Datenbanken, CRM, E-Commerce

Oracle greift nach neuen Kunden

24.11.2011 von Hartmut  Wiehr
Nach dem Kauf von ATG bietet Oracle nun auch Software für E-Commerce an. Allerdings: Wegen des Bezahlmodells geraten Kunden schnell in eine Locked-in-Situation.

Auf der diesjährigen Kundenveranstaltung Oracle Open World in San Francisco, die mit 45.000 Besuchern wieder eine der größten Veranstaltungen dieser Art war, gab es mehr News für Retailer als üblich. Der Konzern berichtete vor allem über die nun abgeschlossene Integration von ATG, einer vor kurzem zugekauften Plattform für E-Commerce, in die hauseigene Retail Application Suite.

Oracle-Chef Larry Ellison will auch bei Retail ganz vorne mitmischen. Ob alle Stammkunden aus der Branche dabei mitmachen, ist zweifelhaft.
Foto: Oracle

In einer Keynote im riesigen Moscone-Kongresszentrum mitten in San Francisco empfahl der Hersteller den Retailern, neue Angebote auf ATG-Basis für ihre Kunden aufzubauen. Oracle könne nun eine komplette Wertschöpfungskette von Cross-Channel-Kontrolle bis zu personalisierten Verkaufsaktionen und zu Datenanalysen zur Verfügung stellen.

Retailer verbinden Ladengeschäft mit E- und M-Commerce

Die Strategie von Oracle kommt genau zum richtigen Zeitpunkt: Viele Retail-Unternehmen experimentieren bereits damit, klassisches Ladengeschäft mit E- und M-Commerce zu verbinden und neue Cross-Channel-Zugänge zu bestehenden und neuen Kunden aufzubauen. Und wie die IDC-Analystin Christine Bardwell beobachtet hat, arbeiten viele Händler in diesem Umfeld bereits mit Produkten der Konkurrenz. Oracle steht also unter einem gewissen Aufholdruck.

Bardwell ist der Ansicht, dass Oracle mit dem Kauf von ATG deshalb goldrichtig liege. Dabei seien nicht nur die Software-Funktionen von Bedeutung, sondern auch die Erfahrungen der ATG-Spezialisten, die man zusammen mit der Technologie übernommen hat. Es komme darauf an, den Retailern exakt zugeschnittene Programme für deren "Omni-Channel"-Architekturen anzubieten.

Oracle ist noch aus anderen Gründen gut aufgestellt. Zum einen vereint der Konzern zahlreiche Software-Produkte für Customer Relationship Management (CRM) wie die von Siebel mit den klassischen Datenbank- und Business-Intelligence-Systemen. Zum anderen bietet Oracle nach der Sun-Übernahme auch eine eigene Hardware-Basis für diese Software-Landschaft an. Und diese wird auch von den Kunden angenommen, wie die Verkaufserfolge zum Beispiel bei den Exadata-Racks zeigen.

Oracle versus Salesforce.com

Man muss nicht gleich die etwas abgegriffene Parole "Big Data" in den Mund nehmen, um die aktuelle Situation der Retailer zu beleuchten. Wer im verschärften Konkurrenzdruck und unter den weltweiten Krisenbedingungen überleben will, muss in der Lage sein, die täglich anfallenden Datenmengen über Verkäufe oder Online-Klicks möglichst zeitnah auszuwerten. Aktuelle Datensammlung und -aufbereitung wird in diesem Zusammenhang existentiell. Mit ATG und Siebel-CRM kann Oracle hier gut mithalten.

Eine der größten Kundenveranstaltungen weltweit: die Oracle Open World in San Francisco.
Foto: Oracle

Wie Bardwell von der Oracle Open World berichtet, zeigten sich die anwesenden Retail-Kunden durchaus angetan von der ATG-Integration. Doch Oracle-Chef Larry Ellison konnte es nicht lassen, den Cloud-Konkurrenten Salesforce.com erneut frontal anzugehen und als "schäbiges Daten-Motel" zu bezeichnen. Damit lenkte er etwas ab von den eigenen, noch unausgegorenen Cloud-Anstrengungen. So gibt es für die aktuelle Fusion Application auch Bezahlmöglichkeiten nach Verbrauch, doch sind diese nach Ansicht von IDC zu sehr an das klassische Lizenzmodell angelehnt.

Und genau dies macht vielen Oracle-Kunden nach wie vor zu schaffen. Wer mit Oracle nicht nur bei Datenbanken, sondern auch bei CRM und E-Commerce sowie – last, but not least – bei Hardware zusammengeht, der findet sich schnell in einer Locked-in-Situation wieder.

Das mag für den Konzern und dessen Marktmacht von Vorteil sein. Doch für die Kunden sieht es ganz anders aus.