Projektmanagement

Projektleiter - Chefs ohne Macht

25.09.2014 von Michael Schweizer
Projektleitung ist eine Strapaze - und für IT-Experten eine große Karrierechance, sagt die Management-Trainerin Hedwig Kellner und gibt Tipps, wie Sie Projektteams richtig anleiten.

Frau Kellner, an einem Projektleiter zerren sein Vorgesetzter, seine Mitarbeiter und, wenn vorhanden, der externe Kunde, und alle in eine andere Richtung. Warum sollte man sich diese Position antun?

Hedwig Kellner: Weil sie für Informatiker die große Karrierechance ist. Firmen wollen nicht mehr ungeprüft den besten Entwickler zum Chef der Entwicklung machen, wo er dann vielleicht als Chef versagt und als Entwickler nicht mehr zur Verfügung steht. Sondern sie wollen testen, wie er Projekte leitet. Wenn er das schafft, eignet er sich auch für eine Linienfunktion.

Testen heißt hier ins kalte Wasser werfen?

Hedwig Kellner: Man kann es auch positiv sehen. Als Projektleiter lernt man die vier grundsätzlichen Führungsfunktionen. Erstens Delegieren. Zweitens Motivieren – wenn man selbst Spaß an der Arbeit hat, kann man daraus nicht schließen, dass andere ihn auch haben. Drittens Planen: Was schiefgehen kann, geht irgendwann schief, darauf muss man vorbereitet sein. Viertens Kontrolle: Das Auge des Bauern macht die Kühe fett. Sobald man Verantwortung für die Arbeit anderer hat, lernt man, sie zu kontrollieren.

Projektleiter haben normalerweise keine formelle Autorität. Deshalb müssen sie natürliche Autorität haben oder simulieren.
Foto: Antrey - Fotolia.com

Als Leiter ist man ja immer Einzelkämpfer.

Hedwig Kellner: Nein, um ein Projekt erfolgreich zu leiten, muss man sich im Unternehmen gut vernetzen. Man ist geradezu gezwungen, nützliche Kontakte zu knüpfen. Projektleiter sammeln Wissen für das nächste Gehaltsgespräch. Sie erfahren, wo sie sich intern bewerben können.

Was ist für einen Projektleiter das Schwierigste?

Hedwig Kellner: Projektleiter haben normalerweise keine formelle Autorität. Deshalb müssen sie natürliche Autorität haben oder simulieren.

Wie macht man das?

Hedwig Kellner: Beginnen wir mal damit, wie man es nicht machen sollte. Mit Projektleitungen werden oft junge Leute betraut. Die treten häufig zu kumpelhaft auf. Am Anfang hat man dann eine tolle Stimmung im Team. Aber wehe, man muss Druck machen oder unbeliebte Aufgaben verteilen.

Ein zweites Problem für Projektleiter kann sein, dass sie von etablierten Führungskräften, mit denen sie kooperieren müssen, nicht anerkannt werden. Da heißt es sinngemäß: Mit dir rede ich nicht, schick deinen Chef. Der Projektleiter muss hier klarmachen, dass er seine Position nicht aus eigener Anmaßung ausübt, sondern im Auftrag des Unternehmens.

Drittens sollte ein Projektleiter nie so dumm sein, bei Schwierigkeiten im Team seinen Chef um Hilfe zu bitten, denn der wird dann auch weiterhin in seine Arbeit hineinregieren. Entweder man erreicht das Ziel mit dem Team alleine oder eben nicht.

Können wir zur Positivliste übergehen?

Hedwig Kellner: Wichtig ist selbstbewusstes Auftreten. Ein Projektleiter sollte sich anhören, was alle zu sagen haben, und dann souverän entscheiden. Das signalisiert: Ich hab’s im Griff.

