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Managerinnen für IT-Unternehmen gesucht

07.10.2013
Während im HR-Bereich mehr als genug Kandidatinnen vorhanden sind, werden weibliche Führungskräfte für technische Ressorts verzweifelt gesucht.
Weibliche Führungskräfte für IT-Positionen werden händeringend gesucht.
Foto: Regus

Chefs sind Weltmeister im Delegieren und setzen ihren Willen durch, Managerinnen dagegen zeichnen sich durch Fleiß aus und sind kommunikationsstark, so die Ansicht der Deutschen. Auch kooperatives, partnerschaftliches Verhalten sehen Männer und Frauen als eine typisch weibliche Führungseigenschaft an. Männer halten weibliche Führungskräfte außerdem für sehr sensibel. Dies sind Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung zum Thema Manager-Qualitäten, die die Personalberatung InterSearch Executive Consultants im Frühjahr 2013 durchgeführt hat.

„Auch wenn man sich hüten sollte, Klischees unreflektiert zu übernehmen, zeigen sich in der Praxis kleine aber feine Unterschiede in den Führungsstilen von Männern und Frauen“, stellt Julia Böge, Partnerin der Personalberatung InterSearch Executive Consultants, fest. Doch welchen Einfluss hat weibliche Führung auf den Unternehmenserfolg? Einen positiven, wie das Familienministerium bereits 2011 nachgewiesen hat: Von einem „robusten positiv signifikanten Performance-Effekt von Frauen in Aufsichtsräten bei Unternehmen mit bestimmter Unternehmenscharakteristik“ ist in der Studie mit dem Titel „Frauen in Führungspositionen“ die Rede.

Diversity als Schlüssel zum Erfolg

Ob Frauen wirklich etwas besser machen als Männer – und wenn ja, was – ist nicht entscheidend. Es geht um den positiven Einfluss der im amerikanischen Raum schon lange gelebten „Diversity“. In einem Satz: „Die Mischung macht’s.“ Das hat inzwischen auch die deutsche Wirtschaft erkannt. Eine Erkenntnis, die sicher auch vom demografischen Wandel beschleunigt wurde.

