PwC-Tipps für Ausschreibung

Outsourcing: Die 7 Komplexitätstreiber

27.02.2013 von Jörg Hild
Der Ausschreibungsprozess war komplex, und trotzdem wurde der falsche Dienstleister gewählt. Und für das Bieterverfahren schlagen schnell siebenstellige Beträge zu Buche, weil es unnötig aufgebläht ist. Jörg Hild von PwC zeigt in seiner Kolumne, wie man Fehler vermeidet.
Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.
Foto: COMPASS Deutschland GmbH

Die Kostensenkung nimmt noch immer den ersten Platz unter den Top-10-Outsourcing-Zielen ein. Doch bevor Unternehmen mit der Auslagerung von IT-Gewerken Geld sparen können, müssen sie erst einmal welches investieren: Für das vorgeschaltete Bieterverfahren schlagen schnell siebenstellige Beträge zu Buche.

Doch ist das keine unveränderliche Größe, denn viele Ausschreibungsprozesse sind unnötig aufgebläht. Dies gefährdet die Ziele des Auslagerungsvorhabens gleich dreifach: bei den Kosten, dem Zeitplan sowie der Auswahl der Dienstleister.

1. Zu hohe Kosten

Auf Kundenseite schlagen sich hochkomplexe Ausschreibungsprozesse direkt in entsprechenden Ausgaben für externe Beratung und interne Zuarbeit nieder. Aber auch auf Seiten der teilnehmenden Dienstleister entsteht ein Mehraufwand, den sie sich irgendwann wieder vergüten lassen, der also mittelbar ebenfalls auf den Kunden zurückfällt.

2. Zu lange Dauer

Komplexe Ausschreibungen bringen oftmals den Zeitplan durcheinander und gefährden damit die Einlösung der angestrebten Outsourcing-Effekte. Das kann besonders kritisch werden, wenn der Vertrag ausläuft und neu ausgeschrieben wird. Oft geraten Unternehmen hier in eine tückische Zeitfalle.

Dies ist mit ein Grund, warum rund 25 Prozent der Kunden den Vertrag lieber unbesehen verlängern, wie die aktuelle PwC-Sourcing-Studie gezeigt hat: Sie befürchten einen erneuten monströsen Prozess, an den sie sich noch vom ersten Mal mit Schrecken erinnern.

3. Falsche Dienstleister-Auswahl

Der Ausschreibungsprozess vom Rfl bis zum Vertragsabschluss.
Foto: PWC

Der Trend zum Multisourcing nimmt weiter zu; Unternehmen vergeben Pakete wie die zentrale Infrastruktur, das Datenbankmanagement, Desktop, Print-Services etc. separat. Damit werden die einzelnen Gewerke immer kleiner. Gerade hier steht das gesunkene Auftragsvolumen oft in keinem sinnvollen Verhältnis mehr zu einem gleichbleibend hohen oder sogar steigenden Ausschreibungsaufwand.

Noch kritischer ist eine Fehlsteuerung, die die Ziele des Multisourcing konterkariert. Laut der erwähnten PwC-Sourcing-Studie wünschen 72 Prozent der befragten Auftraggeber keinen Provider, der sehr viele Dienste sehr breit anbietet, sondern einen, der sich auf einen Service fokussiert und diesen sehr professionell betreiben kann. Der kostspielige Ausschreibungsprozess schließt aber oftmals gerade diejenigen potenziellen Anbieter aus, die dafür am besten geeignet wären - denn je kleiner die Gewerke sind, desto besser können oft auch kleine, spezialisierte Dienstleister sie bedienen.

Manche dieser Provider nehmen erst gar nicht am Verfahren teil, weil sie den Aufwand scheuen. Andere werden zu früh aussortiert, weil sie nicht die Bandbreite der aufgelisteten Kriterien erfüllen. Kleinere Dienstleister können sich meist keine großen Vertriebsapparate leisten. Eine zu komplexe Ausschreibung bringt somit auch falsche Resultate hervor.

Welches sind nun die Komplexitätstreiber - und vor allem: Wie lassen sie sich vermeiden?

Komplexitätstreiber 1: Zu viel "Wie", zu wenig "Was"

Vielfach legt der Request for Proposal (RFP) viel zu detailliert fest, auf welche Weise der Provider die Gewerke erbringen soll, etwa wie der Desktop zu managen ist, wie die Application Services zu strukturieren sind usw. Das aber sollte eigentlich die Aufgabe des Dienstleisters sein.

Zu genaue Vorgaben treiben nicht nur die Komplexität in die Höhe, sondern behindern auch die angestrebte Effizienzsteigerung und Kostensenkung: Denn der Provider kann nur Synergieeffekte schaffen, wenn er Freiheitsgrade bei der Ausführung hat, auf seine etablierten Standards zurückgreifen kann und seine Abläufe entsprechend optimieren darf.

Lösung:

Das "Wie" ist nur an einer einzigen Stelle angebracht, nämlich den Governance-Prozessen. Die Abläufe zwischen Kunden und Dienstleister sollten eng verzahnt sein. Alle Serviceanforderungen hingegen sollten sich tendenziell auf die Ergebnisse konzentrieren: Service-Inhalt, Qualität, Volumina, Inhalte, Leistungsübergabepunkte etc.