Macher-Typen sind nicht mehr gefragt
Der Projektmanager mit rein technischer Expertise ist out, findet Mary Gerush von Forrester Research. Sie beschreibt den Projektmanager der nächsten Generation als kommunikativ, kompetent und stark in Soft-Skills.
1. Emotionale Intelligenz
Das meint die Fähigkeit, Augen und Ohren offen zu halten, um den Input von Projektmitarbeitern und Kunden in Zusammenhang mit dem Ziel in die Arbeit einfließen zu lassen.
2. Anpassungsfähige Kommunikation
Die Fähigkeit, seine Ideen - mündlich oder schriftlich - einem weiten Kreis von Interessenten zu vermitteln, egal, aus welcher Abteilung, aus welchem Kulturkreis und mit welcher Vorbildung sie stammen.
3. Fähigkeit, mit Leuten umzugehen
Die Begabung, schnell positive Beziehungen zu Team-Mitgliedern und Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen.
4. Fähigkeit zu managen
Das Können, in einem Team zu arbeiten, es zu motivieren, auf das Ziel zu fokussieren und die Zusammenarbeit im Team zu fördern.
5. Flexibilität
Der Wille und die Fähigkeit, seinen Denkansatz zu überarbeiten, wenn es der Projektgegenstand und das Business verlangen
6. Business-Kenntnisse
Wissen über das Business des Kunden und seine Branche. Die Fertigkeit, seine Strategie zu verstehen und seine Projektarbeit an dieser Strategie auszurichten.
7. Analyse-Fähigkeit
Die Eignung, Probleme analysieren zu können und seine Entscheidungen aufgrund solcher Analysen zu treffen.
8. Blick für den Kunden
Das Vermögen, Kunden- und Anwenderbedürfnisse zu verstehen und den Drang, diese Kundenbedürfnisse im Projekt auch befriedigen zu wollen.
9. Ausrichtung am Ergebnis
Die Fähigkeit, das Projekt effizient und wirksam abzuschließen.
10. Charakter
Der Projektmanager der Zukunft sollte eine ansprechende Persönlichkeit sowie starke Wertvorstellungen und einen moralisch einwandfreien Charakter besitzen.

Das kann man aber auch übertreiben.

Hedwig Kellner: Ja, wenn man es falsch macht. Ein Projektleiter muss allen sympathisch sein. Er muss immer freundlich und höflich sein und Zeit für einen Plausch haben. Ich habe noch keinen Stinkstiefel oder Autisten als erfolgreichen Projektleiter erlebt.

Klingt alles zusammen sehr schwierig.

Hedwig Kellner: Man muss es eben lernen. Das wäre der nächste Tipp für angehende Projektleiter: Kauf dir ein gutes Führungshandbuch oder besuche ein gutes Seminar. Delegieren, Motivieren, Planen und Kontrollieren sind nicht selbsterklärend, sondern man muss bestimmte Methoden sauber beherrschen. Führungskräfte müssen gut in Führung sein, nicht unbedingt auch fachlich. Das ist für IT-Leute und Ingenieure, die sich gerne übers Fachliche definieren, schwierig.

Was sollte ein Projektleiter tun, bevor das Projekt beginnt?

Hedwig Kellner: Er sollte sich möglichst lange vorher bei allen Beteiligten persönlich plaudernd bekannt machen. Und er sollte akzeptieren, dass Meetings wichtig sind. IT-Leute finden Meetings doof, aber sie sollten versuchen hineinzukommen. Meetings sind das Palaver der Fellpflege. Vor allem der Smalltalk in den Pausen ist das Geheimnis des Erfolgs. Auf keinen Fall sollte man in den Pausen mit dem Smartphone in einer Ecke verschwinden.

