Paypal-Chef Marcus im Interview

"Man drückt einen Knopf und geht"

03.04.2013 von Christof Kerkmann
Paypal will das Handy zum Portemonnaie machen. Der Dienstleister hat ein System entwickelt, mit dem man auf Knopfdruck bestellt und bezahlt. Das löse ein echtes Problem, sagt Firmenchef David Marcus: Schlange stehen.
Marcus, 39, leitet seit April 2012 den Internet-Bezahldienstleister Paypal, eine Tochter des Online-Handelsportals Ebay. Zuvor leitete der gebürtige Franzose die Paypal-Sparte für mobiles Bezahlen. Paypal wiederum hatte im August 2011 den von Marcus gegründeten mobilen Bezahldienst Zong übernommen.
Foto: youtube channel leweb

Viele Menschen in Deutschland lieben Bargeld. Wie wollen Sie die Menschen davon überzeugen, mit dem Handy zu bezahlen - ob einen Kaffee oder auch etwas Größeres?

David Marcus: Deutschland unterscheidet sich tatsächlich sehr von anderen Ländern, viele Menschen bezahlen im Internet per Online-Banking oder Lastschrift, offline mit Bargeld. Wenn man ihre Gewohnheiten verändern will, muss man echte Probleme lösen. Wir arbeiten deswegen an Szenarien, in denen Menschen Zeit sparen können, etwa indem sie im Kaffeeladen nicht in der Schlange stehen oder im Restaurant auf die Rechnung warten müssen.

Wie soll das funktionieren?

Das System Paypal Mobile ist schon im Einsatz, in Frankreich kooperieren wir zum Beispiel mit McDonalds. Aus Sicht des Verbrauchers läuft das so: Man schaut in der App, wo ein Geschäft ist, und ordert. Wenn man dort ankommt, ist die Bestellung schon fertig. Man holt sie an einem speziellen Schalter ab, ohne dass man zehn Minuten warten muss. Eine andere Möglichkeit: Man bezahlt im Restaurant, ohne auf den Kellner warten oder an die Kasse gehen zu müssen. Man drückt einen Knopf und geht.

Wenn ich einfach aus einem Laden herausspaziere, fühle ich mich aber wie ein Dieb.

Beim ersten Mal fühlt es sich vielleicht komisch an, aber wenn es Ihnen 20 Minuten kostbare Zeit spart? Dann ist es beim nächsten Mal einfach nur bequem. Die Menschen verändern ihre Gewohnheiten. Warum sollte das beim Einkaufen nicht auch so sein?

Für die Händler bedeuten neue Bezahlsysteme allerdings oft zusätzliche Kosten.

Viele kleine Händler verlieren aber auch Kunden, weil sie nur Bargeld nehmen. Unsere Gebühren sind ähnlich wie bei Kreditkartenunternehmen. Wenn man aufrechnet, welche Kosten die Händler für ihr Bankkonto und das Kartenlesegerät haben, ist das sehr günstig. Außerdem ist die Nutzererfahrung viel besser: Der Händler sieht bei der Bestellung ein Foto des Kunden und kann ihn namentlich begrüßen. Es entsteht eine persönliche Verbindung, die in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen ist.

Viele Verbraucher in Deutschland sehen elektronische Bezahlsysteme skeptisch, weil sie Sicherheitsbedenken haben. Womit wollen Sie die überzeugen?

Online-Banking ist relativ umständlich und wenn der Händler nicht liefert, ist das Geld weg. Wenn Sie Paypal nutzen, teilen wir niemandem Ihre Bankdaten mit, und wenn etwas schief geht, erhalten Sie eine hundertprozentige Erstattung. Es ist alles eine Frage der Gewohnheit. Wir müssen unsere Stärken in Deutschland besser verkaufen und werden deswegen eine Werbekampagne starten. Und sobald die Verbraucher unseren Service mehr online nutzen, nutzen sie ihn auch für andere Zwecke, zum Beispiel im Geschäft.

Ab wann soll es das System denn in Deutschland geben?

Innerhalb weniger Monate. Je schneller, desto besser.

