Das Release-Trauma überwinden

SAP-Patches: Den Kern einfach erweitern

21.08.2007 von Andreas Schaffry
SAP liefert seit einiger Zeit Weiterentwicklungen für seine ERP-Software über Enhancement Packages aus. Auf diese Weise wollen die Walldorfer Upgrades vereinfachen und standardisieren, Anwender können neue Funktionalitäten einfach zuschalten. Darüber hinaus soll mit den Erweiterungspaketen der Kern der ERP-Software langfristig stabil bleiben. Das Prinzip der Enhancement Packages hat SAP auch auf seine Mittelstandsprodukte übertragen. Mit "A1S" sollen Updates sogar noch einfacher werden, denn das Produkt wird ausschließlich als Hosting-Lösung angeboten.
Anwender können Enhancement Packages nach Bedarf freischalten, Support Packages sind weiter obligatorisch.

Drehen wir die Uhr ein paar Jahre zurück. Zu Zeiten von SAP R/3 waren Upgrade-Projekte für SAP-Anwender stets mit einem großen Aufwand verbunden, denn die Unternehmen mussten alle Änderungen sowie Neuerungen erfassen und dann das komplette System testen.

Release-Strategie im Wandel

Seit 2006 fährt SAP - nicht zuletzt auf Druck der in der DSAG organisierten SAP-Anwender - eine neue Release-Strategie. Ursprünglich wollte der Konzern für den 2004 auf den Markt gebrachten R/3-Nachfolger mySAP ERP alle zwölf bis 18 Monate eine neue Version herausbringen. Schon beim Nachfolge-Release mySAP ERP 2005 (jetzt SAP ERP 6.0) änderte SAP dann den Produkt-Fahrplan.

Die Kern-Module, von SAP als "ERP Central Component" (ECC) bezeichnet, sollten bis zum Jahr 2010 stabil bleiben. Und auf der diesjährigen Kundenkonferenz Sapphire in Wien kündigte Léo Apotheker, stellvertretender Vorstandssprecher der SAP, die Verlängerung der Standardwartung für SAP ERP in der Version 6.0 bis 2013 an. Die erweiterte Wartung soll dann bis 2016 laufen.

Dass SAP spätestens mit der Version 2005 seiner ERP-Software auch die bisherige Update-Strategie vereinfachen und (endlich) standardisieren musste, lag auf der Hand. Neue Funktionen sollten nicht mehr wie bisher als Upgrades ausgeliefert werden, sondern über die so genannten Erweiterungspakete (Enhancement Packages).

Ziel war und ist, Bestandskunden von der bestehenden R/3-Technologie auf die neue ERP-Plattform zu ziehen, um sukzessive in die Welt Service-orientierter Architekturen, sprich die Middleware-Plattform Netweaver, hineinzuwachsen.

Paketweise neue Funktionen

Mit den Erweiterungspaketen können SAP-Anwender neue Funktionen künftig nach Bedarf einspielen und aktivieren. Dazu nutzen Anwender das Switch Framework, eine Technik, mit der der Konzern Branchen-spezifische Funktionen separat vom ERP-System auslieferte.

Die Erweiterungspakete erhalten zudem eine Beschreibung der Änderungen und Templates, mit denen Kunden einzelne Bereiche wie das Finanz- oder Personalwesen gezielt testen können. Sämtliche Änderungen und neuen Funktionen lassen sich damit vorab durchspielen - ohne dass sie aktiviert werden müssen. Nach wie vor obligatorisch sind weiterhin die so genannten Support-Pakete, mit denen SAP-Anwender ihre ERP-Anwendung an geänderte gesetzliche und steuerliche Anforderungen anpassen.

Gebündelte Services

Die Walldorfer planen, neue Enhancement Packages etwa alle sechs Monate auszuliefern. Das erste Paket erhielten Kunden im Dezember 2006. Es umfasst unter anderem funktionale Erweiterungen für das Personalwesen, etwa zur Überwachung von Service Level Agreements (SLAs) sowie das Rechnungswesen, wo Reporting und Analyse von Gutschriften und Inkasso verbessert wurden. Für Händler hat SAP die POS- und Preis-Optimierungs-Technik der im Jahr 2005 zugekauften Firmen Triversity und Khimetrics integriert, Fertiger erhalten Abwicklungssysteme, Arbeitsanweisungen und Qualitäts-Management.

