Ciba-CIO Erwin Becher im Exklusiv-Interview

"SaaS für SAP-Anwendungen attraktiv"

10.07.2008 von Nicolas Zeitler
Erwin Becher würde gern beim Chemie-Unternehmen Ciba Software as a Service etablieren – auch wenn er mit Widerständen der Nutzer rechnet. Allerdings biete der Markt noch keine geeigneten Modelle an. Dabei sieht er gerade für Office-Produkte und SAP-Anwendungen SaaS als geeignetes Modell an. Becher berichtet auch von ITIL und CMMI und den emotionalen Problemen der Angestellten mit Netzwerkdruckern.

CIO: 2006 hat Ciba begonnen, Outsourcing strategisch anzugehen. Was verstehen Sie genau darunter?

Erwin Becher: Der Treiber dahinter ist eine veränderte Business-Strategie seit 2006, eine starke Fokussierung aufs Kerngeschäft. Für Non-Core-Aktivitäten sollten bessere Alternativen gefunden werden. Das betraf nicht nur die IT, sondern auch andere Services.

Wie sah ihre IT-Landschaft zu diesem Zeitpunkt aus?

Kosten einzusparen ist beim Chemiehersteller Ciba das zweitwichtigste Ziel des IT-Outsourcings. An erster Stelle steht für CIO Erwin Becher die Flexibilität.
Foto: Maisberger Whiteoaks

In unserer IT-Landschaft gab es schon damals kaum noch Insellösungen. Wir waren in hohem Maße zentralisiert und standardisiert, in der Infrastruktur weltweit schon zu 100 Prozent.

Marktforscher betonen immer wieder, dass der CIO beim Outsourcing nicht nur mögliche Kosteneinsparungen im Blick haben sollte. Welche Rolle spielt dieses Ziel bei Ihnen? Welche anderen Ziele verfolgt Ciba dabei?

Höchste Priorität hat die Flexibilität. Das hängt mit unseren Business-Zielen zusammen. Flexibilität bedeutet, dass wir zum Beispiel künftig Standorte in einer Region verkleinern oder schließen, und neue in anderen Regionen aufbauen wollen. Wir brauchen Dienstleister, die bei einem solchen, größeren Umbau der Firma helfen können.

Mittels Outsourcing Geld zu sparen, steht auf Rang zwei. Ohne Business Case starten wir kein Outsourcing-Projekt. Wir wollen natürlich nicht mehr für einen Service zahlen als vorher - die so genannten T-Costs für den Übergang mit eingerechnet.

Wie definieren Sie Ihr Verhältnis zu Outsourcing-Dienstleistern?

Man muss sehr starkes Vertrauen in den Service-Provider haben. Alle Provider, die für uns arbeiten, bieten nicht einfach nur eine Dienstleistung, sondern treiben auch Innovationen mit an. Wir benutzen allerdings bewusst nicht das Wort Outsourcing-"Partner". Denn das würde für mich heißen, dass man auch die Geschäftsrisiken gemeinsam trägt.

Laut einer Studie von Unisys spielt die Ausrichtung an ITIL als Best Practice in den IT-Abteilungen eine wichtige Rolle. Auf dem zweiten Platz rangiert das Wissensmanagement. Welche Rolle spielen diese Practices bei Ciba?

ITIL ist für uns ein Muss, genauso wie das Reifegradmodell CMMI. Wissensmanagement ist bei uns nicht so weit oben angesiedelt, da besteht bei uns kein großer Bedarf. Dagegen würden wir zum Beispiel in manchen Bereichen gerne auf Software as a Service setzen. Entsprechende Lösungen haben wir allerdings noch nicht im Einsatz. Der größte Bedarf bestünde bei den Office-Produkten. Mit SaaS ließen sich hohe Kosten für Installationen und Upgrades einsparen. Allerdings ist der Anbietermarkt noch sehr klein.

Auch für manche SAP-Anwendungen wäre SaaS attraktiv. Wir haben einige Nutzer, die einmal im Monat eine halbe Stunde mit einer SAP-Anwendung arbeiten - und dafür müssen wir die Lizenz zahlen.

Wenn Sie eine passende SaaS-Lösung gefunden hätten, könnten Sie die ohne weiteres einführen?

Von Seiten des Business gäbe es sicher keine Schwierigkeiten, möglicherweise aber bei den Anwendern. Bei manchen kommt dann das Gefühl auf, man nimmt ihnen etwas weg, wenn eine Software nicht mehr auf dem Computer installiert ist. Außerdem fühlen sich die Mitarbeiter kontrolliert, weil bei SaaS-Lösungen gemessen wird, wie oft sie genutzt werden.

Das ist ähnlich wie beim Print-Management - in keinem anderen Bereich hatten wir mit der Implementierung Schwierigkeiten, nur dort. Den Mitarbeitern persönliche Drucker wegzunehmen und auf Netzwerkdrucker umzusteigen - wir haben damals völlig unterschätzt, wie stark emotional besetzt dieses Thema ist.

Welche Entwicklungen werden die Ciba-IT in den nächsten Jahren prägen?

In zwei bis drei Jahren wollen wir uns gar nicht mehr direkt mit Firmen wie zum Beispiel IBM, HP oder Dell als Hardware-Lieferanten auseinandersetzen; das sollen dann nur noch die Service Provider machen.

Wir verhandeln dann nur noch auf der Ebene von Services, oder sogar noch weiter oben in der Wertschöpfungskette. Vorstellbar wäre es, die Kosten für eine Dienstleistung in Bezug zu setzen zu einer bestimmten Menge an hergestellten Chemikalien.

In der Luftfahrt gibt es schon ähnliche Modelle. Dort werden Service Provider zum Teil nach der Zahl der ausgestellten Tickets bezahlt. Die Fluggesellschaft muss sich bei solchen Kostenmodellen überhaupt nicht mehr darum kümmern, wie viele Server oder PCs eingesetzt werden. In diesem Fall könnte man auch eher von einer Partnerschaft mit dem Dienstleister sprechen, weil Gewinn und Verlust deutlich zutage treten.

Auch Utility wird zweifellos ein Trend der nächsten Zeit sein, dass es irgendwann völlig egal ist, ob man Speicherkapazitäten in Europa oder Asien hat. Das kann überall auf der Welt verteilt sein.

Über Ciba

Das Chemie-Unternehmen Ciba mit Hauptsitz in Basel/Schweiz hat mehr als 13.000 Mitarbeiter in 120 Ländern. An 61 Produktionsstandorten stellt Ciba Kunststoffzusätze, Beschichtungen und Zusätze für Wasser und Papier her. Der Konzern produziert unter anderem die rote Wagenfarbe für Ferrari. 46 Prozent ihres Umsatzes von rund vier Milliarden Euro machte die Ciba im vergangenen Jahr in Europa.

Die Geschichte von Ciba begann 1884. 1970 schloss sich das Unternehmen mit dem Chemie-Hersteller J.R. Geigy zur Ciba-Geigy zusammen. Aus der Verschmelzung von Ciba-Geigy mit Sandoz entstand 1996 der Pharmahersteller Novartis. Aus diesem wurde 1997 die heutige Ciba AG als eigenständige Chemie-Sparte ausgegliedert.