Das Wichtigste zum kontaktlosen Bezahlen

Wie funktioniert kontaktloses Bezahlen?
Das kontaktlose Bezahlen funktioniert per Funk. Die Karten mit Girogo-, Paypass- oder Paywave-Technologie sind mit einem speziellen Chip (Near Field Chip) ausgestattet. Die Daten werden verschlüsselt mit dem Terminal an der Kasse ausgetauscht, wenn die Karte im Abstand von maximal vier Zentimetern davorgehalten wird. Der Inhaber gibt seine Kreditkarte oder Girocard dabei nicht aus der Hand.

Für welche Beträge ist das gedacht?
Vor allem für Kleinbeträge, die üblicherweise bar bezahlt werden: Tageszeitung, Kaffee. Nutzer neuartiger Visa- oder Mastercard-Karten können kontaktlos bis zu einem Betrag von 25 Euro ohne Geheimnummer (PIN) oder Unterschrift bezahlen. Liegt der Betrag darüber, sind PIN oder Unterschrift notwendig. Wer die SparkassenCard nutzt, muss - wie zuvor bei der Geldkarte - ein Guthaben von höchstens 200 Euro auf die Karte laden und kann dann Beträge bis 20 Euro kontaktlos bezahlen. Nächstes Jahr entscheidet die Kreditwirtschaft über höhere Summen.

Ist die Technik sicher?
Nach Angaben der Sparkassen werden beim Bezahlvorgang nur zahlungsrelevante Daten wie Betrag und Kartennummer ausgetauscht: "Es werden keine Kundeninformationen, keine Namen, an den Handel weitergegeben", sagt Werner Netzel, Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen-und Giroverbands. Visa führt aus, Zahlungen seien "besonders sicher". Weil nur noch der Chip und nicht der Magnetstreifen zum Einsatz komme, gebe es keine Chance für Kriminelle, die durch manipulierte Automaten Kartendaten abschöpfen. Auch Mastercard will die Sorge vor ungewollten Abbuchungen nehmen: Die Karte funktioniere nur, wenn sie sich im Abstand von höchstens vier Zentimetern vom Terminal befinde.

Was passiert beim Vorhalten zweier Karten?
Wird mehr als eine Karte während des Bezahlvorganges an das Bezahlterminal gehalten, findet keine Abbuchung statt. Der Vorgang wird dann abgebrochen.

Wie kontrolliere ich meine Abbuchungen?
Auf der Karte mit Girogo werden die letzten 15 Bezahlvorgänge und die letzten drei Ladevorgänge gespeichert. Um sie auslesen zu können, brauchen die Kunden allerdings eine Applikation (App) für ihr Smartphone oder müssen einen Terminal im Handel aufsuchen. Bei Paypass und Paywave findet sich jede einzelne Buchung auf dem Kontoauszug.

Wo kann heute schon kontaktlos bezahlt werden?
Abgesehen von den Händlern, die Paypass akzeptieren, kann heute schon in den Stadien von Bayer Leverkusen und Mainz 05 kontaktlos bezahlt werden. Auch in vielen Universitäten und Kantinen gibt es bereits solche Bezahlkarten.

Wie könnte die Entwicklung weiter gehen?
Die NFC-Technik kann auch in Mobiltelefone integriert werden - so wie es heute bereits Google Wallet nutzt. Mit einer speziellen Software könnte das Smartphone dann nicht nur die Geldbörse des Kunden, sondern auch den Kassenterminal des Verkäufers ersetzen. Auf diese Weise könnte man etwa bei Taxifahrern oder Paketboten mobil bargeldlos bezahlen.