Hinzu kommen Web Services, in der SAP Nomenklatur Enterprise Services, für die Bereiche Vertrieb und Service sowie Produkt-Entwicklung und Produktion. Neue Services bündelt der Software-Hersteller im Rahmen der Enhancement Packages zusammen mit ihrer technischen und betriebswirtschaftlichen Dokumentationen zu so genannten Bundles. SAP-Kunden erhalten über ein interaktives Wiki-Format Zugriff auf diese Dokumentationen und tauschen hier auch ihre Erfahrungen aus.

Das zweite Erweiterungspaket liefert neue Funktionen für Finanz- und Personalwesen ebenso wie branchenspezifische Erweiterungen.

Mithilfe der Services sollen Kunden neue und service-basierte Anwendungen aufbauen können, um spezifische Prozesse wie die Bestellabwicklung oder die Erschließung neuer Vertriebswege effizienter zu gestalten.

Effizienteres Kredit- und Inkasso-Management

Das jetzt ausgelieferte zweite Erweiterungspaket enthält unter anderem Neuerungen für das Finanz- und Personalwesen. Die neuen Funktionen sollen unter anderem im Bereich Finanzwesen Auswertungen, das Kredit und Inkasso-Management sowie Klärungsfallbearbeitung effizienter machen. Für das Personalwesen bietet der Software-Hersteller die "Enterprise Learning"-Umgebung an. Er übernimmt dazu Funktionen für virtuelle Klassenräume aus der E-Learning-Software von Adobe in die eigene E-Learning-Lösung. Vertriebsmitarbeitern soll es mit flexibleren Rollen im SAP-System künftig leichter fallen, auf benötigte Kunden- und Auftrags-Informationen zuzugreifen.

Weitere neue Funktionen betreffen die Bereiche Reise-Management, Gebäudeverwaltung sowie die Instandhaltungsplanung. Von den zusätzlichen Branchen-spezifischen Neuerungen sollen der Handel, Telekommunikationsunternehmen, Energie-Versorger und Medien-Firmen profitieren. Hinzu kommen vereinfachte Funktionen für Order-to-Cash-Prozesse, die den Zugriff auf Verkaufs- und Auftrags-Informationen der Kunden und damit Abrechnungs- und Zahlungs-Prozesse verbessern sollen.

Jedes neu ausgelieferte SAP Enhancement Package für SAP ERP enthält auch die zuvor bereitgestellten Erweiterungen, die Packages sind also kumulativ. Lässt ein Anwender beispielsweise Funktionen aus Paket 1 aus, kann er diese mit dem zweiten Erweiterungspaket einspielen. Das soll dazu beitragen, Release-Zyklen und -planungen zu synchronisieren.

Erweiterungen auch für den Mittelstand

Das Prinzip der Erweiterungspakete wendet SAP auch bei seinen Mittelstandslösungen, All-in-One und Business One, an. Auch hier sollen neue Funktionen mehrmals jährlich als optionale Erweiterungspakete zur Verfügung gestellt werden. Da die All-in-One-Pakete auf der ERP-Plattform basieren, ist der Schritt in diesem Bereich nur logisch.

Anders hingegen sieht es bei Business One aus. Laut SAP gibt es mehr als 350 von SAP-Partnern entwickelte Zusatzlösungen, die spezifische Branchenanforderungen abdecken und in die kleine ERP-Lösung eingebunden werden können. SAP verspricht, dass die Erweiterungspakete für Business One kompatibel mit den Zusatzlösungen der Partner sein sollen. Die Pakete für die kleine ERP-Lösung sollen unter anderem Funktionserweiterungen sowie branchenspezifische Ergänzungen enthalten, darüber hinaus Best-Practice-Werkzeuge, um Implementierungen zu vereinfachen, sowie Wartungs-Updates für Software-Fixes oder Sicherheits-Aspekte.

Einfacher mit On-Demand

Und dann gibt es ja noch ein neues Mittelstandsprodukt, das SAP Anfang 2008 auf den Markt bringen will. Derzeit existiert es nur unter dem Codenamen "A1S". Die Lösung basiert auf der Plattform Netweaver und wird von SAP als gehostetes Betriebs-Modell (On-Demand-Lösung) angeboten.

Die Markteinführung ist nach Darstellung von SAP-Chef Henning Kagermann in vier Phasen von der Freigabe für frühe Kunden bis zum Aufbau des Volumen-Geschäfts eingeteilt. Ein wesentlicher Vorteil der service-basierten Lösung sollen schnellere Updates sein. Der interne Aufwand beim Kunden soll gegen Null tendieren und den bisherigen Release-Traumata ein Ende setzen. Schön wäre es ja.