Boreout statt Burnout

Manager fühlen sich unterfordert

07.07.2009 von Thomas Pelkmann
Langeweile macht Stress. Boreout ist zwar das genaue Gegenteil von Burnout, kann aber ähnlich fatale Folgen haben. Die dauerhafte Unterlastung führt zu Verlust der Identität mit dem Beruf und Resignation. Allerdings bedeutet Boreout nicht Faulheit.
Langeweile am Arbeitsplatz ist für viele Fach- und Führungskräfte ein größerer Stressfaktor als andauernde Überforderung.
Foto: MEV Verlag

Das Phänomen geistert seit rund zwei Jahren durch die Medien: Langeweile im Job sei für viele Beschäftigte ein ernst zu nehmendes Phänomen, sorge für Stress und verleide die Lust am Arbeiten. Das jedenfalls behaupten die Schweizer Autoren Philippe Rothlin und Peter R. Werder in ihrem Buch und Internetportal Diagnose Burnout.

Eine Umfrage des Jobportals Stepstone, an der sich in Deutschland rund 5.500 Fach- und Führungskräfte beteiligt haben, bestätigt diese These: Mit 39 Prozent fühlen sich vier von zehn Managern bei der Arbeit unterfordert. Das ist in Europa ein absoluter Spitzenwert. Zum Vergleich: In Dänemark und den Niederlanden gibt nur jeder fünfte an, sich im Job zu langweilen, in Schweden, Belgien und Norwegen liegen diese Quoten bei rund 30 Prozent.

Knapp die Hälfte glauben, dass die Anforderungen "gerade richtig" sind, nur 14 Prozent der deutschen Spitzenkräfte fühlen sich subjektiv überfordert.

"Boreout ist das genaue Gegenteil von Burnout, kann aber ähnlich fatale Folgen haben. Die dauerhafte Fehlbelastung führt zu Langeweile, Verlust der Identität mit dem Beruf und Resignation. Folge: Arbeitnehmer in wichtigen Funktionen leisten nur einen Bruchteil dessen, was sie könnten. Das ist fatal für das Selbstwertgefühl des Betroffenen und natürlich für die Verwirklichung von Unternehmenszielen", so Wolfgang Bruhn, Vorstand der StepStone Deutschland AG.

Boreout ist nicht dasselbe wie Faulheit

Die Schweizer Autoren Rothlin und Werder legen Wert auf die Feststellung, dass Boreout und Faulheit nicht dasselbe seien: Wer einen Boreout habe, der wolle arbeiten und suche Herausforderung und Anerkennung.

Ein guter Teil des Arbeitstages eines vom Boreout befallenen Mitarbeiters aber gehe paradoxerweise dafür drauf, den Zustand der Unterbeschäftigung zu kaschieren, anstatt ihn zu ändern: "Wer einen Boreout hat, ist unzufrieden, aber so in der Situation festgefahren, dass er keine Lust hat, den Zustand zu ändern", so Philippe Rothlin in einem Interview (PDF-Dokument). "Also schützt er sich mit Scheinarbeit gar vor ‚noch mehr’ Arbeit".

Alles Quatsch, meint dagegen Beda Stadler, Immunologie-Professor an der Universtität Bern: "Bis jetzt hat niemand bemerkt, dass es sich bei dieser neuen Krankheit um einen Hoax handelt", so Stadler in einer NZZ-Kolumne, vergisst aber vor lauter Freude über die Entdeckung völlig zu argumentieren, warum das so ist.

Jochen Mai, Autor der Karrierebibel, wird deutlicher: "Boreout ist der Entschuldigungsversuch von Faulenzern und Jammerlappen. Sie empfinden sich als überqualifiziert und unterschätzt, bedauern die verschwendete Zeit im falschen Job und konservieren eine vor Selbstmitleid triefende Alles-Scheiße-außer-ich-Perspektive." Und natürlich fragten sich die Gelangweilten in Internetforen längst, ob die Folgen von Boreout nicht vielleicht schon von der Krankenkasse anerkannt werden.

Werden sie eher nicht, wie eine Broschüre der Techniker Krankenkasse (TK) zum Thema Stress erfolgreich managen (PDF) belegt. Hier kommt das Phänomen Unterforderung im Job allenfalls als Randnotiz vor. Eine eigene Symptomatik und ebensolche Therapieformen möchte man diesem Leiden aber nicht zubilligen.