SAF-Kauf passt gut in SAP-Strategie

SAP muss Lücke bei Retail-Software schließen

22.07.2009 von Hartmut  Wiehr
SAP setzt die Einkaufstour fort und will nun die schweizer Software-Schmiede SAF erwerben. Sie ist spezialisiert auf Bestell- und Prognoselösungen für Handel, Logistik und Industrie.
Lynn Thorenz, Consultant bei PAC, sieht in dem geplanten Kauf von SAF einen notwendigen Schritt in der Expansionsstrategie von SAP.

SAPs freundliches Übernahme-Angebot stößt auf offene Ohren: Zwei der größten Aktionäre haben bereits zugesagt: Ihnen und den weiteren Anteilseignern winkt ein Zuschlag von 9,5 Prozent auf den aktuellen Aktienkurs von 10,50 Euro. Damit würde SAP insgesamt etwa 64 Millionen Euro bezahlen.

Nach einer am Sonntagabend veröffentlichten Ankündigung plant SAP den Erwerb aller Aktien der in der Schweiz ansässigen SAF Simulation, Analysis and Forecasting AG, die als einer der führenden Anbieter für automatische Prognose- und Bestellsysteme vor allem im Handel gilt. SAP will mit der geplanten Übernahme das "bestehende Lösungsspektrum für Planungs-, Prognose- und automatisierte Bestellprozesse für Handelsunternehmen weiter ausbauen und abrunden", wie es offiziell heißt. Auf deutsch: SAP muss eine Lücke im eigenen Portfolio schließen, um mehr Marktanteile in der Retail-Branche zu gewinnen.

SAF-Tools werden bisher von großen Retail-Ketten eingesetzt. Sie kombinieren insbesondere die Datenauswertung auf der Einkaufsseite mit den zu erwartenden Verkäufen. Der Ansatz wird auch als Demand Chain Management (DCM) bezeichnet, der die Lieferseite – Supply Chain Management (SCM) – mit der Kundenseite – Customer Relation Management (CRM) – zusammenführen will.

Um die Prozesskette vom Kunden und dessen Kaufverhalten her zu steuern und zu optimieren, hat SAF Bestell- und Prognose-Software hauptsächlich für den Handel entwickelt: Die drei Kernprodukte oder „SAF-Engines" sind Superstore, Superwarehouse und Superforecast.

Lynn Thorenz, Senior Consultant bei Pierre Audoin Consultants (PAC), sieht die Besonderheit der SAF-Produkte in deren wissenschaftlich-statistischer Absicherung, die sie von anderen Anbietern unterscheide: "SAF-Software setzt auf die weitgehende Automatisierung bei der Bestelloptimierung. Durch spezielle, wissenschaftlich und statistisch begründete Prognoseverfahren können Anwender zugleich ihren Warenbestand der Nachfrage entsprechend reduzieren und Out-of-Stock-Situationen vermeiden. Gerade große Retail-Unternehmen sparen so kontinuierlich Kosten und erzielen einen schnellen Return on Investment (RoI)." Da der Warenbestand gebundenes Kapital repräsentiert, muss jeder Retailer auf einen möglichst schnellen Abbau erpicht sein. Out-of-Stock zu sein, verprellt auf der anderen Seite die Kunden, die bestimmte Waren erwerben wollten.

SAP setzt auf OEM-Basis bereits seit 2002 SAF-Software in dem Modul SAP Forecasting & Replenishment ein. Offenbar hat man aber noch mehr vor: Der volle Zugriff auf die Ressourcen von SAF verschafft dem Software-Giganten aus Deutschland auch eine Exklusivität beziehungsweise verhindert den Zugriff von Konkurrenten. Gerade in Zeiten allgemein stagnierender Umsätze und verschärfter Konkurrenz zwischen den Großen der IT-Branche schlägt sich darüber hinaus jeder Zukauf – so hofft man zumindest – irgendwann positiv in der Bilanz nieder.

SAP-Strategie im Retail-Bereich ist richtig

Thorenz von PAC sieht in der geplanten Akquise von SAF ebenfalls einen weiteren Konsolidierungsschritt, der gut in die allgemeine Landschaft passe. Wichtiger ist ihr aber die Betonung der besonderen Art und Weise, wie SAP die eigene Expansion vorantreibt: "Der angekündigte Kauf von SAF passt gut in die SAP-Strategie, sich durch die Übernahme von spezialisierten Software-Häusern in neue Marktbereiche auszudehnen. Mit den als innovativ und zukunftssicher geltenden Lösungen von SAF könnte sich SAP besser in der Retail-Branche verankern, in der man einen Nachholbedarf hat, da hier Standard-Software noch nicht so verbreitet ist."

Für SAF dürfte sich die Exit-Strategie auszahlen. Das 1996 gegründete schweizer Start-up war 2006 an die Börse gegangen und hatte sich damit das Kapital für eine internationale Ausdehnung und den Ausbau des technologischen Ansatzes beschafft. Das Unternehmen beschäftigt etwa 100 Mitarbeiter und hat mittlerweile nach eigenen Angaben weltweit 74 Handelsunternehmen als Kunden, in Deutschland gehören Metro und dm-drogerie markt dazu. Neben dem Direktgeschäft verdient man Geld mit der Vergabe von Lizenzen. Zuletzt wurde ein jährlicher Umsatz von 13,4 Millionen Euro ausgewiesen.