Die wichtigsten Small-Talk-Regeln
Das Geheimnis des Small Talk
Wir verraten Ihnen die wichtigsten Regeln für einen erfolgreichen Small Talk, damit sie mühelos kommunizieren.
Nur Mut!
Small Talk findet in der Regel nur unter Fremden statt. Aber auch wenn Sie Angst davor haben: ein bißchen Plaudern ist viel leichter als Sie denken!
Der erste Eindruck
Stellen Sie sich sympathisch dar, der erste Eindruck zählt. Aber sehen Sie Small Talk auch als Aufwärmphase. Gerade bei Geschäftspartnern aus anderen Kulturen kommt es nicht gut an, wenn Sie gleich mit der Tür ins Haus fallen.
Nehmen Sie sich selbst zurück
Damit geben Sie Ihrem Gegenüber Raum zum Reden und Sie erhalten oft wertvolle erste Informationen.
Finden Sie Gemeinsamkeiten
Das geht am besten, indem Sie offene Fragen stellen, mit denen Sie Interesse am Gegenüber bekunden.
Potenzielle Themen
Falls Sie sich schwertun, passende Fragen zu finden, beziehen Sie sich einfach auf das Umfeld oder den Anlass der Begegnung. "Wie haben Sie von dieser Veranstaltung gehört?" oder "Über welchen Kontakt sind Sie heute hier?" können der Auftakt zu einem netten Small Talk sein.
Achtung, Tabu-Zone!
Gefährlich wird es bei Gesprächsthemen, die polarisierend wirken wie z.B. Politik oder Religion. Falls Ihr Gegenüber da eine andere Meinung haben sollte als Sie, sind Sie schnell in die Falle getappt. Und hüten Sie sich vor negativen Themen wie verspätete Flüge! Gemeinsam jammern verbindet in den seltensten Fällen.
Halten Sie keine Monologe!
Die Wirkung auf Ihre Zuhörer dürfte absehbar sein.
Hören Sie aktiv und aufmerksam zu.
Ein gelegentliches Nicken oder "ja, ja" zeigt wenig Interesse und Wertschätzung. Hören Sie statt dessen wirklich zu und greifen Sie Informationen erinnernd wieder auf, die Ihr Gesprächspartner erwähnt hat: "Sie sagten vorhin, dass Sie..."
Halten Sie Blickkontakt.
Gerade auf einer größeren Veranstaltung ist die Versuchung groß, die Blicke schweifen zu lassen, um möglichst wenig zu verpassen. Das ist unhöflich gegenüber Ihrem aktuellen Gesprächspartner! Halten Sie deshalb Blickkontakt.
Viele Gesprächspartner
Das Wort 'SMALL Talk' beschreibt es perfekt: Auf größeren Veranstaltungen geht es um kurze Gespräche, um ein erstes Kennenlernen. Nutzen Sie die Möglichkeiten, indem Sie mit vielen verschiedenen Menschen in's Gespräch kommen.
Beenden Sie das Gespräch positiv.
Wie schon gesagt, verbinden negative Themen nur selten und hinterlassen oft einen faden Beigeschmack. Setzen Sie stattdessen einen positiven Schlußpunkt. "Unser Gespräch hat mir viel Spaß gemacht, ich hoffe, wir können es später fortsetzen." kann ein schöner Abschluss sein, wenn Sie es ehrlich meinen.
Small Talk ist zum Netzwerken da.
Beobachten macht Spaß, aber nutzen Sie auch die Chance, Beziehungen zu knüpfen, indem Sie sich aktiv auf die Suche nach neuen Gesprächspartnern machen. Halten Sie deshalb Ausschau nach Gruppen, die offen beieinander stehen oder Menschen, die Ihnen einen längeren Blickkontakt gewähren.
Vorbereitung ist nützlich
Gespräche kommen oft leichter zustande, wenn Sie sich im Vorfeld ein bißchen über Ihren Gastgeber/Ihre Kunden informiert haben.

Offenbar gerät man als Projektleiter bereits mit der Sphäre in Berührung, wo Politik oft mehr zählt als Ergebnisse.

Hedwig Kellner: Umso wichtiger ist es, mit dem oder den Vorgesetzten zu einer klaren Kompetenzabgrenzung zu kommen. Das betrifft zum Beispiel das Budget: Wie weit darf der Projektleiter es eigenständig überziehen, ab wo braucht er eine Genehmigung? Es betrifft die Position gegenüber dem Team: Darf der Projektleiter eingreifen, wenn Mitarbeiter zur Mittagspause außer Haus verschwinden? Der Projektleiter muss sich im Vorfeld absichern: Er darf nicht zulassen, dass man ihm unbrauchbare Leute ins Team setzt oder gute abzieht. Oder dass ihm ein Mitarbeiter auf der Nase herumtanzt und er sich nicht wehren kann, weil er keine disziplinarischen Mittel hat.

Nicht alles, was ein Projektleiter als richtig erkennt, wird er im wirklichen Unternehmensleben auch praktizieren können.

Hedwig Kellner: Es gibt aber auch einfache Selbsthilfen, für die man von niemandem abhängig ist. Ein Tipp lautet: Auch wenn du kreatives Chaos magst – achte auf einen ordentlichen Arbeitsplatz. Ein aufgeräumter Schreibtisch verbreitet die nonverbale Botschaft, dass du einen guten Plan hast und ihm folgen kannst.

Haben Sie noch so einen unkomplizierten Tipp?

Hedwig Kellner: Achte auf dein Äußeres. Kleide dich so, wie es auf der nächsthöheren Führungsebene üblich ist. Normalerweise also nicht wie ein Künstler oder Clochard. Aber auch dunkle Anzüge und Kostüme empfehlen sich nur, wenn dein unmittelbarer Vorgesetzter und seine Peers sie nicht als übertrieben empfinden. Ziehe dich so an wie da, wo du nach der nächsten Beförderung sein willst.

