Anwender in Sorge um Oracle-Roadmap

Noch kein Abgesang auf Java

15.02.2011 von Werner Kurzlechner
Die Open Source-Community ist entrüstet über den neuen Kurs von Oracle. Firmenkunden müssen sich allerdings nicht sorgen, analysiert Forrester in einer Studie.
Der Java-Kosmos, wie Forrester ihn sieht: Oracle steht im Zentrum, IBM ist nah dran.
Foto: Forrester Research

Nein, es ist keineswegs Zeit, schon einen Abgesang auf die Java-Technologie anzustimmen. Aber bezeichnend erscheint es doch, dass die Analysten von Forrester Research in ihrer Studie zur Zukunft von Java das eigens betonen müssen. „Wegen der hochschlagenden Emotionen in allen Java-Angelegenheiten fühlt sich Forrester verpflichtet zu sagen, dass dieser Bericht kein Nachruf ist“, schreiben die Analysten John R. Rymer und Jeffrey S. Hammond in ihrer Studie. Java habe durchaus eine lebendige Zukunft als Technologie in Unternehmen vor sich, so Rymer und Hammond – allerdings in beschränkterem Maße als bisher.

Dass sich bisweilen Beerdigungsstimmung breit macht, kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich geht nach der Übernahme von Sun Microsystems durch Oracle im Sommer 2009 eine Epoche zu Ende. Oracle ist dabei, Java-Angebote und -Politik auf einen neuen Kurs zu trimmen. Das ruft laut vernehmbares Befremden in der Open Source-Community hervor. Zudem scheitert der Software-Gigant nach Forrester-Einschätzung bisher daran, Javas Achillesferse – seine inhärente Komplexität – abzudecken, während sich mit Microsofts .NET-Plattform starke Konkurrenz etablieren konnte. Hinzu komme das Problem, dass sich Java nur bedingt als Basis für cloud-basierte Plattformen durchsetzen werden, so die Analysten. Alles Anlass genug für Forrester, die Lage umfassend zu durchleuchten.

Rymer und Hammond sehen die Java-Technologie in jedem Fall am Scheideweg. Noch ist sie Basis eines großen Teils der Internet-Wirtschaft und spielt eine bedeutende Rolle in den IT-Systemen der weltgrößten Firmen. Aber diese Dominanz werden sich auf diese Weise nicht halten, so Forrester. Fraglich sei lediglich, wie sich der Wandel gestalten werde.

Äußerst optimistisch sehen die Analysten die Zukunft der Java Virtual Machine (JVM) und von Java Runtime Environment (JVE) in den Unternehmen. Sprache, Kompiler und Laufzeit, so wie sie durch die Java Standard Edition definiert sind, bleiben demnach noch lange das Herzstück von IT-Architekturen in Unternehmen. JVM und JVE bildeten auch in Zukunft ein Quasi-Betriebssystem für Enterprise-Applikation, so die Autoren.

Nur vorsichtig zuversichtlich schätzt Forrester die Chance ein, dass Java-Plattformen im Cloud Computing-Zeitalter die gleiche Rolle spielen wie in der Entwicklung des kommerziellen Internets von heute.

"Oracle verhindert Innovation"

In der Anwendungsentwicklung prophezeit Forrester hingegen eine Verschiebung zu produktiveren Metadata Programming-Environments und Frameworks wie etwa Google Web Toolkit. Brüchig erscheint also die Zuversicht, dass Standard-Frameworks wie Java Platform, Enterprise Edition (Java EE) und Java Platform, Micro Edition (Java ME) ihre Vormachtstellung behaupten.

Human Interfaces werden heute schon eher auf Basis von Adobe Flex, AJAX, HTML, Microsoft Silverlight oder Windows erstellt als mit Hilfe von Java. Nach Ansicht Forrester werden künftig immer weniger Human Interfaces mit Java geschrieben werden. Vollends der Glaube fehlt den Experten hinsichtlich der Überkomplexität. „Wir erwarten, dass Java-Plattformen schwierig und dadurch teuer in Steuerung und Entwicklung bleiben werden“, so Rymer und Hammond.

Entscheidend für die künftige Entwicklung von Java sind die Pfade, die Oracle in jüngster Zeit eingeschlagen hat. So legte das Unternehmen im vergangenen Herbst eine Roadmap für Java SE 7 und 8 vor, die Innovationen sollen im Open Source-Projekt OpenJDK entwickelt werden. Im vergangenen Jahr eröffnete Oracle aber auch juristisches Sperrfeuer gegen Google, weil der Suchmaschinenriese bei der Entwicklung der Dalvik Virtual Machine für seine Android-Smartphones sieben Oracle-Patente verletzt habe. Die gerichtlichen Scharmützel sind noch im Gange.

Eine Folge ist aus Forrester-Sicht jedoch klar: Oracle verhindert mit dieser Aktion unabhängige Innovation für Java SE – in einer Phase, in der die Technologie im Wettbewerb der Plattformen frische Impulse bräuchte.

Überraschend suchte Oracle auf der Java-Spielwiese den Schulterschluss mit IBM und Apple. Eine Zusammenarbeit zwischen den harten Konkurrenten Oracle und IBM in der Java-Entwicklung dürfte damit gewährleistet sein. Gleichzeitig kam es zum Bruch mit der größten freien Community The Apache Software Foundation. Apache dürfte sich deshalb alternativen Technologien zuwenden. „Das Ergebnis könnte eine verringerte Menge an Open Source-Alternativen auf Java-Basis ein“, so Forrester.

"Oracle leitet das Ende von Java ein"

Aus Sicht der Open Source-Community und vieler Anwendergruppen leitet Oracle so das Ende von Java ein. Nach Forrester-Einschätzung haben hingegen Firmenkunden kaum Anlass zur Sorge – im Gegenteil. Die neue Marschroute laute, dass Java zu allererst den Unternehmen zu dienen habe. Die Zeiten der von Sun angebotenen breiten Palette an Java für PCs, mobile Endgeräte und Embedded Systems scheinen perdu. Das Augenmerk von Oracle liege zuvorderst auf Enterprise Middleware und darüber hinaus wohl noch auf Cloud-Angeboten, so Forrester.

Für Firmenkunden gilt deshalb laut Forrester: „Kein Vorhaben wird Kunden zu teuren Migrationen zwingen. In vielerlei Hinsicht ist Oracles Plan, Java effektiver zu managen, als Sun das getan hat.“

Die Studie „The Future of Java“ ist bei Forrester Research erhältlich. Analysiert wird auch, welche Fragen Anwender für sich beantworten müssen.