Deutsche Chefs stärker gefährdet

Management-Jobs als Schleudersitz

16.06.2008 von Karsten Langer
Top-Manager in Deutschland haben es nicht leicht: Knapp 20 Prozent aller hiesigen CEOs mussten 2007 ihr Amt abgeben, das sind wesentlich mehr als im Rest der Welt und fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Besonders hoch ist die Fluktuation in den Branchen Telekommunikation, Industriegüter und IT.

CEOs in Europa und im deutschsprachigen Raum müssen international am härtesten kämpfen, um ihre Position zu verteidigen. So räumten im vergangenen Jahr 17,6 Prozent aller europäischen CEOs ihren Posten – weit mehr als im weltweiten Schnitt mit 13,8 Prozent. Einem noch größeren Druck jedoch sind CEOs aus dem deutschsprachigen Raum ausgesetzt: 19,7 Prozent mussten hier ihr Amt abgeben, fast doppelt so viele wie im Vorjahr und zugleich ein neuer Rekordwert.

Die Mehrzahl der Chefwechsel (10,4 Prozent) erfolgte immer noch geplant, drei Prozent der Wechsel erfolgen auf Grund von Fusionen. Die Anzahl erzwungener Abgänge stieg allerdings allein innerhalb des vergangenen Jahres sprunghaft von 3,7 Prozent auf 6,3 Prozent an. Sie machen damit rund ein Drittel aller Wechsel aus.

Das sind einige Ergebnis der globalen Studie "CEO-Succession" der internationalen Strategieberatung Booz Allen Hamilton. Für die Studie wurden die Daten von den 2.500 größten Unternehmen weltweit ausgewertet, allein für Deutschland, die Schweiz und Österreich waren das Daten der 300 größten Unternehmen.

Deutschland und Europa haben sich vom weltweiten Trend abgekoppelt. Sowohl global als auch in den großen Wirtschaftregionen wie USA oder Japan nimmt die Zahl der CEOs, die ihr Unternehmen verlassen, seit 2005 leicht ab. "Das ist die niedrigste Rate seit 2003 und zeigt, dass das Vorurteil, Firmen würden nur noch nach dem Shareholder-Value-Prinzip geführt, nicht stimmt", sagt Stefan Eikelmann, Sprecher der deutschen Geschäftsführung von Booz & Company. Gerade im Verlauf der vergangenen zehn Jahre könne man sehen, dass CEOs nicht sofort gefeuert würden, wenn die kurzfristigen Ergebnisse nicht stimmten.

Die Gründe für den starken Anstieg der Demissionen im deutschsprachigen Raum sind zahlreich. "Das liegt zum einen an den Fortschritten der Corporate Governance. Aufsichtsräte nehmen ihr Mandat unterdessen sehr gewissenhaft wahr. Zum anderen liegt es an der strikten Trennung von Aufsichtsratsmandat und Managementmandat. In Amerika etwa sind noch immer um die 75 Prozent aller Topmanager CEO und Chairman in Personalunion. Dass der CEO dann nicht vom Verwaltungsratschef entlassen wird, liegt auf der Hand", sagt Eikelmann.

Deutsche Chefs sind stärker gefährdet

Deutsche Vorstandschefs bleiben der Studie zufolge deutlich kürzer im Amt als ihre europäischen Kollegen: Während die CEOs aus dem deutschsprachigen Raum im Schnitt 6,4 Jahre die Geschäfte führen, bleiben die europäischen Konzernlenker im Schnitt 8,2 Jahre im Amt. Weniger Unterschiede gab es dagegen beim durchschnittlichen Ein- und Austrittsalter: Während die deutschen Vorstandschefs im Schnitt mit 51,5 Jahren ihren Job antreten, sind die europäischen Kollegen mit 50,1 Jahren ein bisschen jünger. Am Ende ihrer Amtszeit waren die Deutschen 57,1 Jahre, die übrigen Europäer 56,5 Jahre alt.

Auf den ersten Blick scheint die Kontrolle in Europa gut zu funktionieren. Die vertiefende Analyse aber zeigt: Der Druck auf deutsche und europäische CEOs könnte weiter zunehmen. Denn schlechte Performance, so die Studie, führt seltener als bisher angenommen zu einem unfreiwilligen Jobverlust; die Wahrscheinlichkeit, als CEO aus dem Amt gedrängt zu werden, beträgt weltweit jährlich im Schnitt 2,1 Prozent. Das Risiko sehr schlecht performender CEOs liegt bei 5,7 Prozent.

