Kündigung wegen privater Internetnutzung im Büro

Private Chats im Büro: Wenn der Chef mitliest

14.09.2017
Über einen Messenger-Dienst beantwortete er Kundenanfragen, chattete aber auch mit der Verlobten. Der Arbeitgeber führte Protokoll und kündigte dem Mann. Ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre?
Chat: Was ist während der Arbeit erlaubt und was nicht? Von einem Beispiel aus dem echten Leben lesen Sie in diesem Artikel.
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Abends vorm Schlafengehen Büro-E-Mails checken, nachmittags zwischen zwei Terminen per Whatsapp den Feierabend organisieren. Das eine ist mittlerweile für viele so selbstverständlich wie das andere. Über welches WLAN die Kommunikation läuft? Das hängt am ehesten davon ab, wo man gerade ist. Abends ist es zu Hause die eigene Verbindung, tagsüber im Büro die des Arbeitgebers. Die Grenzen verschwimmen.

Vor zehn Jahren waren die Grenzen noch nicht ganz so fließend. Es war die Zeit der Klapphandys. Der Rumäne Bogdan Barbulescu machte schon damals keinen Unterschied. Über einen Messenger-Dienst, bei dem er sich auf Bitten seines Unternehmens angemeldet hatte, beantwortete er Anfragen von Kunden. Er unterhielt sich aber auch mit der Verlobten und dem Bruder über seine Gesundheit und sein Sexualleben. Für Barbulescu hatte diese verschwommene Grenze die Kündigung zur Folge.

8 Anzeichen für die Kündigung
Wer bietet mehr?
Wenn Sie Wind davon bekommen, dass Ihre Firma verkauft, integriert oder von einem Wettbewerber übernommen werden soll, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass Entlassungen anstehen. Das gilt insbesondere, wenn das Unternehmen, das ihre Firma kauft, eine ähnliche Struktur wie ihre bisherige aufweist oder es bereits bestehende Positionen im neuen Unternehmen gibt, die sich nach der Übernahme doppeln würden.
Ende im Gelände
Wenn Sie nach dem letzten Geschäftsjahr eher mediokere Leistungsbeurteilungen erhalten haben und sich diesbezüglich auch keinerlei Verbesserung Ihrer Situation abzeichnet, sollten die Alarmglocken schrillen, wie Andrew Ysasi betont: "Wenn Ihr Vorgesetzter Sie nach zusätzlichen Unterlagen über Projekte oder Initiativen fragt, die nicht besonders gut gelaufen sind oder zunehmend ihre Anwesenheits- und Arbeitszeiten dokumentiert, ist es wahrscheinlich, dass man bereits Vorkehrungen für den Fall Ihrer Entlassung trifft."
Weniger ist nicht immer mehr
Wenn Sie eine andere Tätigkeit mit geringerem Verdienst abgelehnt haben, Ihre Hauptverantwortlichkeiten sich aber dennoch geändert haben, Privilegien gestrichen und Urlaubsanträge abgelehnt werden, könnte es durchaus Zeit sein, den Lebenslauf zu updaten und sich nach einem neuen Job umzusehen. Ihr Unternehmen könnte sich nämlich tatsächlich in finanziellen Schwierigkeiten befinden.
Glückwunsch zur Beförderung. Nicht.
Wenn Sie urplötzlich mit einem tollen, neuen Jobtitel ausgestattet sind und mehr Verantwortung übernehmen sollen, das Ganze aber ohne Gehaltsanpassung von statten geht, sollten Sie vorsichtig sein, so Ysasi: "Das Unternehmen immer mehr mit immer weniger Einsatz erreichen wollen, ist bekannt. Manche Firmen ergehen sich allerdings darin, ihre Mitarbeiter (und deren Produktivität) so richtig auszupressen - obwohl Sie längst wissen, dass das Schiff sinkt."
Wohin?
Wenn Ihr Vorgesetzter von Bewerbungsgesprächen erzählt oder in aller Öffentlichkeit davon spricht, einen neuen Job zu suchen, dann...naja, dann ist es höchste Zeit dem neonfarbenen Exit-Schild zu folgen.
Kommen und Gehen
Haben Sie festgestellt, dass die Fluktuation in Ihrem Unternehmen, der eines städtischen U-Bahnhofs zur Rush Hour sehr nahe kommt? Dann könnte das ein Anzeichen dafür sein, dass Ihre Firma versagt. Langsam, aber sicher.
Wer ist DER denn?
Ihr neuer Chef natürlich! Wenn die Struktur des Managements geprägt ist von stetem Bäumchen-wechsel-dich-Schindluder, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass verschiedene Ansätze "durchprobiert" werden, um das Unternehmen irgendwie über Wasser zu halten. Klar, es besteht eine Chance, dass einer der Kandidaten auf dem heißen Stuhl die Zauberformel für Erfolg entdeckt, aber vielleicht sollten Sie dieses Risiko nicht eingehen. Wenn es nach Andrew Ysasi geht, sollten Sie sich stattdessen lieber nach einem neuen Job in einem stabileren Unternehmen umsehen.
Sie ziehen um?
Wenn Sie bereits seit mehreren Monaten von Büro zu Büro "geschoben" werden und das auch noch öfter der Fall ist, als bei allen anderen, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Denn beim nächsten Auszug könnte kein neues Büro, sondern ein One-Way-Ticket in Richtung Arbeitsagentur warten.

