Mitarbeiter als Unternehmenskapital

„Natürlich kostet Personal“

01.05.2006 von Dorothea Friedrich
Wissen organisieren, Mitarbeiter fördern und zum lebenslangen Lernen animieren. Mitarbeiter sind für CIO Kurt Pikl das entscheidende Kapital, dass morgens durch die Firmentür herein kommt und abends wieder heraus geht.

CIO: Herr Pikl, Sie beschäftigen acht Mitarbeiter allein für die Stammdateneingabe. Ist das nicht ein wenig viel für diese Aufgabe?

Pikl: Die IT ist die anerkannte Basis für Prozessoptimierung. Sie besteht für mich aus konsistenten Stammdaten, einem zentralen Auswertungssystem als einzig anerkannter Quelle von Informationen und Mitarbeitern, die mit diesen Informationen umgehen können. Excel und Access sind Hilfsmittel, aber keine Basis für Entscheidungen. Die kommen nur aus SAP. Diese Information, verknüpft mit dem Wissen der Fachleute und der daraus resultierenden Aktion, ist Prozessoptimierung.

CIO: Die Stammdaten sind für Sie also die Basis für alle Folgeprozesse?

Pikl: Ja, daher investieren wir in diesen Shared Service. Durch den professionellen Umgang mit den Stammdaten steigt die Qualität der Daten automatisch.

CIO: Was ist das Ergebnis?

Pikl: Keine doppelten Kunden, Daten, Artikel oder Lieferanten. Das ist die Basis für Optimierungspotenziale. Ich kann doch nicht von E-Business-Katalogen oder CRM schwafeln, wenn meine Artikel oder die Kundendaten nicht in Ordnung sind.

CIO: Ist der Mitarbeiter nicht ein hoher Kostenfaktor?

Pikl: Natürlich kostet Personal. Aber Produkte werden mit Produktionsmaschinen gemacht, Gewinne durch das Engagement und Wissen der Mitarbeiter. Sie sind also unser Kapital. Das kommt morgens zur Firmentür rein und geht abends raus.

CIO: Auf ihrer Web-Eingangstür, Ihrer Homepage, steht: „Wir investieren bewusst in zukunftsorientierte Informations- und Kommunikationssysteme.“ Was heißt das?

Pikl: Wir sind ein inhabergeführtes Unternehmen. Das macht manches einfacher. Als wir 1996 SAP eingeführt haben, gab es von der Geschäftsleitung nur eine Vorgabe: Gleiche Prozesse sind gleich umzusetzen. Das ist zu einer Art Credo der Firmen-IT geworden. Es gibt ein Prozesshandbuch. Jeder neue Prozess wird mit Aris modelliert. Das alles ist mehr als sinnvoll. Denn Egger ist auf Wachstumskurs. Die Eröffnung eines neuen Werks, egal ob in Russland oder in Rumänien, ist einfacher und kostengünstiger zu realisieren, wenn die Prozesse standardisiert sind.

CIO: Wo stehen Sie als CIO in diesem Prozess?

Pikl: Ich sehe mich als „Cheerleader“ der Organisation: das Identifizieren von sinnvollen und innovativen Lösungen am Markt, prüfen, ob die Power-Points halten, was sie versprechen, die Integration dieser Lösungen in unsere Prozesse. Außerdem unterstütze ich die Fachbereiche bei der Einführung.

CIO: Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben in Bezug auf Ihre Mitarbeiter?

Pikl: Wissen organisieren, Mitarbeiter fördern und zum lebenslangen Lernen animieren: Das sind meine Lieblingsthemen. Die Investition in die eigenen Mitarbeiter ist gerade in einer Zeit ein guter Ansatz, wo eine ganze Branche mit ihren verrückten Beratungs- und Schulungskosten völlig durchgeknallt ist.

CIO: Weshalb sind die Mitarbeiter so wichtig?

Pikl: Ein Change-Request-Management zum Beispiel verhindert Wildwuchs und ist die Basis einer Standardisierung. Das ist nur möglich, wenn der Basisbetrieb störungsfrei funktioniert – die Technik also Commodity ist. Das klingt einfach, bedingt aber enormen Aufwand und Engagement der dafür verantwortlichen Mitarbeiter. Der Mensch und sein Commitment müssen also immer und in allen Bereichen im Mittelpunkt stehen.

CIO: Wie ist die IT für ein Unternehmen mit 16 Standorten europaweit und 4900 Mitarbeitern organisiert?