Und das trotz extremer Kriterien: Die betreffenden CEOs haben in zwei Jahren mindestens ein Viertel des Aktienwertes ihres Unternehmens vernichtet und underperformen im Vergleich zum Rest der Manager-Kaste um mindestens 45 Prozent. "Zwar haben Aufsichtsräte begonnen, eine aktivere Rolle zu spielen. Die starke Zunahme unfreiwilliger Wechsel im deutschsprachigen Raum zeigt aber auch, dass bei schlechter Perfomance weiter Handlungsbedarf besteht. Die Korrelation von Aktienperformance und Verweildauer des CEOs wurde in der Studie nicht so nachgewiesen, wie man das gängigerweise vermutet hätte", betont Eikelmann.

Einige Branchen sind besonders heikel für die Top-Manager. Auffallend häufig wechseln CEOs ihren Posten in den Branchen Telekommunikation (40 Prozent), Industriegüter (32 Prozent) und IT (28 Prozent). Dahinter folgen die Energiebranche mit 21 Prozent, Konsumgüter mit 17 Prozent und die Finanzbranche mit 14 Prozent. Gerade in diesen Branchen habe es viele regulatorische Umwälzungen gegeben, die den häufigen Wechsel erklären, sagt Eikelmann. "Klar ist aber auch: Die Finanzbranche wird auch die aktuelle Krise zu spüren bekommen, hier wird die Wechselhäufigkeit ansteigen."

Risikobranchen und CEO-Paradise

Ein weiteres Ergebnis der Studie: CEOs, die ihre Karriere innerhalb ihres Unternehmens absolviert haben ("Insider") outperformen so genannte "Outsider", die von außen in den Vorstand berufen wurden. 2007 liegt die Performance der Insider in Europa um 1,2 Prozentpunkte höher. Über einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet schneiden sie sowohl europaweit als auch im deutschsprachigen Raum immerhin noch um 0,2 Prozentpunkte besser ab als ihre extern berufenen Kollegen.

Entsprechend überrascht es nicht, dass Outsider über die letzten fünf Jahre betrachtet, sowohl in Europa als auch im deutschsprachigen Raum ein zehn Prozent höheres Risiko haben, unfreiwillig auszuscheiden als Insider. "Interne CEOs sind erfolgreicher, weil Sie das Unternehmen kennen, schnell die Schwachstellen aufdecken und entsprechende Maßnahmen ergreifen können. Da entsteht kein Leerlauf. Außerdem können sich diese intern exzellent verdrahteten Player schnell eine effiziente Führungsmannschaft zusammenstellen. Häufig werden Externe nur aus dem Grunde gesucht, weil man es versäumt hat, einen internen Kandidaten aufzubauen", kommentiert Booz-Manager Eikelmann die bessere Leistung interner CEOs.

Die besseren Ergebnisse von Insidern könnten auch erklären, weshalb schlechte Performance bisher nicht zwingend dazu führt, dass Aufsichtsräte den CEO abberufen: Denn die Zahl geeigneter Kandidaten für den obersten Posten im Unternehmen ist naturgemäß begrenzt. "Die Bedeutung einer langfristigen Planung in der personellen Besetzung der Führung aus dem eigenen Reihen steigt" unterstreicht Eikelmann. "Hier sind Unternehmen mehr denn je gefordert, geeignete Prozesse umzusetzen, um ihre Top-Talente zu halten. Führungsverantwortung braucht Erfahrung, in die man hineinwächst."

Damit einher geht ein verändertes Personal-Management bei Konzernen. Der Dienstleistungs - und Verwaltungsgedanke müsse einer strategischen Entwicklungsposition von potenziellen Führungskräften weichen, fordert Eikelmann. Mögliche Fördermaßnahmen für potenzielle CEOs seien etwa internationale Rotation, Weiterbildung und Entwicklungsprogramme.

"Aufsichtsrat und Management sollten stets dafür sorgen, dass eine gut gefüllte Ersatzbank vorhanden ist. Das heißt tatsächlich, dass bewusst potenzielle künftige CEO-Kandidaten herangezogen und entsprechende Nachfolger aufgebaut werden", so Eikelmann weiter. Natürlich existierten durchaus auch Widerstände in den eigenen Reihen. Noch immer gäbe es CEOs, die potenzielle Nachfolger als Bedrohung für die eigene Position wahrnehmen.

Tatsächlich, resümiert Eikelmann, sei es nicht das Produkt oder die Fabrik oder das bessere Design, das den Erfolg eines Unternehmens ausmacht. "Das Unternehmen, das es langfristig schafft, sich die besten Talente zu sichern, wird erfolgreich sein", so der Top-Manager. Das könne man etwa bei Google sehen.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.