Komplexitätstreiber 2: Tool-Set nicht angepasst

Oft setzt der für die Ausschreibung hinzugezogene Berater sein über Jahre hinweg entwickeltes, deshalb sehr aufgeblähtes Methoden-Set ein, ohne es an die spezifische Situation des Kunden und der für die jeweiligen Gewerke in Frage kommenden Dienstleister anzupassen. So sind beispielsweise im Data Center, in dem viele personenbezogenen Daten vorrätig gehalten werden, Security-Themen sehr wichtig; im Desktop- und Print-Management hingegen können sie oftmals einfacher abgebildet werden.

Wenn nun trotzdem alle Bereiche standardisiert über einen Kamm geschoren werden, fragen die Kataloge viele Aspekte ab, die eigentlich irrelevant sind. Sozusagen wird mit der "Standard-Beraterkanone" auf "Dienstleister-Spatzen" geschossen.

Hinzu kommt: Da die Berater ihre Standardfragenkataloge über Jahre hinweg in vielen Ausschreibungen immer wieder einsetzen, kennen (zumindest die großen) Provider sie zur Genüge und haben ebenfalls Standard-Antworten dafür parat. Die Folge ist ein regelrechtes Ping-Pong-Spiel, ein immer gleicher Dialog zwischen RFP und Angebot, der die konkrete Situation des Kunden und seine spezifischen Ziele nicht hinreichend berücksichtigt.

Die Folge: Der Auftraggeber kann den IT-Dienstleister nicht richtig einordnen, und viele Vertriebsorganisationen versprechen mehr, als ihre Leistungsabteilungen letztendlich halten können.

Lösung:

Die Berater sollten den RFP zwar auf ein praxiserprobtes Tool-Set stützen, dieses aber unbedingt an die konkrete Kundensituation adaptieren. Der Fragenkatalog sollte sich auf die wesentlichen Aspekte konzentrieren, auf nicht benötigte Informationen verzichten und auch keine Selbstverständlichkeiten einfordern, die entweder leicht aus Homepages und Prospekten zu eruieren sind oder bereits durch das Markt- und Anbieter-Screening abgedeckt sein sollten (Näheres dazu unter Punkt 3). Die auszufüllenden Anhänge im RFP sollten möglichst schlank gehalten sein. Hat der Kunde bereits konkrete Vertragsvorstellungen, sollte er diese als Entwurf dem Anbieter zur Verfügung stellen.

Komplexitätstreiber 3: Zu viele Anbieter

Werden sehr viele Anbieter aufgefordert, ein Angebot abzugeben, entsteht ebenfalls viel Aufwand - zum einen bei den Dienstleistern, zum anderen beim Kunden selbst, der die eingehenden Dokumente alle auswerten und den weiteren Bewerbungsprozess managen muss.

Lösung:

Hier hilft die Besinnung auf Best Practices. Der Berater sollte den Markt möglichst genau kennen und wissen, welche Provider für das konkrete Gewerk prinzipiell geeignet sind. Bei Bedarf sollte er vorab ein Screening durchführen, das Basisinformationen aufbereitet, wie etwa Mitarbeiterzahl, Umsatz, regionale Verbreitung (international, europäisch, lokal), technische Spezialgebiete, Branchen- und Leistungsschwerpunkte: Konzentriert sich ein Provider auf Commodity-Produkte, auf das Management kompletter Servicepakete oder z.B. auf Kunden-individuelle Lösungen? Ziel sollte es sein, die Zahl der Dienstleister, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, auf fünf bis maximal sieben zu beschränken.

Hat der Kunde noch keine klaren Vorstellungen über den Umfang und das Design des Gesamtwerks (Serviceschnitte etc.), kann ein Request for Information (RfI) vorgeschaltet werden, der eine größere Zahl an Providern adressiert. Sein Zweck ist es, eine Short-List geeigneter Dienstleister vorzubereiten.

Dieser RfI sollte deutlich schlanker sein als der RFP und lediglich nach den wesentlichen Aspekten fragen, beispielsweise welches Delivery-Modell der Provider einsetzt, welche weiteren Partner er für die ausgeschriebenen Gewerke benötigen würde und ob es von vornherein Ausschlussgründe gibt, etwa eine Wettbewerbssituation zum Kunden oder die Limitierung der Leistungserbringung auf bestimmte Länder. Diese Informationen sollte ein RfI sauber vorqualifizieren. Aber auch er sollte sich auf diejenigen Dienstleister beschränken, die wirklich eine realistische Chance haben, ein Gewerk zu gewinnen.

Komplexitätstreiber 4: Zu viele "Köche"

Immer wieder stößt man auf Ausschreibungsprogramme, an denen ein ausgedehnter Pool an Partnern mitwirkt. Auf Seiten des Kunden sind das meist die IT-Abteilung, die Rechtsabteilung, der Einkauf und - bei Personalübergang - auch die HR-Abteilung. Hinzu kommen die externen Berater: Spezialisten für das jeweilige Sourcing-Gewerk, für rechtliche Fragen, für steuerliche Aspekte (insbesondere bei länderübergreifenden Ausschreibungen) und andere. Die Vielzahl verschiedener Sichten treibt die Komplexität, da jeder Beteiligte bestrebt ist, sich möglichst intensiv einzubringen.

