Adidas-Salomon

Raus mit den Spaghetti

02.12.2004 von Dunja Koelwel
Bis 2006 will Adidas seine IT von dezentralen und komplexen Lösungen auf eine zentral organisierte und straff strukturierte Landschaft umstellen. Group-CIO Gerben Otter erklärt, wie er die „Spagetti-Architektur“ bereinigt.

WER HERZOGENAURACH auf der Landkarte sucht, muss genau hinsehen, denn das kleine fränkische Städtchen ist nicht so leicht zu finden. Doch für viele Sportler rund um den Globus führt kein Weg an diesem unspektakulären Teil Bayerns vorbei: 50,9 Prozent der Goldmedaillengewinner in Athen 2004 waren mit Produkten des Unternehmens ausgestattet. Aber wie in fast allen Unternehmen mit einer längeren Geschichte – Adidas wurde bereits 1920 gegründet – hat sich im Lauf der Jahre auch ein wenig Sand ins Firmengetriebe verirrt.

Der Niederländer Gerben Otter, vor vier Jahren zum CIO von Adidas berufen, erklärt dazu: „Adidas hat immer wieder expandiert und neue Niederlassungen und Produktionsstätten in anderen Ländern gegründet. Die Folge war eine unkoordinierte, um den ganzen Erdball verteilte Spagetti- Architektur.“ Gemeinsame Standards waren kaum vorhanden, und die mit der Wartung befassten Mitarbeiter kämpften mit der Anforderung eines 24x7- Supports. Otter krempelte die gesamte Struktur um und fasste die angepeilte IT-Strategie mit dem Schlagwort IT-Konsolidierung zusammen. Diese soll auf zwei Säulen ruhen: der IT-Effizienz und der IT-Effektivität.

Do right things and things right

Ersteres bedeutet laut Otter „doing the things right“, also Standardisierungen wo immer möglich, die 80/20-Regel nutzen und bestehends Wissen und Investitionen besser umverteilen. IT-Effektivität dagegen meint „doing the right things“, also Kundenbedürfnisse besser verstehen und deren Anforderungen und Erwartungen optimiert auffangen, Projekte wie ein Portfolio verwalten und klare Prioritäten setzen, und nicht zuletzt einen klaren Geschäftsauftrag für jedes neue Projekt definieren.

Sowohl Effizienz als auch Effektivitiät prüft Otter mit dem IT Governance Center von Mercury. „Die Lösung ist komplett Web-basiert und damit wesentlich weniger komplex als die Lösungen der Konkurrenz.” Otter lobt ferner das Demand- und Portfolio-Management. Zudem hält er IT Governance, Application Management und Application Delivery für fundiert. Otter: „Sieht man sich den Markt genauer an, zeigt sich, dass nur sehr wenige Anbieter übrigbleiben. Niku beispielsweise besitzt zwar auch eine gute Lösung, doch für unsere Bedürfnisse passt Mercury besser.“ Konkret soll sich dies in einer optimierten Managebarkeit von Angebot und Nachfrage und der Implementierung von so genannten Best-Practice-Prozessen - nämlich ITIL für das Service Management und CMMi für das Projekt-Management und die Entwicklungsprozesse - äußern. Die Lösung setzt sich aus dem IT Governance Center und acht integrierten Applikationen zusammen. Im Center als zentralem Bestandteil der Lösung soll das Echtzeit-Cockpit, das Dashboard, Hilfe für informierte Entscheidungen und Kontrolle über strategische Projekte sowie alltäglich anfallende Aufgaben liefern.

Dieses Dashboard hat es CIO Otter besonders angetan, denn es bietet eine rollenspezifische und ausnahmeorientierte Transparenz von IT-Trends, Statusinformationen und Deliverables auf allen Geschäftsebenen. Im Gegensatz zu passiven Berichterstellungssystemen auf Grundlage manuell eingegebener Projektdaten und periodischen Uploads aus verschiedenen Point-Tools zeigt dieses Dashboard den gesamten IT-Status in Echtzeit an. Zeigen beispielsweise die an den Geschäftsregeln orientierten Indikatoren bei einem Projekt „grünes Licht“, so kann Otter sicher sein, dass alle im Unternehmen dafür erfassten Daten berücksichtigt wurden und nicht kollidieren.

