Studie zu Sicherheit im Web

Phishing-Opfer: Wir sind selbst schuld

27.09.2010 von Werner Kurzlechner
Wer im Netz betrogen wird, sucht die Schuld meist bei sich. Und: Viele Surfer sind im Web selbst nicht ehrlich - vor allem Deutsche flunkern laut einer Studie.
Eine Gefühlsskala zeigt die häufigsten Reaktionen auf Online-Angriffe: Vor allem wütend, genervt oder betrogen zeigen sich Norton zufolge Internet-Nutzer, wenn sie auf Online-Verbrechen wie Phishing hereinfallen.

Junge Leute halten Protestschilder in die Höhe und schreien sich die Kehle aus dem Leib. Dieses Foto mit der Überschrift „Den Spieß umdrehen“ ziert den aktuellen Norton Cybercrime Report, weil es seine Botschaft unterstreicht: Der mittlerweile zur Symantec Corporation zählende Spezialist für Security-Lösungen will die selbst erhobenen statistischen Werte so schnell wie möglich ändern. Es sei „nicht akzeptabel“, dass 65 Prozent der User weltweit bereits Opfer von Online-Kriminalität geworden seien, sich lediglich 9 Prozent im Internet sicher fühlten und nur 3 Prozent frei von Angst vor Angriffen im World Wide Web unterwegs seien.

„Wir alle sollten das Internet ohne Angst genießen können“, proklamiert Adam Palmer, Cybercrime-Experte bei Norton. „Online-Kriminalität ist real und sie bereitet erhebliche Probleme – darüber muss sich jeder im Klaren sein.“

Cybercrime koste Zeit und Geld, warnt Norton. Und die Zeche hätten alle zu zahlen. Denn letztlich würden beispielsweise Banken den durch Online-Angriffe entstandenen finanziellen Schaden an ihre Kunden weitergeben. Im aktuellen Report ermittelte der Anbieter, wie viel es im Durchschnitt kostet, um einen Vorfall zu lösen: 334 US-Dollar sind es im weltweiten Mittel, knapp 138 Dollar (112 Euro) in Deutschland – ein im globalen Vergleich annehmbarer Wert.

Die Klärung von Online-Angriffen dauert weltweit im Schnitt 28 Tage, in Deutschland 58 Tage. 31 Prozent der Fälle weltweit bleiben ungeklärt, in der Bundesrepublik 27 Prozent. Spanien schneidet hier mit 14 Prozent am besten, Japan mit 60 Prozent am schlechtesten ab.

Der zeitliche Aufwand, der mit Online-Attacken einhergeht, ärgert die User am allermeisten. Außerdem fühlen sich Opfer von Angriffen ziemlich schlecht – genervt, wütend und betrogen eben. Zu einem unwiderruflichen Datenverlust führt laut Studie jeder fünfte Angriff.

Deutsche flunkern im Internet mehr als andere

Die Cybercrime-Hotspots sind laut Norton China, Brasilien, Indien und die USA, wo zwischen 73 und 83 Prozent der Nutzer bereits Opfer von Angriffen wurden. Deutschland liegt mit 62 Prozent hier etwas unter dem weltweiten Durchschnitt.

Mehr als die Hälfte der Vorfälle weltweit sind der Verbreitung von Viren und Schadcodes geschuldet (Deutschland: 47 Prozent). Bei einem Zehntel handelt es sich um Online-Betrug (Deutschland: 12 Prozent), es folgen Phishing mit 9 Prozent sowie Hacking von Profilen in sozialen Netzwerken und Kreditkartenbetrug mit jeweils 7 Prozent.

In weit stärkerem Maße als bei anderen Arten von Kriminalität suchen die Opfer die Schuld bei sich selbst. 78 Prozent glauben, für Phishing-Angriffe selbst verantwortlich zu sein. Bei den Opfern von Online-Betrug und Malware sind es 77 und 73 Prozent.

Allerdings tragen die User selbst ihr Scherflein dazu bei, dass es in der virtuellen Welt nicht unbedingt ehrlich zugeht – in Deutschland übrigens mehr als anderswo. 51 Prozent sagen hierzulande, sie hätten schon einmal selbst falsche Angaben im Internet gemacht (weltweit: 45 Prozent). Sogar 53 Prozent benutzten bereits eine gefakte Identität (weltweit: 33 Prozent). Jeder vierte Nutzer empfindet dabei Skrupel.

Das Herunterladen von Musik und Filmen halten um die 15 Prozent weltweit für ein Kavaliersdelikt. 30 Prozent glauben, das Nutzen und Bearbeiten von Bildern anderer User sei legal. 24 Prozent sagen, das heimliche Lesen von E-Mails anderer Nutzer sei in Ordnung.

Zweifel an staatlichen Institutionen

Den Selbstschutz der Nutzer hält Norton für unzureichend, obwohl die User sich jede Menge Regeln selbst auferlegt haben. Weltweit drei Viertel der Befragten achten darauf, Passwörter niemals an Dritte weiterzugeben. Jeweils um die 70 Prozent versuchen, persönliche Angaben nicht unnötig preiszugeben, keine Links und Anhänge unbekannter Herkunft anzuklicken, bei verdächtig attraktiven Angeboten vorsichtig zu sein und ihre Bankdaten gezielt zu schützen. Andere Maßnahmen seien hingegen kein wirklicher Schutz, warnt Norton. Wer sich beispielsweise auf die Sicherheit von Webseiten bekannter Markenanbieter, auf Empfehlungen von Freunden oder das „s“ hinter dem „http“-Kürzel verlasse, sei keineswegs vor Angriffen sicher. Rund ein Viertel der Nutzer geht genau davon aus.

Weitere Fahrlässigkeiten vieler Nutzer laut Studie: 83 Prozent nutzen für Online-Käufe keine separate E-Mail-Adresse, 69 Prozent machen keine regelmäßig Sicherungskopie ihrer Daten, 62 Prozent schludern bei ihren Passwörtern und 60 Prozent nutzen kein Tool zur Sicherheitsbewertung von Webseiten im Browser.

In Deutschland besonders ausgeprägt sind ein erschütterter Glaube an Polizei und Justiz sowie ein gewisser Fatalismus. 88 Prozent denken, dass Online-Betrüger nicht zur Rechenschaft gezogen werden. 47 Prozent meinen, dass ein einmal beschädigter Ruf im Internet nicht mehr revidiert werden kann.

Der „Norton Cybercrime Report: Faktor Mensch“ kann auf der Website des Anbieters kostenlos heruntergeladen werden. Norton befragte 7.000 Erwachsene aus 14 Ländern.