Pikl: Wir haben ab 2000 einen kompletten Restrukturierungsprozess für alle IT-Prozesse begonnen. Jetzt haben wir zentralisiert und betreiben die IT als Shared Services – also eine Abteilung, deren Kerngeschäft die Unterstützung der Organisation ist.

CIO: Was heißt das konkret?

Pikl: Ich vergleiche das Rechenzentrum mit einer „Wurstfabrik“. Die soll vor sich hintickern. Im „Application Management“ arbeiten die Cowboys – also die Tüftler, Kreativen, in Projekten arbeitenden Mitarbeiter. Beide Welten sind ganz klar getrennt. Das „Release Management“ ist die Schnittstelle. Der dritte Block ist der Support – unsere Schnittstelle zum Kunden, also unseren Usern.

CIO: Welche Bedeutung messen Sie dabei den Mitarbeitern zu?

Pikl: Mit dem engagierten Team ist es gelungen, ein stabiles EDV-Umfeld zu schaffen, das mir erlaubt, den Spruch des von mir sehr verehrten Management-Lehrers Peter F. Drucker: ‚Wir müssen in der IT vom T zum I kommen’ in der Praxis umzusetzen: Nicht die Technik, der Mensch ist entscheidend.

CIO: Warum haben Sie dann nicht das Rechenzentrum ausgelagert?

Pikl: Wir halten nichts von Outsourcing, denn unsere IT ist tief in die Produktionsumgebung integriert. Wir haben 2005 ein Outsourcing-Evaluierungsprojekt durchgeführt. Das Ergebnis war: Nur die Standardumgebung hätte ausgelagert werden können. Das ist inkonsequent und wäre für mich zu wenig. Outsourcing ist aber auch ein philosophisches Thema.

CIO: Worin besteht die Philosophie?

Pikl: Die Frage ist doch: Tut man sich das an? Wir verstehen uns als Shared Service. Unser Kerngeschäft ist optimierter IT-Service, das schließt Outsourcing aus. Außerdem wird die IT durch ein Outsourcing für die internen und externen Kunden viel zu unflexibel.

CIO: Wie sehen die IT-Strukturen aus?

Pikl: Standardisierung der Prozesse und der Software, Nutzung der Personal-Synergien, ein durchgängiges Projekt-Management, System-Management, zentrale Führung von Personal und Budgets. Und natürlich modernste Technologie.

CIO: Was heißt das?

Pikl: Zum Beispiel unser Support Desk. Die Mitarbeiter verständigen sich mit dem Support in ihrer Muttersprache – also in Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und Rumänisch. Die lokalen Einheiten werden zentral geleitet – von einem französischen Mitarbeiter. Wir haben klare Dienstpläne und Vorgaben. So darf die Bearbeitung eines Tickets nicht länger als 15 Minuten in Anspruch nehmen.

CIO: Und wenn sich die Lösung als schwieriger erweist?

Pikl: Dann wandert es in den Second Level, das sind die lokalen Einheiten. Wir setzen den SAP-Solution-Manager und VoIP ein. Wir haben einen durchgängigen Rufnummernplan für alle europäischen Werke. Auch hier ist unser Ansatz Standardisierung und Klassifizierung. So werden das Wissen und die Synergien in der Gruppe optimal genutzt, die Technik macht die virtuelle Umgebung beherrschbar.

CIO: Das heißt, der Mitarbeiter in Brilon im Sauerland kann mit seiner Anfrage unter Umständen zunächst in Unterradlberg bei St. Pölten landen?

Pikl: Ja, aber nur mit dem Helpticket. Wir wollen die Mail-Orgien abschaffen. Deshalb heißt der Kernsatz: No ticket – no problem. Schließlich geht es beim Support Desk, wie überall, um Kosteneinsparungen. Deshalb werden diese Tickets auch nach Prioritäten gestaffelt mit entsprechenden Zeitvorgaben abgearbeitet.

CIO: Nach ihrer Erledigung wandern die Tickets in den Papierkorb?

Pikl: Nein, sie werden regelmäßig ausgewertet, aus ihnen generieren sich Verbesserungen.

CIO: Welche Rolle spielen Mitarbeiter in solchen Prozessen und Projekten?

Pikl: Wir sehen unsere Mitarbeiter als Wert an sich, wir fördern deren Identifikation mit dem Unternehmen. Und wir sichern Erfahrungen und Wissen unserer Mitarbeiter. Ohne qualifizierte Mitarbeiter gibt es nur Yeti-Projekte: Alle reden davon, keiner hat ihn je gesehen.

Das Gespräch führte Dorothea Friedrich.