BMG-Chef Masuch

Musikmarkt: Download schrumpft, Streaming boomt

22.06.2014
In seinem Büro steht ein Verstärker, daneben eine E-Gitarre Marke "Fender Stratocaster". Erst vor ein paar Jahren hat Hartwig Masuch angefangen, Gitarre zu spielen. Im Musikgeschäft ist er aber schon fast vier Jahrzehnte. Heute ist er Herr über 1,2 Millionen Songs bei BMG, Bertelsmanns Musikabteilung und mittlerweile die weltweite Nr. 4 auf dem Musikrechtemarkt. Ein Gespräch über den Musikmarkt von morgen.

Sie haben mal selbst Musik gemacht mit den "Ramblers". Warum hat es da mit der großen Karriere nicht geklappt?

Hartwig Masuch: Die Band hieß eigentlich "The Midnight Ramblers". Das war uns aber zu lang. Ich war der Sänger. Ich war viel zu träge, konsequent zu üben. Vor drei Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen. Das macht mir jetzt Riesenspaß.

Hat sich viel verändert im Musikgeschäft?

Hartwig Masuch: Das Kerngeschäftsmodell ist in Bewegung geraten. Vorher ist es 60 oder 70 Jahre komplett stabil gewesen. In den letzten sieben, acht Jahren ging es los, dass die digitalen Kräfte heftig am traditionellen Geschäftsmodell zerren.

Die Branche hat vor allem lange über das illegale Downloaden von Musik geklagt?

Hartwig Masuch: Das illegale Downloaden ist ein aussterbendes Geschäftsmodell. Viele jungen Leute laden heute gar nichts mehr herunter. Meine Kinder zum Beispiel streamen nur noch. Das ist völlig legal, weil Vodafone, die Telekom oder eben derjenige, der da Werbung schaltet, die dafür bezahlen. Die neuen großen Geschäftsmodelle leben also davon, dass jemand das bezahlt, der etwas ganz anderes verkaufen will - oder strategische Ziele verfolgt.

Das ist die Zukunft der Musik?

Hartwig Masuch: Der nächste wird Apple sein, der das Downloaden durch Streaming ersetzen will, aber nicht nur, weil die damit wahnsinnig viel Geld verdienen wollen, sondern weil sie damit vor allem die Relevanz ihrer Produkte weiter erhöhen wollen.

Was läuft da aktuell mit den Streaming-Diensten, wer drängt heute auf den Markt, wer demnächst?

Hartwig Masuch: Apple ist durch den Kauf von Beats groß im Kommen, aber Deezer und Spotify wachsen weiter rasant.

Seit Jahren verhandelt die Gema erfolglos mit YouTube über einen Lizenzvertrag. Die Google-Tochter will ja wohl im Herbst selbst einen Streaming-Dienst anbieten. Wer wird sich durchsetzen?

Hartwig Masuch: Sicherlich wird es einen vernünftigen Kompromiss geben, aber es ist wichtig, die Relevanz musikalischer Inhalte angemessen zu vergüten, für Interpreten und Autoren im gleichen Maße.

Werden Dienste von Apple, Amazon oder Spotify dabei YouTube verdrängen?

Hartwig Masuch: Nein. Youtube wird durch die Verbindung von Ton und Bild eher sogar an Relevanz zunehmen, da es natürlich auch die Rolle des Fernsehens für die Musikvermarktung zunehmend übernehmen wird.

BMG wagt jetzt den Schritt auf den chinesischen Markt. Wie sieht der aus und welche Rolle spielen Apps?

Hartwig Masuch: Apps sind ein zentrales Tool, Künstlern mehr Selbstständigkeit zu geben. Also eine dauerhafte Beziehung mit ihren Fans einzugehen. Es gibt im Musikgeschäft Märkte wie China, die eigentlich nur noch über Apps funktionieren. Was wir noch als neu empfinden, Spotify oder so, das interessiert den chinesischen Konsumenten gar nicht mehr.

Was interessiert ihn dann?

Hartwig Masuch: Der kauft eine App und will sich permanent in die Beziehung zum Künstler einklinken. Ein ganz wichtiges Thema. Künftig wird ganz viel Musikkonsum über solche Apps laufen. Der Fan wird nicht mehr umständlich auf andere Medien umschalten müssen, sondern orientiert sich sehr künstlerbezogen.

Welchen Umfang hat der Musikmarkt in China?

Hartwig Masuch: Für musikfokussierte digitale Medien geben die Chinesen derzeit etwa sechs Milliarden Dollar aus. Die amerikanische Definition des weltweiten Musikmarktes sind 16 Milliarden Dollar. In der Zahl kommen die Chinesen allerdings nur mit 200 Millionen Dollar vor, weil die traditionelle Industrie hauptsächlich über Downloads und CDs redet.

Zur Person
Hartwig Masuch hat in Bochum Wirtschaft studiert. Vier Jahre lang, von 1977 bis 1981, war er Sänger der Gruppe "The Ramblers". Nach einigen Jahren als Chef seines eigenen unabhängigen Musikverlags kam er über Warner Music Publishing Germany 1991 zu BMG Music. Er beriet das Mutterunternehmen Bertelsmann beim Verkauf der Musiksparte und baute ab 2008 BMG Rights Management auf. (dpa/rs)