Konkurrenzkampf wird härter

Microsoft attackiert im ERP-Bereich

26.07.2007 von Andreas Schaffry
Im ERP-Markt für Kleinunternehmen wird es allmählich eng. Neben Sage, Lexware und SAP drängt nun auch Microsoft in dieses Segment vor. Das Unternehmen will eine schlanke ERP-Lösung auf den Markt bringen. Das Produkt basiert auf der Dynamics NAV-Plattform und soll für maximal fünf zeitgleiche Nutzer, so genannte Concurrent-User, ausgelegt sein. Anfang 2008 will Microsoft das neue ERP-Paket auf den Markt bringen. Damit ergänzen die Redmonder ihr Portfolio an Unternehmenslösungen, das bislang auf den Mittelstand sowie den gehobenen Mittelstand zugeschnitten war.
Dynamics AX bildet Geschäftsprozesse abteilungsübergreifend ab und integriert Kunden, Lieferanten sowie Geschäftspartner.
Foto: Microsoft

Für Mittelständler sowie den gehobenen Mittelstand bietet Microsoft seit längerem die ERP-Lösungen Microsoft Dynamics AX (vormals "Axapta") und Microsoft Dynamics NAV (vormals "Navision") an. Speziell im Kleinkunden-Segment will der Konzern ab 2008 mit der angekündigten Microsoft Dynamics Entrepreneur Solution angreifen.

Dynamics AX 4.0: An den Aufgaben der Anwender orientiert

Mit Dynamics AX adressiert der Konzern besonders Unternehmen des gehobenen Mittelstands. Die ERP-Software ist derzeit in der Version 4.0 auf dem Markt. Im Vergleich zur Vorgänger-Version wurde unter anderem die Benutzeroberfläche an "Microsoft Office 2003" angepasst. Als Server-Plattform ist Windows Server 2003 in der Standard- oder Enterprise-Version obligatorisch.

Änderungen gab es im Vergleich zur Vor-Version auch in der Systemarchitektur. Die Lösung unterstützt jetzt auch 3-Tier-Client-Server-Umgebungen. Die 3-Tier-Lösung enthält neben der Datenbank und der Geschäftslogik zusätzlich den Application Object Server (AOS).

Dabei läuft ein Teil der Anwendung auf dem Client und ein anderer Teil auf dem AOS. Alle Prozesse der Benutzeroberfläche laufen auf Thin-Client-Computern, die von den einzelnen Anwendern bedient werden. Die Geschäftslogik wird auf dem Server ausgeführt.

Dynamics AX enthält in der 3-Tier-Lösung neben der Datenbank und der Businesslogik zusätzlich den Application Object Server (AOS).

In der Version 4.0 ist die Anwenderoberfläche MS Office nachempfunden und orientiert sich an Rollen beziehungsweise Aufgaben von Mitarbeitern. Microsoft hat hierfür 50 Anwender-Rollen ("Personas") definiert. Favoriten-Menüs und Pfade sollen einen schnelleren Zugriff auf Funktionen erlauben.

Über die "Windows Share Point Portal Services" können Unternehmen zudem ihre eigenen Web-Portale aufbauen und so auf einer einheitlichen Benutzeroberfläche Informationen suchen, zusammenzuführen und organisieren.

Direkt auf CAD-Daten zugreifen

Zu den bisherigen Business-Intelligence-Werkzeugen gesellt sich eine programmübergreifende, konfigurierbare BI-Umgebung auf Basis der "SQL Server Reporting Services" hinzu. Diese ermöglicht es laut Microsoft, verteilte Unternehmensdaten zusammenzustellen und Schlüsse für die weitere Firmenplanung zu ziehen. Die Datenauswertung erfolgt direkt über den SQL Server.

Ferner lassen sich unterschiedliche Geschäftsanwendungen über Web-Services in Dynamics AX 4.0 integrieren. Hierzu zählen beispielsweise der Zugriff auf Preislisten oder die Integration von technischen Daten aus CAD-Systemen (Computer Added Design) in die ERP-Lösung.

Die Lösung stellt außerdem mit dem "Axapta Integration Framework" eine Integrationsplattform bereit mit der sich verschiedene Anwendungen unterschiedlicher Geschäftsbereiche oder Niederlassungen mit der Zentrale einbinden lassen. Eine Integration zum BizTalk Server von Microsoft soll den Austausch von Belegen zwischen zwei Anwendungen vereinfachen. Das ist etwa bei Aufträgen mit automatischer Rückmeldung der Fall, die von einem ERP-System in ein anderes überspielt werden.

In Dynamics NAV 5.0 verschmelzen ERP- und Office-Welt.

Die aktuelle Version von Dynamics AX unterstützt überdies RFID-basierte Abläufe (Radio Frequency Identification) über ein eigenes, fest integriertes Modul. Zu den weiteren Verbesserungen der ERP-Software zählen unter anderem Funktionen für die Anlagenwartung sowie ein neues Benachrichtigungsmodul, das automatisch Warnmeldungen ausgibt. Wann und in welchen Fällen gewarnt werden soll, definiert der Anwender.

Microsoft will Dynamics AX in der ersten Jahreshälfte 2008 in einer neuen Version auf den Markt bringen. Mit dem Release 5.0 sollen unter anderem innerhalb eines Unternehmens von zentraler Stelle aus Shared Services angeboten werden können, etwa für die Buchhaltung. Ferner wird es Funktionen für eine schlanke Fertigung (Lean Production) geben.