Frauen in der IT
Frauen in der IT sind selten und um so mehr gefragt. Die Mischung bringt den Erfolg. Wir haben sieben Managerinnen bei Avanade zu ihren Erfahrungen befragt.
Petra Kaltenbach-Martin
"Während meines Studiums zum Diplom Wirtschafts-Ingenieur war ich die einzige Frau, später beim Master of Science in Manufacturing Management waren wir zwei Frauen. Ich war meine Berufslaufzeit lang immer in der absoluten Minderheit. Dies ist für mich der 'Normalzustand'. Ich habe mein Dasein als Frau in der Männerwelt allerdings nie als etwas Besonderes gesehen. Jede Person ist ein Individuum und so begegne ich jeder Person auch individuell. Ich glaube, Frauen sind meist kommunikativer, wollen sich mehr austauschen, suchen eher Kompromisse, ziehen mehr Leute in die Entscheidung mit ein und ja, sie reden manchmal eher 'zwischen den Zeilen'. Letztendlich ist jede Person am erfolgreichsten und authentischsten, wenn sie einfach nur sie selbst ist."
Annette Rust
"In einer gelebten Unternehmenskultur wie der bei Avanade kann man problemlos seine Frau stehen. Hier zählt nicht nur 'get the best people for the job' – wir wissen, dass gemischte Teams erfolgreicher und innovativer sind und es wirtschaftlich dringend erforderlich ist, das Potenzial von Frauen für diese Branche zu erschließen. Wenn man dann noch mit Passion dabei ist, sich auf Inhalte konzentriert und gemeinsame Ziele hat, stehen einem alle Gestaltungs(frei)räume offen - die Philosophie der Diversity eines offenen und global agierenden Unternehmens ist dabei sehr hilfreich und sicherlich entscheidend."
Patricia Dold
"Es ist schön, nach über 20 Jahren in der IT-Branche an dem Punkt zu sein, dass die weiblichen Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation, Integration, Kooperation nun im Zeitalter der Collaboration zu wichtigen Erfolgskriterien für die Unternehmen geworden sind."
Yasmine Limberger
"Frauen unterschätzen oft ihre eigentlichen Talente und treten manchmal zu bescheiden auf. Das gilt auch in der IT-Branche. Dennoch habe ich hier die Erfahrung gemacht, dass die männlichen IT-Experten die Leistung und Expertise von Frauen als gleichberechtigt anerkennen und Machtkämpfe nur selten auftreten. Frauen sollten selbstbewusst auftreten und ihre 'typisch weiblichen Talente' richtig einsetzen, dann haben sie gerade in der IT gute Chancen, sich in Teams erfolgreich zu platzieren."
Prachi Kumar
"Vielfalt ist enorm wichtig, um Geschäftserfolge zu erzielen. Als Frau im Avanade Management-Team sehe ich, dass dies fester Bestandteil der DNA unseres Unternehmens ist – und dies bestätigt meine Überzeugung, dass wir auf dem richtigen Weg zum Erfolg sind."
Rabea Reitmeier
"Avanade ist in einer Branche tätig, in der viele Aufgaben eher technischer Natur sind und die traditionell männerdominiert ist. Auf den ersten Blick schreckt dies vielleicht erst einmal eine Reihe von Frauen ab. Auf den zweiten Blick benötigt man auch bei IT-Projekten Skills wie Organisationstalent, Kommunikationsstärke und Change Management-Verständnis – alles weibliche Stärken. Bei Avanade zählt auf jeden Fall das persönliche Engagement, daher können Männer wie Frauen hier gleichermaßen Karriere machen."
Kerstin Leibling
"Ich habe bislang nur positive Erfahrungen gemacht: Männer finden es häufig sehr positiv, wenn es eine Frau im Team gibt. Ich selbst bin bislang immer sehr fair behandelt worden und die Erwartungen waren die gleichen wie bei meinen männlichen Team-Kollegen. Ich bin der Meinung, dass frau ihr Glück selbst in der Hand hat und sich nicht selbst im Wege stehen sollte – die Männer tun dies bestimmt nicht."

„IT-Unternehmen sind traditionell Vorreiter in Sachen Diversity: Unterschiedliche Kulturen, verschiedene Geschlechter, Menschen mit Handicaps – sie alle werden hier vor allem nach ihrem Können bewertet“, sagt Böge, die sich auf Kundenunternehmen aus dem IT-Bereich spezialisiert hat. Um also in einem IT-Unternehmen erfolgreich zu sein, zählen Know-how und Kreativität weit mehr als oberflächliche Kriterien wie ein Universitätsabschluss mit Bestnote. Das hängt vor allem damit zusammen, dass es in Technologieunternehmen um ein ständiges Neuerfinden geht und somit althergebrachtes Wissen allein nicht der Schlüssel sein kann. Stattdessen geht es um das Teilen unterschiedlicher Erfahrungen sowie das Sammeln von Ideen – und das wird dadurch bereichert, dass die Mitarbeiter verschiedene Hintergründe haben.

Julia Böge, InterSearch: "IT-Unternehmen sind traditionell Vorreiter in Sachen Diversity."
Foto: InterSearch Executive Consultants

Auch in Deutschland haben IT-Firmen erkannt, dass sie mehr Frauen in ihren Führungspositionen brauchen. So rief der Bitkom-Verband 2011 die Initiative „Frauen in die IT“ ins Leben. Die angeschlossenen Unternehmen unterliegen seitdem einem freiwilligen Kodex zur Frauenförderung. Als Ziel hat der Verband die Marke 15 Prozent für das Jahr 2020 ausgerufen. Doch konnte der Anteil der Frauen in Führungspositionen innerhalb der Branche bisher noch nicht gesteigert werden – im Gegenteil, er ist sogar gesunken: von sechs Prozent 2011 auf aktuell vier Prozent. Der Grund: Das Programm hat in erster Linie dazu geführt, dass Unternehmen wie Microsoft, Hewlett-Packard und SAP bei der Rekrutierung von Frauen noch stärker miteinander konkurrieren. Und nicht nur sie: Immer mehr traditionelle Unternehmen gründen digitale Abteilungen und wünschen sich auch hier vorzeigbare Frauenquoten.