NFC-Bezahlterminal I
An solchen Bezahlterminals kann man kontaktlos mit einer NFC-Kreditkarte bezahlen, hier allerdings nur mit der Mastercard.
NFC-Bezahlterminal II
Karte auf das Terminal halten, kurz warten, schon hat man in Sekundenschnelle bezahlt - zumindest in der Theorie.
In der Theorie ganz einfach
Wenn es immer so einfach wäre wie in der Werbung oder den Kundenbroschüren: In der Praxis ist das kontaktlose Bezahlen mit einer Visa-Kreditkarte derzeit kaum möglich.
Auf dieses Zeichen kommt es an
Dieses Symbol signalisiert die Bezahlmöglichkeit per Near Field Communication (NFC). Ob der Händler allerdings Visa, Mastercard oder beides unterstützt, bleibt dabei häufig offen.
Seit März 2013 verfügbar
Diese Taschen gab es im März 2013 bei der Parfümerie Douglas - dann soll man dort auch mit der Visa-Karte per NFC bezahlen können.
Visa-Kreditkarte mit Paywave-Logo
"Paywave" muss nicht auf der Kreditkarte draufstehen, das Symbol links oben genügt fürs kontaktlose Bezahlen - zumindest theoretisch.
NFC-Bezahlen fehlgeschlagen
Das Ergebnis zahlreicher fehlgeschlagener Versuche, kontaktlos mit einer Visa-NFC-Kreditkarte zu bezahlen.
Mastercard Paypass
Paypass heißt das NFC-Bezahlsystem bei Mastercard, die Konkurrenz von Visa nennt es Paywave
Shop-Finder im Internet
Bei Mastercard zeigt der Shop-Locator im Internet straßengenau die Geschäfte an, die eine Zahlung per NFC-Karte ermöglichen. Visa lässt ein solches praktisches Tool vermissen.
Müller mit NFC-Terminal
Die Drogeriekette Müller besitzt zwar Kartenterminals zum kontaktlosen Bezahlen, in unserem Praxistest hat es mit einer Visa-Kreditkarte aber nicht geklappt.
Ein Schritt voraus: T-Mobile Polen
Mobilfunkkunden der polnischen Tochter der Deutschen Telekom können im Nachbarland sogar schon mit einem NFC-fähigen Smartphone zahlen. Das ist in Deutschland bisher nicht möglich.

Neue Mobile-Trends

Kommunikation unter Geräten: Die Idee ist nicht neu, doch erst mit der Verbreitung schneller Mobilfunk-Leitungen und von Sensoren in Alltagstechnik kommt die sogenannte Machine-to-Machine-Communication (M2M) richtig in Schwung. Als Paradebeispiel gelten Verbindungen zwischen vernetzten Autos, die sich automatisch zum Beispiel über Glatteis, Unfälle oder Staus austauschen sollen.

LTE: Der superschnelle neue Datenfunk mit - zumindest theoretischen Geschwindigkeiten von bis zu 100 MBit pro Sekunde hat inzwischen den Alltag erreicht. Immer mehr Hersteller haben LTE-taugliche Smartphones und Tablets im Angebot, die Mobilfunk-Anbieter bauen die Netze auch in Deutschland zügig aus. Ein Schlagwort zur Messe in Barcelona ist die Weiterentwicklung LTE-A, die noch mehr Tempo erlauben soll. Und der Halbleiter-Spezialist Qualcomm präsentiert einen neuen Chip, der 40 LTE-Bänder unterstützt. Damit werden endlich Geräte möglich, die in nahezu allen Netzen in verschiedenen Ländern laufen können.

Mobiles Bezahlen: Einer nach dem anderen gehen Anbieter auf den Markt, die mit Einsteck-Modulen Smartphones und Tablets zu Kassengeräten machen. Sie wollen damit Kartenzahlungen auch in kleineren Unternehmen etablieren, wo man heute noch meist mit Bargeld zahlen muss. Zugleich kristallisieren sich hinter den Kulissen ganz neue Modelle heraus, bei denen man zum Beispiel dank GPS-Daten Geldbörse oder Smartphone gar nicht erst aus der Tasche holen muss. Eine spannende Frage ist, ob sich solche Ideen gegen die NFC-Funktechnik durchsetzen können, die lange als Zukunftsweg für mobiles Bezahlen galt.

Neue Betriebssysteme und Anbieter: Während seit Jahren aktuelle Spitzenreiter wie das Google-Betriebssystem Android und Samsung als größter Smartphone- und Handy-Hersteller im Mittelpunkt stehen, macht sich hinter den Kulissen neue Konkurrenz bereit. Der Boom in Asien hat den chinesischen Anbieter Huawei auf den dritten platz im Smartphone-Markt gebracht. Die Macher des Internet-Browsers Firefox wollen mit einem gleichnamigen Betriebssystem in den Markt, das aus dem Netz heraus läuft. Und ein Exot ist das russische YotaPhone, das auf der Rückseite ein zusätzliches E-Paper-Display hat.

(Quelle: Handelsblatt)