Volker Lowitsch, CIO der Uniklinik Aachen

"Perfektion dauert in der IT zu lange"

18.07.2007 von Andreas Schmitz
INTERVIEW DER WOCHE: Seit sieben Jahren verantwortet Volker Lowitsch die IT in der Universitätsklinik Aachen. Seit der gelernte Mathematiker aus der Industrie zur Klinik kam, hat er die IT-Landschaft einmal komplett umgebaut - und nun SAP für die kaufmännischen, demnächst Lorenzo für die klinischen Prozesse und SAS für Datenanalysen im Einsatz.


Herr Lowitsch, Sie sind nicht Professor und trotzdem CIO in einer Universitätsklinik. Wie kommt man da zurecht?

Professoren kommen von der Wissenschaft und haben daher meist eine andere Herangehensweise in der IT, die sich oft mit dem Service-Anspruch beißt, den Kunden an die IT haben. Achtzig Prozent Perfektion reicht in der Regel, um Projekte zur Zufriedenheit aller in einer akzeptablen Zeit fertig zu bekommen. Perfektion dauert in der IT oft zu lange.

Nennen Sie die wichtigsten Projekte, die Sie bewältigt haben und die Ihnen bevorstehen!

Die IT hat zwei wichtige Aufgaben: Den Ärzten Systeme zur Verfügung zu stellen, die die klinischen Prozesse wirkungsvoll unterstützen und die Kommunikation der Ärzte in der Klinik mit niedergelassenen Ärzten aus der Region und anderen Krankenhäusern voran zu bringen. Derzeit arbeiten wir zusammen mit iSoft an deren Produkt Lorenzo. Dieses Krankenhausinformationssystem basiert auf der Service-orientierten Architektur und ist damit flexibler als etwa Systeme wie Orbis oder Medico, das wir derzeit noch im Einsatz haben. Das Finanzmodul SAP Fi/Co lässt sich etwa ohne zusätzliche Schnittstellen in Lorenzo integrieren, also die medizinische und die kaufmännische Seite einfach zusammen bringen.

Wie weit ist die Entwicklung derzeit?

Seit etwa einem Jahr laufen Pilotprojekte mit der elektronischen Patientenakte auf Basis von Lorenzo. Im September werden wir die elektronische Patientenakte sowie die elektronischen Anforderungen über die neue Plattform abbilden und ab Oktober niedergelassene Ärzte anschließen. Hier spielt auch die elektronische Fallakte hinein, die von Fraunhofer, den privaten Krankenhausketten, der Charité, der Uniklinik Tübingen, uns und einigen anderen Kliniken derzeit entwickelt wird. Unser Ziel ist es, diese beiden Ansätze – Lorenzo und die elektronische Fallakte – miteinander zu verknüpfen.

Gibt es bereits Gesundheitsnetze, in denen sie mitwirken?

In unserem Einzugsbereich bis nach Düsseldorf haben wir „Telepacs“ etabliert. In diesem Netzwerk sind 30 bis 40 niedergelassene Ärzte und Kliniken verbunden. Medizinische Aufnahmen aus der Kardiologie und der Radiologie können von der Klinik den niedergelassenen Ärzten digital zu Verfügung gestellt werden. Ebenso können kardiologische Kliniken uns ihre Aufnahmen und Untersuchungsergebnisse senden, um etwa eine Zweitmeinung über eine Herzkathederuntersuchung einzuholen. Das war für uns der Einstieg in die Telemedizin und es ist natürlich auch denkbar, dass man diesen Service auf normale Befunde ausweitet und Doppeluntersuchung so vermeiden kann. Unser Ziel ist es, die einweisenden Ärzte an uns zu binden.

Vergleichen Sie die heutige IT-Infrastruktur in der Uniklinik mit jener, die es vor zehn Jahren gab. Was hat sich geändert?

Heute haben wir eine komplette Vernetzung unter unseren Kliniken. Dabei setzen wir auf eine Plattformstrategie mit einem KIS-System und einem kaufmännischen System. Für die IT-Infrastruktur nutzen wird dafür derzeit noch Medico, später dann Lorenzo, SAP und SAS für die Auswertung und Analyse der Daten. Davor gab es unterschiedlichste Systeme. Jede Klinik hatte andere IT-Systeme im Einsatz.

Welche Rolle spielen für Sie die Überlegungen der Gesundheitskarte?

Derzeit starten in einzelnen Regionen die ersten Feldversuche. Vor 2010 wird die elektronische Gesundheitskarte mit telemedizinischen Diensten nicht verfügbar sein. Das Problem: Die finanziellen Lasten sind nach wie vor nicht geklärt. Unklar ist, wie das Hausnetz von größeren Kliniken an die Infrastruktur angeschlossen werden kann. Bis jetzt gibt es einen zu geringen Mehrwert für Kliniken. Sollte der einheitliche Patient Master Index etabliert werden, also eine eindeutige Zuordnung eines jeden Patenten möglich werden, ließen sich jedoch Doppeluntersuchungen vermeiden. Noch ist es nicht so weit. Bislang bekommt ein Patient in jedem KIS-System seine eigene Kennziffer.

Wie steht es um den Ruf der IT bei Ärzten und Pflegern in der Aachener Uniklinik?

Wir haben nie eine systematische Umfrage unserer "Kunden“ gemacht. Es gibt einen zentralen Helpdesk, bei dem etwa 200 Anrufe pro Tag anfallen. Die Fragen, Störungen und Klagen werten wir systematisch aus. Zudem sitzen wir in Projektgruppen immer mit Ärzten aus den Disziplinen zusammen und in der Klinikkonferenz, in der alle Hochschulprofessoren sitzen, die den Vorstand beraten, berichte ich über die IT. So gesehen bekomme ich direktes Feedback aus der Ärzteschaft und ein gutes Stimmungsbild.