Die integrierten Anwendungen setzen sich aus Change-, Demand-, Financial-, Portfolio-, Program-, Projekt-, Resource- und Time-Management zusammen. Jede dieser Applikationen besteht aus unterschiedlichen Ebenen und macht so etwa eine allgemeine Darstellung eines Projekts möglich, aber auch eine punktgenaue, die beispielsweise den Arbeitsbereich eines einzelnen Mitarbeiters beleuchtet.

Eine Lösung, die mit acht Basis- Applikationen auskommt – das schien Otter äußerst viel versprechend, denn bislang nutzte Adidas 164 unterschiedliche Anwendungen allein in Europa, weltweit waren es rund 800. Otter: „Unsere dezentrale Struktur hat zu unterschiedlichen Datensätzen geführt, die wiederum in den unterschiedlichsten Anwendungen laufen.“ Doch irgendwann, wenn es nach Otter geht, soll diese Unmenge auf lediglich je zwölf Anwendungen für Europa und je zwölf für die USA reduziert werden. Otter: „Asien tickt anders, hier haben wir uns noch nicht auf eine bestimmte App- Zahl festgelegt.“

Klare Strukturen für neue Ideen

Von diesen acht Applikationsmodulen sind Change-, Demand- und Time-Management in Herzogenaurach bereits implementiert. Gemäß den ITIL-Kriterien zeigen sich schon jetzt erste Verbesserungen. Otter: „Die Übersichtlichkeit hat deutlich gewonnen, mittlerweile laufen bei Adidas weltweit nur noch schätzungsweise 700 Applikationen.“ Positive Veränderungen zeigen sich aber auch im Change Management. Hatte bis vor wenigen Jahren ein Produktmanager noch den Eindruck, dass Kunden eine kleine Änderung im Portfolio wünschten, etwa andere Farbnuancen bei der Outdoor-Bekleidung, konnte er die Produktnummern eigenständig in den Orginaldaten abändern. Otter: „Allein das hätte nie erlaubt sein dürfen, denn wenn gleichzeitig das System gewartet wurde – was wegen unserer regelmäßigen IT-Wartungswochenenden relativ häufig vorkommt –, konnte diese Änderung zu einem kompletten Systemabsturz führen.“

Mittlerweile ist der Weg durch die Applikationen genau definiert: Hat ein Manager einen entsprechenden Verbesserungsvorschlag, gibt er diesen in den dafür vorgesehenen Bereich ein; anschließend evaluiert er in Zusammenarbeit mit dem System diese Idee und strukturiert sie weiter. Anhand von allgemeingültigen Regeln lässt sich dann entscheiden, ob es sich um eine sinnvolle Idee handelt. Ist sie das, dann wird daraus ein Vorschlag, dessen Weg zum Projekt und bis hin zum Ziel genau analysiert und verwaltet werden kann.

Gerben Otter ist federführend für die gesamte Umsetzung von IT Governance, unterstützt durch seine rechte Hand, den Norweger Stein Tumert. Dieser hat sich aus den rund 500 Mitarbeitern, die sich weltweit um die IT bei Adidas kümmern, etwa zwei Dutzend „Strategen“ ausgewählt, wobei jeder dieser Mitarbeiter einen bestimmten Bereich abdecken soll. Die Kosten des gesamten Projekts „IT Governance“ sollen sich laut Otter auf rund 500 000 Euro belaufen „hauptsächlich für Lizenzen und Implementierung“. Implementierung fasst Otter dabei etwas weiter; es bedeutet für ihn neben der Konfiguration und der Anpassung auch Schulungen und Mitarbeiterinformation.

Sechs Jahre für die komplette Umsetzung

In den nächsten Monaten hat Otter noch viel vor, denn dann sollen die weiteren Applikationen implementiert werden, nämlich Financial-, Resources- und Product- Management. Den Zeitplan hat der gemütlich wirkende CIO immer vor Augen. Otter. „Insgesamt haben wir für die komplette Umsetzung rund sechs Jahre eingeplant. Das hört sich lange an, ist aber bei so vielen Niederlassungen anders nicht zu machen.“ Die ersten zwei Jahre waren der Planung und Konzeptionierung vorbehalten. Danach fing die Pilotphase an, die aber relativ schnell, nämlich ab Dezember 2003, in echte Applikationen mündete. Bislang sind Change-, Demand- und Time-Management bereits eingeführt, wobei die beiden Ersteren für Otter im Dashboard bereits in allen Details einzusehen sind. Bis 2006 sollen dann die restlichen Module der IT Governance bei Adidas weltweit eingeführt sein.