Managerinnen für technische Ressorts Mangelware

Personalberater wie InterSearch Executive Consultants, die viele Kunden aus der IT-Branche haben, erhalten immer häufiger die Vorgabe, auch qualifizierte Frauen für Führungspositionen vorzuschlagen. Laut einer Untersuchung des Bundesverbands der Unternehmensberater (BDU) unter 530 Mitgliedern registrieren 60 Prozent der Personalberater noch immer eine zunehmende Nachfrage in der TIMES-Branche (Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia, Entertainment und Sicherheitsdienste). Doch die professionellen Vermittler können den Bedarf nur teilweise decken. Am besten gelingt das im Human-Resources-Bereich: Hier liegt der Anteil der bei TIMES-Unternehmen vorgestellten weiblichen HR-Führungskräfte bei fast 54 Prozent im Vergleich zu 34 Prozent über alle Branchen hinweg.

„Im HR-Bereich herrscht zurzeit ein Überangebot. Das liegt daran, dass es viele geeignete Personalmanagerinnen auf dem Arbeitsmarkt gibt und für diese Position nicht zwangsläufig technisches Know-how notwendig ist“, erklärt Rekrutierungsexpertin Böge. „Sicherlich spielen hier auch die Vorurteile der Männer eine Rolle, Frauen seien besonders sensibel und deshalb für den Personalbereich gut geeignet.“ Jedoch würden über hohe Manager-Posten nach wie vor meist Männer entscheiden, fügt sie hinzu.

Wesentlich komplizierter ist die Situation bei Management-Posten in technischen Verantwortungsbereichen: Unternehmen fordern auch hier, dass wenigstens eine Kandidatin auf der Shortlist steht – doch dem steht die Wirklichkeit entgegen: „Zwar hat sich der Anteil von Frauen in Informatik-Studiengängen 2012 deutlich erhöht und beträgt derzeit 22,5 Prozent. Doch benötigen diese Frauen nach ihrem Studienabschluss je nach Management-Ebene noch fünf bis zehn Jahre Berufserfahrung, um reif für die entsprechenden Führungspositionen zu sein“, sagt Böge. So wird es noch eine Weile dauern, bis die IT-Unternehmen in Deutschland ihren Frauenanteil in Top-Management-Positionen nennenswert steigern können.

Hoher Frauenanteil nicht um jeden Preis

Den IT-Unternehmen rät Böge daher, angesichts dieser schlechten Aussichten nicht „blind“ Manager-Posten an Frauen zu vergeben, nur um die Ziele zu erfüllen und keiner öffentlichen Kritik ausgesetzt zu sein. Dass das nicht zum Erfolg führt, hat die Telekom, die als erstes DAX-Unternehmen eine Frauenquote eingeführt hatte, Ende 2010 mit der Abberufung der ersten „Quotenfrau“ nach nicht einmal sechs Monaten Amtszeit gezeigt.

Für Technologie-Unternehmen, die ihren Frauenanteil erfolgreich und nachhaltig erhöhen wollen, hat InterSearch-Partnerin Böge folgende Tipps, um die wenigen geeigneten Kandidatinnen am Markt von sich zu überzeugen:

Dass dies die wichtigsten Kriterien sind, bestätigt auch eine Studie des BDU zum Thema „Karriere von Frauen in Fach- und Führungskräfte-Positionen“. Sollten einem Unternehmen zu wenige Kandidatinnen für eine Manager-Position zur Verfügung stehen, kann es professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Personalberatungen, die sich den Kandidatinnen über Direktansprache und mit ausgeprägtem Branchen-Know-how nähern, gelingt es auch, Frauen für eine Stelle zu gewinnen, für die diese umziehen müssen.

Dies erfordert Personalexpertin Böge zufolge größtes Fingerspitzengefühl, weil Frauen, die in der Mitte ihres Lebens stehen und Familie haben, einen Umzug meist scheuen würden. „Verzichten die Unternehmen auf eine bundesweite oder gar internationale Direktsuche, werden sie ihr Ziel einer höheren Frauenquote schnell aufgeben müssen“, ist Böge sich sicher.