Plädoyer für Universal-Apps

Macht Schluss mit dem App-Wirrwarr

24.10.2012 von Thomas Heimann
Unternehmen sollten bei der App-Entwicklung über ihren Schatten springen und kooperieren, um beim Kunden zu punkten. Denn Insellösungen sind von gestern, meint Thomas Heimann von Capgemini in seiner Kolumne.
Thomas Heimann ist Senior Enterprise Architect bei Capgemini in Deutschland.
Foto: Capgemini

Ist Ihr Smartphone auch überflutet von Apps? Meines ist es, und manchmal hilft selbst die beste Gruppierung nicht mehr, um zur richtigen Zeit die richtige App zu finden. Jede Airline, jede Bank und inzwischen auch fast jeder Einzelhändler hat eine eigene mobile Applikation. Wo soll das hinführen?

Die App, die mitdenkt

Ich persönlich bevorzuge eine andere Art von App: Eine, mit der ich nicht nur Leistungen eines Unternehmens in Anspruch nehmen kann, sondern die mir für einen bestimmten Prozess alle Informationen und Services zur Verfügung stellt. Ein gutes Beispiel ist hierbei die App der Deutschen Bahn. Mit ihrer Hilfe kann ich mir bequem die nächste Zugverbindung von Düsseldorf nach München heraussuchen. Darüber hinaus haben die Macher daran gedacht, dass Reisende auch mal in Städten unterwegs sind, in denen sie sich nicht auskennen.

Dementsprechend suchen sie - bevor sie Umsatz für die Deutsche Bahn generieren - erst einmal, wie sie am besten zum Bahnhof kommen. Mit der S-Bahn, der U-Bahn oder dem Bus? Und wo ist die nächste Haltestelle? Wie komme ich zu Fuß dahin und wie weit ist das? All diese Informationen stellt die Bahn-App zur Verfügung und ist für mich damit so etwas wie das Navi für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr.

Im Sinne des Users, nicht des Anbieters

Nun ist es für die Bahn natürlich relativ einfach, die Fahrpläne des Nahverkehrs in die Anwendung zu integrieren, da sie mit den meisten Anbietern kooperiert. Aber allein die Idee, einen Routenplaner für Fußwege einzubinden, ist eine Transferleistung im Sinne des Kunden.

Und dieses Mitdenken ist es, was vielen Apps fehlt: Sie konzentrieren sich ausschließlich auf Vorgänge, die das eigene Unternehmen betreffen (Sichtweise inside-out) und vergessen dabei, was der Nutzer in einer bestimmten Situation bewerkstelligen will (Sichtweise outside-in). Sobald ein Prozessschritt außerhalb der eigenen Hoheits- und Umsatzgewässer liegt, wird er häufig nicht mehr abgedeckt. Das erzeugt beim Kunden keine Likes.

Leider wenig Kooperation zwischen Anbietern

Ein anderes Problem ist die häufig mangelnde Kooperationsbereitschaft vieler Unternehmen. Am Ende baut jedes lieber seine eigene mobile Software, anstatt sich zusammenzuschließen und zum Beispiel eine App fürs Banking zu entwickeln, mit der der Nutzer auf die Services von 150 verschiedenen Instituten zugreifen kann und damit nur noch eine App braucht.

Deshalb kommen solche Universal-Apps eben häufig von neutralen Dritten, die dann per API auf die Services der einzelnen Anbieter zugreifen. Ein Beispiel aus dem Social Media-Bereich ist die weit verbreitete Desktop-Anwendung Tweetdeck. Diese war bis zum Kauf des Unternehmens durch Twitter ein unabhängiger Social Media Client, über den man die Kommunikation für mehrere Plattformen, wie Twitter, Facebook und Linkedin bündeln konnte.

Der Nutzer musste sich also nur einmal bei Tweetdeck einloggen, statt einzeln in jeden seiner Social Media Accounts. Dementsprechend intensiv wurde die App genutzt und ich glaube, sie übertraf bei weitem die Nutzung der Twitter-eigenen App. Auch wenn zum vollkommenen Glück eine Integration von Google+ und Xing fehlten. Beide Unternehmen schotteten zu diesem Zeitpunkt ihre Dienste ab.

Abschottung ist nicht im Kundeninteresse

Die Abschottung hat natürlich ihre Gründe und kann kurzfristig Vorteile haben. Ich glaube aber, dass sie auf Dauer nicht funktionieren wird, da sie am eigentlichen Kundeninteresse vorbei geht. Der Login in all die verschiedenen Netzwerke ist einfach zeitaufwändig, die Teilnahme an den einzelnen Konversationen umständlich. Da nutzt man doch lieber eine Universal-App und lässt dafür irgendeins der sozialen Netze außen vor, das seine API nicht freigegeben hat.

Universal-Apps, die Vielfalt bieten und einen Prozess im Sinne des Nutzers unterstützen, werden besser angenommen - und darum geht es letztendlich doch. Unternehmen sollten sich bei der Entwicklung also viel mehr darauf konzentrieren, wie sie echten Mehrwert für den Kunden generieren und bereit sein, dafür über den eigenen Schatten zu springen. Denn, für welche App würden Sie sich entscheiden? Wären Sie bequem oder wären Sie loyal?

Thomas Heimann ist Senior Enterprise Architect bei Capgemini in Deutschland.