Besonders problematisch ist es, wenn der Sourcing-Berater und der externe Rechtsberater gegenseitig in ihre Kompetenzen "hineinregieren", etwa wenn die Juristen bei Leistungsschnitten mitbestimmen wollen, die technischen Spezialisten wiederum bei rechtlichen Aspekten. Letztlich bezahlt der Kunde für diese Profilierungssucht - zum Beispiel mit einer Vielzahl endlos langer Workshops, um die verschiedenen Sichten und Meinungen unter einen Hut zu bringen.

Lösung:

Der Ausschreibungsberater sollte dafür sorgen, dass sich jeder Partner auf die wesentlichen Aspekte und seine Kompetenzen konzentriert. Geeignete Instrumente sind eine klare Projekt-Governance, eine eindeutige Rollenzuordnung und die Reduktion der Zahl der Beteiligten auf das absolut Notwendige. Hier helfen Beratungsunternehmen, die fachliche, rechtliche und steuerliche Expertise aus einer Hand anbieten können.

Komplexitätstreiber 5: Zu detaillierter Ist-Zustand

In vielen RFPs wird das zum Zeitpunkt der Ausschreibung eingesetzte Equipment akribisch "bis zur letzten Schraube" aufgelistet. Für den Provider ist es aber uninteressant, ob nun 234 oder 235 Server betrieben werden, denn dieses Gerüst kann sich bis zum Zeitpunkt der Übergabe schon wieder ändern. Bereits die Erfassung eines solch detaillierten Ist-Zustands bedeutet für den Kunden einen erheblichen Aufwand. Zudem werden die Unterlagen noch umfangreicher und unübersichtlicher, was beide Seiten wiederum Zeit kostet.

Lösung:

Relevant sind bei der Ist-Beschreibung primär Mengenangaben, die dem Dienstleister eine saubere Kalkulation erlauben. Wählt man zudem ein auf Stückkosten basierendes Preismodell - etwa Gebühr pro Server - regeln sich Veränderungen automatisch. Die Klärung weiterer Details ist Aufgabe der späteren Due Diligence, in der sich beide Seiten vergewissern, dass die Voraussetzungen für die angebotene Leistung tatsächlich vorliegen.

Wichtiger als ein detaillierter Ist-Zustand ist die Beschreibung der künftigen IT-Landschaft: Wie werden sich die Mengen entwickeln? Welche technologischen Neuerungen sind zu erwarten? Welche Business-Veränderungen sind einzuplanen, die auf die IT durchschlagen? Schließlich liegt die Laufzeit der Verträge in der Regel bei drei bis fünf Jahren.

Komplexitätstreiber 6: Leistungsschnitte nicht marktkonform

In vielen Ausschreibungsunterlagen sind die Serviceschnitte des Outsourcing-Projekts nicht marktüblich. Deshalb passen die zu vergebenden Gewerke nicht so recht in die Portfolios der Dienstleister. Erneut werden beide Seiten belastet: Der Auftraggeber muss die Leistungsblöcke detailliert beschreiben, die Anbieter müssen die einzelnen Bausteine zusammentragen, zuordnen und den Preis der Pakete komplett neu berechnen.

Lösung:

Der Ausschreibungsberater sollte über Modelle verfügen, die marktgängige Leistungsschnitte abbilden (z.B. Managed Print Services, Service Desk etc.). Das reduziert sowohl den Beschreibungs- als auch den Kalkulationsaufwand.

Komplexitätstreiber 7: Wiederholung definierter Standards

Nicht zuletzt werden viele Ausschreibungsunterlagen aufgebläht, weil sie die einzelnen Schritte bereits standardisierter Prozesse - wie ITIL - nochmals genau beschreiben.

Lösung:

Es reicht völlig aus, auf solche allgemein zugänglichen und meist auch hinreichend bekannten Standards lediglich zu referenzieren. Stattdessen sollte sich der RFP auf die kundenspezifischen Anforderungen und Abweichungen von Standards konzentrieren, sauber strukturiert sein und auf Redundanzen sowie Wiederholungen verzichten. Wo immer möglich, sollten Aspekte zusammengefasst werden. Das erleichtert den Providern die Erstellung übersichtlicher Angebote, dem Kunden deren Auswertung und Vergleich.

Alles in allem können CIOs mit einem solchen stringenten Vorgehen bis 50 Prozent ihrer Ausschreibungskosten einsparen.

Die 7 Komplexitätstreiber der Ausschreibung

  • Falsche Servicebeschreibung: Zu viel "Wie", zu wenig "Was"

  • Nicht der Situation angepasstes Standard-Tool-Set des Beraters

  • Zu viele Anbieter im RFP-Prozess

  • Zu viele interne und externe Partner

  • Zu detaillierte Ist-Erhebung

  • Keine marktüblichen Leistungsschnitte

  • Beschreibung bereits definierter Standards

Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.