Einschätzungen von Kunden und Providern klaffen auseinander

Nearshorer nehmen Deutschland ins Visier

26.07.2006 von Christiane Pütter
Nearshorer in der erweiterten EU schätzen ihre Chancen auf dem deutschen Markt weit höher ein als ihre potenziellen Kunden. Um sich für die Zukunft zu rüsten, erweitern die Provider ihr Portfolio - treffen dabei aber nicht immer die Bedürfnisse der Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von PA Consulting.

Der Offshore Markt gilt im Vergleich als reifer: 35 Prozent der Verträge mit deutschen Kunden sind in der Betriebsphase, bei Nearshorern liegt diese Quote bei 27 Prozent. Allerdings holen die Nearshorer nach Einschätzung der Analysten auf. Nicht zuletzt gilt auch in Deutschland: Unternehmen trauen Service-Providern aus Kulturkreisen, die dem eigenen näher stehen, mehr zu.

Lediglich zwölf Prozent der Kunden haben mit Off- oder Nearshorern Verträge abgeschlossen, die mehr als 30 Prozent ihres IT-Budgets beinhalten. Es dominieren kleinere Abschlüsse, die meist nicht länger als ein Jahr laufen.

Selbstbewusste Russen, zögerliche Türken

Viele Anbieter in der erweiterten EU haben den deutschen Markt ins Visier genommen. Dabei allerdings klaffen die Einschätzungen der Wachstumschancen auf Anbieter- und Nachfragerseite deutlich auseinander: Während Service-Provider an Steigerungen im teils hohen zweistelligen Bereich glauben, räumen ihnen die deutschen Kunden zwischen fünf und zehn Prozent ein.

Insbesondere Ukrainer, Russen, Bulgaren und Rumänen sehen in Deutschland das gelobte Wachstumsland. Türkische Dienstleister dagegen rechnen sich die geringsten Steigerungsraten aus.

Derzeit erwirtschaften erst 27 Prozent der Nearshore-Provider mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. Um sich für den erwarteten Markt zu rüsten, erweitern sie ihr Leistungsspektrum: Die Analysten gehen davon aus, dass das Kerngeschäft Anwendungsentwicklung und Wartung innerhalb der kommenden drei Jahre von 75 auf 58 Prozent Umsatzanteil sinken wird. Als neue Angebote gelten Infrastruktur-Hosting und Management, Application Hosting und IT Sicherheit.

Allerdings könnten sie dabei schief liegen: Nach den Ergebnissen der Studie zu urteilen, haben deutsche Unternehmen nicht vor, Infrastrukturservices im großen Stil auszulagern. Sie setzen wie gehabt auf das Outsourcen von Anwendungsentwicklung und Wartung.

Call-Center-Wunsch ohne Anschluss

Nach weiteren Feldern für das Auslagern befragt, nennen die Unternehmen Call Center, Kundendienst und Desktop Management - allesamt Punkte, die sich Provider jedenfalls bisher kaum auf die Fahnen schreiben.

Die Marktanteile osteuropäischer Provider verteilen sich derzeit wie folgt: Russland, Weißrussland und die Ukraine liegen mit 32 Prozent vor der Tschechischen Republik, der Slowakei, Polen und Ungarn mit 29 Prozent. Auf je 15 Prozent kommen Bulgarien/ Rumänien und die Balkan-Staaten. Estland, Lettland und Litauen erreichen neun Prozent.

Unter den asiatischen Offshorern dominiert Indien deutlich mit 69 Prozent. China hält 29 Prozent.

PA Consulting hat für die Studie "IT Sourcing Markt in Deutschland im Aufbruch" in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) Service-Provider aus Near- und Offshore-Ländern sowie ihre Kunden untersucht.