Wenn der Arbeitgeber mitprotokolliert

Der Rumäne versuchte zwar, die privaten Unterhaltungen abzustreiten. Aber sein Arbeitgeber hatte mitgeschrieben - 45 Seiten private Chats. Die interne Regel des Unternehmens war klar: "Es ist streng verboten (..) Computer (..) zu privaten Zwecken zu nutzen." Nicht so klar war und ist, ob der Mitarbeiter deshalb überwacht werden durfte.

Barbulescu klagte. Vor den nationalen Gerichten scheiterte er. Und auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieb er zunächst erfolglos. Zwar sei seine Privatsphäre von der Überwachung betroffen, entschieden die Straßburger Richter 2016. Es sei aber angemessen, wenn Arbeitgeber überprüfen wollen, ob ihre Mitarbeiter während der Arbeitszeit ihren beruflichen Pflichten nachkommen. Nun muss die Große Kammer entscheiden. (Beschwerde-Nr. 61496/08)

Arbeitsvertrag regelt private Internetnutzung

In Deutschland dürfen Arbeitgeber die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit verbieten, sagt Rechtsexpertin Marta Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Einzige Ausnahme: "Wenn man zu Hause Bescheid geben will, dass man aus dienstlichen Gründen später kommt. Aber das stammt noch aus einer Zeit, bevor es Handys gab."

Geregelt werden könne dies in einem Anhang zum Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. "In vielen Betrieben wird die private Internetnutzung über lange Zeit einfach geduldet", sagt Böning. "Das ist dann eine konkludente Erlaubnis." Ob ausdrücklich oder konkludent: "Es geht immer um eine geringfügige Nutzung, etwa während Pausen oder nach Feierabend", so die DGB-Expertin. Also kein stundenlanges privates Surfen während der Arbeitszeit.

Keylogger sind verboten

Um Mitarbeitern auf die Spur zu kommen, dürfen Unternehmen jedenfalls keine verdeckten Spähprogramme einsetzen. Keylogger, die alle Tastatureingaben heimlich protokollieren und Bildschirmfotos schießen, sind nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von Juli 2017 für eine Überwachung "ins Blaue hinein" unzulässig.

Die Verlaufsdaten eines Internetbrowsers dürfen dagegen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für Kontrollen und gegebenenfalls eine Kündigung verwendet werden. Höchstrichterlich wurde die Frage noch nicht entschieden. Gibt es einen Betriebsrat, habe dieser bei der Art und Weise der Kontrollen immer mitzubestimmen, sagt Böning.

Internetzugang ist ein Menschenrecht

Das erste Urteil des Menschenrechtsgerichtshof im Fall des Rumänen erging nicht einstimmig. "Arbeitnehmer geben ihr Recht auf Privatsphäre und Datenschutz nicht jeden Morgen an den Türen ihres Arbeitsplatzes ab", zitierte der spanische Richter in seinem abweichenden Votum ein EU-Beratungsgremium zum Datenschutz. Internetzugang sei ein Menschenrecht. Deshalb brauche es in Unternehmen transparente interne Regeln für die Internetnutzung, eine konsequente Umsetzung und eine angemessene Durchsetzungsstrategie. An all dem habe es in dem rumänischen Unternehmen völlig gefehlt.

Auch Rechtsexpertin Böning sagt: "Wenn es keine Regelung gibt, laufen beide Seiten Gefahr, dass es zu Missverständnissen kommt." (dpa/rs)

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