Stilvolle Business-Kleidung für den Mann
Stilvolle Business-Kleidung
... ist eine hohe Kunst. Lesen Sie unsere Anregungen, um die größten Fettnäpfchen zu vermeiden.
Das Sakko
Daran erkennen Sie die Qualität: Ein teureres Sakko hat an den Ärmeln vier statt drei Knöpfe.
Hemdsärmelig?
Der Ärmel des Sakkos ist eineinhalb Zentimeter kürzer als der Hemdsärmel und reicht bis zum Knochen des Handgelenks.
Seriös wirken
Der korrekte Anzug für den Job hat einen dunklen Farbton.
Das Detail macht den Unterschied
Ein Haifischkragen wirkt deutlich schicker als der gute alte Kentkragen.
Schlichtweg unmöglich ...
... sind Button-down-Hemden in der Führungsetage oder bei Geschäftsveranstaltungen.
Details, Teil 2
Eine Krawatte ist ein Statement. Binden Sie diese deshalb ordentlich, wobei der oberste Hemdknopf geschlossen wird.
Kariert oder gestreift?
Wenn Sie gemusterte Hemden bevorzugen, entscheiden Sie sich für ein unauffälliges Design oder klassische Streifen bei der Krawatte.
Von Kopf bis Fuß
Nichts ruiniert Ihr Outfit schneller, als ein stilloser oder vernachlässigter Schuh. Mit den Klassikern (Oxfords und Brogues) liegen Sie immer richtig.
Farbkombis
Zu schwarzen Anzügen trägt man weder braune Gürtel noch braune Schuhe. Zumindest nicht als Deutscher. Italiener kriegen auch diese Kombi chic hin.
Weniger ist mehr.
Zu einem Nadelstreifenanzug wählen Sie immer ein einfarbiges Hemd.
Noch ein No-Go ...
... sind nackte Männerwaden! Das geht nur beim Sport! Achten Sie darauf, dass die Socken auch beim Beinüberschlag keine Haut zeigen. Auf Nummer Sicher gehen Sie dabei mit Kniestrümpfen.
Ein Mann ist ein Mann ...
... Schmuck ist deshalb im Business-Umfeld nach wie vor nicht akzeptiert. Hier sollten sich Herren auf maximal ein bis zwei Ringe und eine Armbanduhr beschränken.
Manchmal geht auch leger.
Bei Geschäftsessen oder zum Drink nach Feierabend darf die Krawatte auch mal fehlen.
Drauf reingefallen?
Business Casual als Dresscode suggeriert zwar einen Freizeit-Look, jedoch nur im angemessenen Rahmen: Jeans sind absolut tabu, ebenso wie Shorts oder offene Schuhe.
Für Fortgeschrittene
Business Casual, Teil 2: Stilvoll sind Polohemden, farbige Oberhemden und/oder feine Strickpullover in Kombination mit Baumwoll- oder Cordhosen.

Belastende Projekte

Die Psychologin Anja Gerlmaier und der Sozialwissenschaftler Erich Latniak vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen erforschen seit Jahren die "Projektifizierung" der IT-Arbeit. Typisch für IT-Projekte sind eher unstrukturierte, wenig routinisierte Aufgaben, die sich im Zuge der Bearbeitung und des Kundenkontakts immer wieder ändern. Projektteams arbeiten meist nicht ständig, sondern zeitweise und problembezogen zusammen. Die meisten Mitarbeiter sind in mehrere Projekte gleichzeitig eingebunden, auch Leiter sind nicht selten für mehrere Projekte auf einmal verantwortlich. Die Arbeit ist nicht (mehr) so organisiert, dass man sich auf eine Aufgabe konzentrieren kann, bis sie abgeschlossen ist.

Anja Gerlmaier vom Institut Arbeit und Qualifikation berät Unternehmen, wie sich der Druck in Projekten mildern lässt.
Foto: Privat

All dies kann belastend sein. IT-Experten, die vor allem in Projekten arbeiten, sind müder, nervöser, schlafen schlechter und haben mehr Magen-, Kopf- und Rückenschmerzen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Gerlmaier und Latniak beraten Unternehmen mit konkreten Vorschlägen, wie sich der Druck mildern lässt.

GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement

"Projektmanagement - Das Grundlagenseminar", "Wirkungsvoll führen - auch ohne Weisungsbefugnis", "Hätt ich bloß… Anregungen zum effektiveren Entscheiden im Projekt", "Strategien umsetzen mit Scrum und agilem Management" und "Frauen als erfolgreiche Projektmanagerinnen" - solche Seminare und Workshops veranstaltet die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement. Der in Nürnberg ansässige Verband will Projekt-Management durch Qualifizierung, Zertifizierung und wissenschaftliche Arbeit auf professionelle Grundlagen stellen.

Die GPM tritt mit ihren etwa 6000 Mitgliedern als deutsche Vertretung der International Project Management Association (IPMA) auf und vergibt die IPMA-Zertifikate Level D (Certified Project Management Associate) bis A (Certified Projects Director), außerdem eigene Zertifikate für Berater, Trainer und Qualifizierungscoachs. Die Mitglieder sind auch zu regionalen Stammtischen eingeladen. Mit dem "Deutschen Studienpreis Projektmanagement" prämiert die GPM jährlich bis zu drei Forschungsarbeiten aus dem Hochschulnachwuchs.