Dynamics NAV 5.0: Enge Verzahnung mit Office

Eine Stufe darunter positioniert sich Microsoft mit dem Produkt "Microsoft Dynamics NAV". Die aktuelle Version 5.0 wurde auf der Cebit 2007 dem Publikum vorgestellt und ist seit Ende März 2007 auf dem Markt. Eine der zentralen Neuerungen von Dynamics NAV 5.0 ist die konsequente Unterstützung des XML-Formats von Microsoft Office System 2007, was eine enge Verknüpfung mit den Office-Programmen schafft.

So lassen sich beispielsweise beliebige Formulare aus Microsoft Dynamics NAV in Microsoft Excel oder Word übernehmen. Ein Outlook-Add-In ermöglicht die Synchronisation von Terminen oder Aufgaben direkt aus Microsoft Dynamics NAV 5.0 heraus. Davon profitiert beispielsweise der Außendienst oder Service-Techniker, die Kunden sowie Partner vor Ort betreuen.

Die ERP-Software ist zudem mit Microsoft SQL Server 2005 verzahnt, was mithilfe von Business Analytics eine gezielte Auswertung der betriebswirtschaftlichen Informationen aus allen Geschäftslösungen der Microsoft Dynamics-Familie erlaubt. Damit sind Informationen über Außenstände, Mahnwesen, Deckungsbeiträge, über Kunden und Kundengruppen oder Kalkulationen aktuell verfügbar und eine regelmäßige Kostenkontrolle sichergestellt. Banken und Investoren erhalten verlässliche Bilanzen und GuV-Gegenüberstellungen. Das kann beispielsweise die Konditionen für eine Kreditvergabe im Rahmen von Basel II verbessern.

Mit der Dynamics Entrepreneur Solution dringt Microsoft in das Segment der Kleinfirmen vor.

Die Analyse-Funktionen unterstützen alle Microsoft SQL- oder Oracle-basierten Datenbanken und ODBC-fähigen Datenbank-Plattformen sowie den Export zu Microsoft Excel. Dynamics NAV 5.0 umfasst außerdem Funktionen für das Supply Chain Management und die Lagerverwaltung sowie das Finanzmanagement.

Künftig mit drei Schichten

Microsoft will Ende 2007 die Version 5.1 auf den Markt bringen. Diese soll - wie Dynamics AX - eine rollenbasierte Benutzeroberfläche haben, Funktionen für die Einbindung der Radio-Frequenz-Technologie sowie Web Services.

Eine weitere Neuerung ist die Dreischicht-Architektur, die das bisherige zweischichtige Konzept ablöst. Zwar wird auch weiterhin die native Datenbank C/Side unterstützt und auch der heutige Client angeboten. Wegen des Plattformwechsels auf das Dreischichten-Modell müssen NAV-Anwender, die auf Dynamics NAV 5.1 wechseln wollen, bestehende Lösungen mit Hilfe eines Werkzeugs konvertieren.

Dynamics Entrepreneur Solution: Software für die Kleinsten

Doch damit nicht genug. Zum Auftakt seiner weltweiten Partnerkonferenz in Denver kündigte Microsoft kürzlich den Einstieg in den Bereich betriebswirtschaftlicher Standard-Software für Klein- und Kleinstunternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern an. "Microsoft Dynamics Entrepreneur Solution", so wird das neue Produkt heißen, soll im ersten Halbjahr 2008 auf den Markt kommen und zum Preis von 795 Euro pro Lizenz angeboten werden. Die Markteinführung ist zunächst für Deutschland, die Niederlande, Spanien und Großbritannien geplant.

Das ERP-Produkt deckt zunächst grundlegende kaufmännische Funktionen ab, wie Finanzbuchhaltung, Auftragsbearbeitung und Fakturierung. Branchenspezifische Erweiterungen soll es aber erst in einem zweiten Schritt geben. Technologisch basiert die Lösung auf Microsoft Dynamics NAV. Wächst ein Unternehmen kann es auf Lösungen aus der NAV-Familie migrieren. Nach Angaben des Konzerns erlaubt das ERP-Päckchen das Arbeiten von fünf Anwendern als so genannte Concurrent User, die zeitgleich darauf zugreifen können.

Doch nicht nur die Software ist neu, auch das Vertriebsmodell. Die kleine ERP-Suite wird über so genannte Value Added Distributoren (VAD) vertrieben. Über diese spezialisierten Händler sollen Microsoft-Partner das neue Produkt künftig ausschließlich beziehen. Die Distributoren sollen die Partner überdies schulen sowie technischen Support liefern.

In fremden Revieren wildern

Mit der Entrepreneur Solution dringt Microsoft in ein Markt-Segment ein, das bisher einerseits Spezial-Anbieter wie Sage und - bei Kleinstunternehmen - Lexware abdeckten. Diese könnten den Markteintritt von Microsoft zu spüren bekommen. Doch auch SAP, das mit SAP Business One (SBO) ein Produkt speziell für den kleineren Mittelstand anbietet, dürfte davon betroffen sein. Zumal das Microsoft-Produkt deutlich günstiger angeboten wird. Eine User-Voll-Lizenz für SBO kostet derzeit 2.500 Euro. Ein weiterer Punkt. SAP entwickelt derzeit unter dem Code-Namen A1S ein weiteres Mittelstandsprodukt, das sich speziell an kleine und Kleinstfirmen richtet, die noch keine ERP-Lösung einsetzen. Im Unterschied zur angekündigten ERP-Paket von Microsoft soll "A1S“ im Hosting Verfahren (On-Demand-Lösung) angeboten werden. Die Markteinführung ist ebenfalls für 2008 geplant.

Im Bereich der Kleinfirmen wird es in jedem Fall spannend. Abzuwarten bleibt, inwiefern sich Microsoft und die anderen Anbieter ins Gehege kommen. In jedem Fall profitieren die potenziellen Kunden, denn sie haben künftig eine noch größere Auswahl an Software-Produkten.