Warnen, Schweigen, Zittern

Londons Banken und die Brexit-Gefahr

16.06.2016
Im Londoner Finanzdistrikt herrscht eine Woche vor dem EU-Referendum gespenstische Ruhe. Die Banken haben sich Schweigen auferlegt. Dabei gibt es Anzeichen für große Nervosität hinter den Kulissen.
Ist es die Ruhe vor dem Sturm? Kurz vor dem Referendum über einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU hüllt sich die Londoner City in Schweigen.
Foto: dade72 - shutterstock.com

Noch zu Beginn des Jahres hatten mehrere Geldinstitute Analysen veröffentlicht, die deutlich vor den Folgen eines Brexit warnten. Demnach hat der Finanzsektor viel zu verlieren bei einem EU-Ausstieg. Vor allem drei Ängste treiben die City um.

Erstens: Internationale Banken könnten in die Rest-EU abwandern, um sich den Zugang zum Binnenmarkt zu sichern. Jamie Dimon, Chef der US-Großbank JP Morgan sieht allein in seinem Unternehmen im Falle eines Brexit 3000 bis 4000 Jobs in London in Gefahr.

Zweitens: Die EZB könnte versuchen, den Euro-basierten Handel mit Finanzmarktprodukten in die Eurozone zu holen - Charles Goodhart, Wirtschaftsprofessor an der London School of Economics glaubt, dass genau dieser Fall eintreffen wird. Erst Anfang des vergangenen Jahres war die EZB mit dem Versuch am Europäischen Gerichtshof gescheitert. "Wenn wir nicht länger in der EU sind, wird das nicht halten", sagt Goodhart.

Und dann ist da noch die große Unsicherheit, die bei einem Votum für einen Austritt auftreten würde. Denn die genauen Folgen für die gesamte Wirtschaft lassen sich bislang nur erahnen. Aber Unsicherheit ist generell Gift für die Geschäfte von Banken. Viele fürchten, dass allein die Refinanzierung der Institute teurer wird und damit die Ertragskraft sinkt. Zudem könnte das Pfund abwerten und der Aktienmarkt weiter einbrechen.

Einer Umfrage des Bankenverbands BBA (British Bankers Association) zufolge befürchten 60 Prozent der Banken im Falle eines Brexit negative Effekte auf ihre Geschäfte. BBA-Chef Anthony Browne sagte dazu: "Unsere Studie zeigt, dass es bei den Banken fast gar keinen Appetit auf einen Ausstieg aus der EU gibt."

Doch warum werben die Banken nicht offensiver gegen den Brexit? Offizielle Begründung sind die strengen Regeln der Wahlkommission. Demnach darf niemand mehr als 10000 Pfund (13 000 Euro) für den Wahlkampf ausgeben, wenn er nicht offiziell registriert ist. Doch so klar wollen sich die Geldinstitute nicht positionieren und was am Ende als Wahlkampf zählt, entscheidet im Zweifel die Wahlkommission. Wer ohne Registrierung wirbt, könnte sich strafbar machen.

Doch es scheint auch noch andere Gründe für die selbst auferlegte Wahlkampf-Abstinenz zu geben: die Banken befürchten, so ein Branchenkenner, sie könnten der Sache einen Bärendienst erweisen. Schnell könnte der Eindruck entstehen, eine Handvoll Manager würde vor allem die eigenen Interessen im Blick haben. Zu tief steckt noch das Misstrauen aus der Finanzkrise in den Menschen.

Banken mit einem großem Privatkundengeschäft wollen es sich zudem nicht mit der geschätzten Hälfte ihrer Kunden verderben. Dazu kommt, dass nicht jedes Argument, das gegen einen Brexit spricht, in der Bankenbranche als hilfreich angesehen wird. Wie die Financial Times berichtet, schulen die Banken in der City ihre Mitarbeiter inzwischen gezielt auf Kundenanfragen zum Brexit. Dabei gilt: Egal was passiert, die Kunden dürfen nicht in Panik verfallen.

Immerhin: Barclays, eine der vier großen britischen Banken, soll der "Financial Times" zufolge intern einen Erinnerung an seine Mitarbeiter verschickt haben, an der Abstimmung teilzunehmen. (dpa/rs)