VMworld Europe

Mehr virtuelle als physische Maschinen installiert

21.10.2010 von Hartmut Wiehr
Statt Windows und Linux kontrollieren künftig Hypervisoren die Hardware. Dieses Szenario zeichnete VMware auf seiner Hausmesse in Kopenhagen.
Auf der VMworld Europe in Kopenhagen zeigte VMware seinen Willen, weiterhin bei Virtualisierung die Nummer eins zu bleiben. (Foto: VMware)

Mit über 6.000 Teilnehmern ist die diesjährige VMworld Europe in Kopenhagen, die vom 11. bis 14. Oktober 2010 stattfand, gegenüber dem Vorjahr um mehr als 20 Prozent gewachsen. Nimmt man noch die 14.000 Kunden und Partner hinzu, die Ende August auf der VMworld USA in San Francisco waren, ist der Stolz der Veranstalter nachvollziehbar: Das Eco System rund um die Virtualisierung des Marktführers wächst und wächst, trotz der insgesamt stärker werdenden Konkurrenz von Citrix (Xen Server) und Microsoft (Hyper V), die mit ihren alternativen Angeboten und kostengünstigen Lizenzen Virtualisierungsanwender zu sich herüberziehen.

Der IDC-Analyst Thomas Meyer zeigte sich beeindruckt und attestierte VMware einen "deutlichen technologischen Vorsprung vor den Konkurrenten". In der Tat konnte VMware zwar in Kopenhagen nur mit wenigen Neuerungen auftrumpfen, da die meisten Ankündigungen schon vor sechs Wochen in San Francisco erfolgt waren, es kam dem Veranstalter aber vor allem darauf an, die Beziehungen zu den bestehenden Kunden zu intensivieren.

Im Unterschied zu anderen Europa-Veranstaltungen zum Beispiel von EMC, HP oder IBM war es denn auch der obersten Chefriege von VMware nicht zu schade, den Weg über den Atlantik auf sich zu nehmen und direkt vor Ort zu sein.

Paul Maritz, CEO von VMware und früherer Manager von Microsoft, der gerne Anekdoten aus seiner Vergangenheit mit Bill Gates und Steve Ballmer in seine Vorträge einbaut, zitierte in seiner Keynote eine Statistik von IDC, aus der hervorgeht, dass 2009 zum ersten Mal die neu installierten virtuellen Maschinen die Anzahl der neuen physikalischen Gastsysteme überflügelten. Für Maritz zeigt sich darin nichts weniger als eine Zeitenwende in der Welt der IT und der Rechenzentren: Die physikalische Infrastruktur verliert immer mehr an Bedeutung, während die darüber liegenden Schichten von Virtualisierung, Applikationen und Cloud-Abrechnungsmodellen nunmehr den Ton angeben.

Maritz verschmähte es auch nicht, erneut darauf zu verweisen, dass die klassischen Betriebssysteme wie Windows oder Linux nicht länger die Hardware kontrollierten - diese Aufgabe gehe mit steigender Tendenz auf die Hypervisoren und virtuellen Maschinen über. Die neuen Virtualisierungslayer seien die Infrastruktur von heute. Und in diesem Umfeld ergeben sich laut Maritz zugleich zahlreiche Möglichkeiten für Innovationen rund um Virtualisierung.

VMware baut Security- und Management-Fähigkeiten aus

VMware selbst hat sein Portfolio an zusätzlichen Software-Schichten dieses Jahr weiter ausgebaut, zum Beispiel mit Modulen für Security oder Management. Aber auch für innovative Partner bleibt genug Platz zur Entfaltung ihrer Möglichkeiten. Ein besonderes Interesse von VMware galt schon wie in San Francisco den Kooperationen mit Service-Partnern und Telco-Gesellschaften. Diese verfügen laut Jürgen Kühlewein, Director SMB EMEA bei VMware, über die notwendigen Brücken zu den Anwendern, um neue Formen von Outsourcing- oder Cloud-Modellen aufzubauen, die die bestehende Infrastruktur ergänzen oder ersetzen könnten.

