Vom Platz- zum Kühlproblem

Sanofi-Aventis will Hälfte der Server virtualisieren

04.02.2009 von Christiane Pütter
Erst virtualisierte IT-Chefin Gabriele Welt ihre Server. Doch Virtualisierung ist kein Allheilmittel: Je leistungsfähiger ein Server, desto mehr Abwärme erzeuge er. "Vor ein paar Jahren hatten wir ein Platzproblem, jetzt haben wir ein Kühlungsproblem", stellt sie nüchtern fest. "Wer virtualisieren will, muss sich dieser Konsequenzen bewusst sein."
Gabriele Welt, CIO von Sanofi-Aventis Deutschland, baut auf Learning-by-Doing.

Zwischen Reagenzgläsern, Mikroskopen und Pipetten scheint die Zeit zu rasen. "Der Demand unserer internen Kunden ist hoch", sagt Gabriele Welt. "Wir brauchen schnell neue Systeme." Die 52-Jährige ist CIO bei Sanofi-Aventis. Das Pharmaunternehmen hat nach eigenen Angaben in medizinischen Kernbereichen wie Diabetes-, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen die Nase vorn. Sanofi-Aventis erforscht, entwickelt, produziert und vertreibt Arzneimittel. Innovation - das gilt offenbar auch für die IT.

Mit Virtualisierung hat Gabriele Welt schon 1999 angefangen. Dabei ging es zunächst um Desktops, wie die Entscheiderin berichtet. Heute liegt ihr Fokus auf Server-Virtualisierung. Damit startete sie 2001. Mittlerweile sind rund 30 Prozent der Windows-Server virtualisiert. Wenn alles nach Plan läuft, soll Ende kommenden Jahres die 50-Prozent-Marke fallen.

Für Gabriele Welt zählen nicht nur Argumente wie die effizientere Auslastung des Rechenzentrums und die Kosten, sondern vor allem ihr Rollenverständnis als CIO. "Die IT muss sich an den Bedürfnissen des Business ausrichten", sagt sie. Virtualisierung sei daher kein Selbstzweck. Dieser Schritt war bei Sanofi-Aventis immer an konkrete Projekte gebunden. Zuletzt stand zum Beispiel bei der Hardware ein Re-Design der gesamten SAP-Umgebung an. Das Unternehmen arbeitet mit SAP ERP 2004. "Wir migrieren pro System", erklärt die IT-Chefin.

Knackpunkte in der Frage, ob virtualisiert werden soll oder nicht, sind aus ihrer Erfahrung: Wie oft wird ein System gebraucht? Wie intensiv wird es genutzt? Matthias Quernheim, der die IT-Infrastruktur des Pharma-Unternehmens verantwortet, rät ab, mit Systemen zu beginnen, die hohe Anforderungen an die CPU-Auslastung stellen, und bei zentralisierten Servern, die hohe Volumina bereitstellen müssen. E-Mail-Systeme würde er etwa nicht als Erstes virtualisieren. Dagegen eignen sich Infrastruktur-Server gut. Einen guten Einstieg böten vereinzelte Server. Tipp von Gabriele Welt und Matthias Quernheim: nicht zu groß anfangen, erst einmal Erfahrungen sammeln.

Virtualisieren - und kühlen

Die Erfahrung der Sanofi-Aventis-CIO zeigt eines: Vor dem Hintergrund der allerorten geforderten Green IT ist Virtualisierung kein Allheilmittel. Denn: Je leistungsfähiger ein Server, desto mehr Abwärme erzeuge er. "Vor ein paar Jahren hatten wir ein Platzproblem, jetzt haben wir ein Kühlungsproblem", stellt Gabriele Welt nüchtern fest. "Wer virtualisieren will, muss sich dieser Konsequenzen bewusst sein", so die IT-Chefin.

Bei Sanofi-Aventis ist man daher auf der Suche nach alternativen Kühlmethoden. Ein Beispiel liefert das Rechenzentrum der Börse Stuttgart, das mit Außenluft klimatisiert wird. Es ist 350 Quadratmeter groß, zwei Drittel der Räume bieten rund 1.200 Servern in mehr als 20 Schränken Platz. Die Stuttgarter arbeiten mit Luft-Wasser-Wärmetauschern, nach ihrer Darstellung kühlt sich das Gebäude bei Außenlufttemperaturen unter zwölf Grad quasi selbst. Angeblich bringt das Einsparungen von 45.000 Euro pro Jahr. "Das halte ich auch für realistisch", sagt Matthias Quernheim. Sanofi-Aventis denkt in die gleiche Richtung.

Trotzdem will Gabriele Welt das Thema Green IT nicht vom Tisch gewischt sehen. "Bisher ist es leider nur ein Schlagwort", sagt sie. "Sinnvoller wäre eine Best-Practices-Sammlung, denn wir können uns Energiefragen nicht verschließen."

Im Vordergrund steht für Sanofi-Aventis aber die Chance, die IT durch Virtualisierung schneller und kostengünstiger machen zu können. Es sei kein Problem gewesen, die Zustimmung des Managements zu bekommen, berichtet Gabriele Welt. So mancher Anwendungsverantwortliche dagegen habe erst einmal davon überzeugt werden müssen, dass ein virtueller Server genauso viel kann wie ein physischer. Da fiel schon einmal der Spruch: "Aber meine Applikation braucht meinen Server!" Was die End-User betrifft, so hat Welt die Virtualisierung intern nicht groß kommuniziert. "Für die Leute ändert sich ja nichts", sagt sie.

Wo ist meine Applikation?

Mittlerweile sind in Gabriele Welts Team zwei Mitarbeiter per Learning-by-Doing zu Virtualisierungs-Spezialisten herangereift. Die werden auch gebraucht, denn das Verfahren ist durchaus "komplex", wie es IT-Infrastrukturleiter Matthias Quernheim vorsichtig formuliert. So sei die Treiberunterstützung bei der Migration nicht einfach. Und einige Hersteller bockten beim Support. "Die sagen dann, sie unterstützen nur Hardware", seufzt Quernheim. So etwas leisten sich aber immer weniger Anbieter, wie Gabriele Welt beobachtet.

Kein Interesse für Hypes wie Cloud Computing

Die Sanofi-Aventis-CIO denkt in Sachen Virtualisierung schon weiter und hat erste Projekte zu Storage und Bereitstellung von Software auf den Weg gebracht. Für sie ist dieser Schritt nur logisch. Ihr Unternehmen ist innovativen Konzepten gegenüber aufgeschlossen, Team und Management haben mitgezogen. Das Wichtigste für Gabriele Welt ist und bleibt aber der konkrete Nutzen. Gegenüber dem neuen Zauberwort Cloud Computing zum Beispiel bleibt sie kühl. "Hypes interessieren mich nicht", sagt sie. "Eine neue Technologie muss ihren Wert immer an einem konkreten Projekt beweisen."