrichtung der IT festgelegt wird und Umsetzung und Risiken gesteuert werden.

Etablierte Governance-Prozesse und -Strukturen begünstigen nicht nur die Koordination und Zustimmung der Fachseite im Hinblick auf zentrale Ziele und Maßnahmen der IT. Sie ermöglichen durch eindeutige Entscheidungswege und -befugnisse zudem die Umsetzung der gesteckten Ziele vor allem in den IT-Projekten als wesentliche Hebel zur Erreichung der Zielsetzungen der IT BSC. Somit wirkt sich ein hoher Reifegrad der IT Governance auf die Definition und Erstellung einer IT BSC sowie insbesondere auf die diesbezügliche Monitoring- und Reporting-Funktion positiv aus.

3. Vermeidung methodischer Fehler

Viele BSC-Einführungsprojekte scheiterten neben einem falschen IT-Rollenverständnis und einer unausgereiften IT Governance auch an methodischen Fehlern. Zu den schwerwiegendsten gehören:

Leistungsindikatoren einer IT BSC machen die Leistungen verschiedener IT-Bereiche vergleichbar. Um hier Widerständen pro-aktiv zu begegnen, sind entsprechende Kommunikationsmaßnahmen zu ergreifen sowie das Top-Management frühzeitig einzubinden. Dieser Punkt hängt sehr stark mit dem IT-Rollenverständnis zusammen und setzt auch eine gewisse Kultur zur Transparenz voraus.

Kennzahlensysteme tendieren grundsätzlich zur Komplexität. Erfahrungsgemäß lassen die zahlreichen Diskussionen über zu verwendenden KPIs (Key Performance Indicators) das Kennzahlensystem enorm anwachsen. Hier hilft nur eine Konzentration auf die Schlüssel-Kennzahlen, die in Abhängigkeit von existierenden Berichten und Daten auch kurzfristig operationalisiert werden können. Dass heißt aber wiederum, dass der CIO letztlich auch die Entscheidungsbefugnis innehaben muss.

Kennzahlensysteme sind nicht für die Ewigkeit. IT-Herausforderungen ändern sich dynamisch. Dies wirkt sich auch auf relevante Leistungsindikatoren innerhalb einer IT BSC aus. Die kontinuierliche Anpassung der IT BSC erfordert daher auch auf lange Sicht Zeit und Ressourcen.

Fazit

Die erfolgreiche Einführung einer "klassischen" IT BSC gelingt nur, wenn der IT auch die entsprechende Rolle zugebilligt wird. Ein hoher Reifegrad der gesamten IT-Governance hinsichtlich Strukturen und IT-Prozessen (vor allem des IT-Projektgeschäfts) muss gegeben sein, um die IT BSC zielsicher aufzustellen und die kontinuierliche Monitoring-Funktion zu gewährleisten. Und schließlich sollte man sich fragen, ob methodische Fehler wirklich vermeidbar sind oder ob Unternehmenskultur und Einflussvermögen des CIOs die Implementierung schlicht nicht zulassen.

Peter Ratzer ist Partner CIO Advisory Services bei Deloitte.