Neben Colt sind dies zum Beispiel die IT-Service-Töchter von Orange oder Siemens. So will sich Siemens IT Solutions and Services besonders mit einem neuen Management-Programm für Desktop-Virtualisierung engagieren.

Alle Service-Anbieter sind generell daran interessiert, ihre bisherigen Geschäftsmodelle auf der Basis von Virtualisierungs- und Cloud-Technologien zu erweitern. Und fast alle Virtualisierungsanbieter und die Hersteller der Infrastrukturkomponenten für granulare Cloud-Systeme buhlen um die Gunst der Service-Anbieter, von denen sie sich eine Marktöffnung erhoffen. Denn noch verhalten sich viele Anwender zurückhaltend, was den Umstieg auf Virtualisierungs- oder Cloud-Umgebungen angeht. VMware hat ein eigenes Service Provider Program (VSPP) entwickelt, um die Dienstleister bei ihren Cloud-Angeboten zu unterstützen.

Ein Grund für die Zurückhaltung sind die Befürchtungen bezüglich Compliance und Security, die Unternehmen daran hindern, einen größeren Anteil ihrer geschäftskritischen Applikationen außer Haus zu geben - in eine "Public Cloud" oder ein modernisiertes Outsourcing-Angebot auf der Basis von Virtualisierung. Der Gartner-Analyst Chris Wolf sezierte in einem Vortrag auf der VMworld in Kopenhagen ausführlich die bestehenden Sicherheitsrisiken, aber auch die inzwischen eingeführten Verbesserungen, die die drei größten Anbieter für Server-Virtualisierung VMware, Microsoft und Citrix eingeführt haben.

VMware selbst stellte in Kopenhagen eine Reihe neuer Produkte vor, zu denen der "vCloud Request Manager" für die Verwaltung und Kontrolle hybrider Clouds gehört. Dieses Tool ergänzt den vor kurzem vorgestellten vCloud Director, mit dem Private Clouds oder interne Rechenzentrumsarchitekturen in eine Public Cloud eines externen Dienstleisters integriert werden können. Ein typischer Anwendungsfall wäre, wenn ein Unternehmen vorübergehend eine Erweiterung der eigenen IT-Infrastruktur benötigt, um Spitzenbelastungen oder Testumgebungen auch dann bewältigen zu können, wenn das eigene Rechenzentrum keine Kapazitäten mehr dafür besitzt.

VMware baut technologischen Vorsprung aus

Mit "vFabric Industry Support" erhalten Unternehmen Unterstützung bei der Entwicklung eigener Cloud-Anwendungen, während "vCenter Capacity IQ 1.5" zusätzliche Möglichkeiten für die Analyse von Storage-Anforderungen in virtualisierten Umgebungen bietet.

Das viertägige Vortragsprogramm bot darüber hinaus viele Fortbildungsmöglichkeiten in Sachen Virtualisierung. VMware hat bemerkt, dass eine weitere Expansion auch davon abhängt, dass die Mitarbeiter der Kunden und der Partnerunternehmen ausreichend qualifiziert sind, um die Fülle der neuen Software-Module sinnvoll einzusetzen.

Der ursprüngliche Ansatz der Server-Konsolidierung ist längst einem umfassenden Programm zum Umbau der Rechenzentren gewichen. Und das kann nur funktionieren, wenn genügend Know-how vor Ort vorhanden ist. Nicht zuletzt die vielen tausend Partner von VMware müssen sich daran messen lassen.

VMware demonstrierte auf jeden Fall auf der VMworld Europe, dass man die technologische Führerschaft bei Virtualisierung weiter ausbaut. Microsoft und Citrix werden sich einiges einfallen lassen müssen, um damit Schritt halten zu können.