Agiles Arbeiten erleben

Scrum in zwei Tagen

18.11.2016 von Alexandra Mesmer
Projekte nach der Scrum-Methode zu organisieren heißt gut zu planen, sich gegenseitig zu helfen und den Kunden früh auch über Fehler zu informieren. Das und vieles andere erlebten Teilnehmer eines Scrum-Workshops in Karlsruhe.

Eine naturbelassene Landschaft mit ­Wäldern, Wiesen, Bergen, Flüssen und freilaufenden Schweinen und Schafen. Hier will der Investor Ultimative Green Car eine Fabrik bauen, die nachhaltige Autos produziert und Mitarbeitern wie Anwohnern Raum für Freizeitaktivitäten bietet. Mit der Vorgabe starteten zwölf Teilnehmer in einen außergewöhnlichen Workshop, der Scrumundagile Projektarbeit nicht nur vermitteln, sondern erlebbar machen sollte.

Agiles Projekt-Management erlebten die Teilnehmer des Workshops "Scrum in Two Days" bei der Karls­ruher Diva-e Netpioneer GmbH. Das Besondere: Die Teilnehmer müssen Aufgaben im Open-World-Spiel Minecraft erledigen und organisieren sich dabei nach der Scrum-Methode.
Foto: diva-e

Minecraft als Parabel auf Projektalltag

Die Trainer Björn Stieler und Björn Radon, die für den Karlsruher IT-Dienstleister Diva-e Netpioneer seit Jahren als Scrum Coach und Scrum Master unterwegs sind, hielten sich nicht mit langen theoretischen Einlassungen unterfüttert mit Powerpoint-Folien auf, sondern wählten einen Gamification-Ansatz: Die Teilnehmer mussten im Open-World-Spiel Minecraft obige Vorgabe des Investors Stück für Stück umsetzen - und zwar nach den Spielregeln von Scrum.

Hört sich nicht kompliziert an, entpuppte sich aber schnell als wahre Herausforderung, zumal nur wenige Teilnehmer Erfahrung mit dem Computerspiel hatten. In Minecraft muss man zuerst Werkzeuge wie eine Axt oder eine Schaufel aus den Materialien, die die Natur bietet, herstellen, um dann Bäume abholzen oder Steine abbauen zu können.

Schon während des ersten Sprints wurde klar, wie gut sich das Computerspiel, das Abermillionen Jugendliche weltweit in Bann zieht, mit dem Projektalltag vergleichen lässt. Vor allem in komplexen Projekten mit vielen Beteiligten fällt es dem Einzelnen oft schwer, den Überblick zu behalten. Arbeitet das Projektteam nicht Hand in Hand und hilft sich gegenseitig, etwa indem erfahrene Spieler ihr Wissen an ­Einsteiger weitergeben, ist das Scheitern programmiert. Ein Experte kann auch in der Realität kein Projekt allein stemmen, ein Team ist immer so stark wie sein schwächstes Glied.

"Eines der Prinzipien von Scrum ist ein crossfunktionales Team, das aus Product Owner, ­Scrum Master und einem Entwicklungsteam besteht, in dem vom Designer über den Entwick­ler und Tester bis zum Business Analyst alle vertreten sind, die für die Entwicklung eines Produkts nötig sind", erläutert Björn Radon, der seit vier Jahren als Scrum Coach arbeitet und seit Kurzem einer von 20 zertifizierten Scrum-Trainern in Deutschland ist. Weltweit gibt es etwa 250 zertifizierte Scrum-Trainer. In der ­Realität freilich bestehen Scrum-Teams oft nur aus Softwareentwicklern, was aber einem der Grundprinzipien des Agilen Manifests widerspricht: dass Entwickler und Fachexperten während des Projekt täglich zusammenarbeiten.

Wie zentral die Rolle des Teams in der agilen Projektarbeit ist, wird den Workshop-Teilnehmern auch im Minecraft-Spiel schnell klar: In jedem Sprint, der im Workshop wie auch in der Realität zeitlich genau begrenzt ist, müssen verschiedene Aufgaben erledigt werden. Ob der Bau der Zufahrt zur Fabrik oder die neue Empfangshalle, auch in Minecraft sind solche Aufgaben nur zu bewältigen, wenn sich das Team selbst zu organisieren weiß: Es gilt, die Aufgaben auf die verschiedenen Köpfe zu verteilen, sich während des Sprints ständig ab­zustimmen und auf Probleme hinzuweisen - im Projektalltag geschieht das meist im sogenannten Daily Standup. Ganz wichtig ist auch, den Product Owner, der die Interessen des Investors beziehungsweise Kunden vertritt, rechtzeitig einzubeziehen und ihm nicht erst am Ende ­eines Sprints Bescheid zu geben, dass man eine Aufgabe nicht oder nur teilweise geschafft hat.

Scrum in zwei Tagen
Scrum in Two Days
Agiles Projekt-Management erlebten die Teilnehmer des Workshops bei der Karls­ruher Diva-e Netpioneer GmbH.
Minecraft als Parabel auf die Projektwelt
Das Besondere: Die Teilnehmer müssen Aufgaben im Open-World-Spiel Minecraft erledigen und organisieren sich dabei nach der Scrum-Methode.
Unser Ziel
Der Investor Ultimative Green Car will in einer unberührten Landschaft eine Fabrik bauen, die nachhaltige Autos produziert und Mitarbeitern wie Anwohnern Raum für Freizeitaktivitäten bietet.
Scrum-Coach Björn Radon ...
... brachte uns als Scrummaster die agilen Grundprinzipien nahe.
Zwei wichtige Scrum-Prinzipien
Crossfunktionales Team: In ihm sind nicht nur Entwickler, sondern auch Designer, Tester oder Business Analysten vertreten. Alle, die für die Entwicklung eines Produkts nötig sind. Timeboxing oder der Zeitplan ist heilig. Sind für einen Sprint 10 Tage eingeplant, darf er nur zehn Tage dauern.
Daily Stand up
Auch im Workshop-Format tauschten sich die Teilnehmer während eines Sprints im Stand up aus. Das half Probleme nicht nur zu erkennen, sondern auch eine Lösung dafür zu finden.
Wie lange dauert es, eine Empfangshalle zu bauen?
Nach dem ersten Sprint und einer gewissen Entwicklungs­erfahrung wissen die Teilnehmer, dass sie eine Stunde gebraucht haben, um ein Firmenschild mit grünem Logo auf weißem Grund zu bauen. Aufgrund dieser Erfahrung geben sie ihre Einschätzung ab, um wie viel aufwendiger es ist, die Empfangshalle zu bauen.
Zum Glück gibt es Schokolinsen ...
Die Schale leerte sich zusehends, als das Scrum-Team in einem Sprint nicht alle Aufgaben schaffte, da sich plötzlich die Rahmenbedingungen änderten. In der Minecraft-Welt waren es die Monster, die es zu bekämpfen galt.
Zusammen sind wir stärker
In komplexen Projekten fällt es dem Einzelnen oft schwer, den Überblick zu behalten. Arbeitet das Projektteam nicht Hand in Hand und hilft sich gegenseitig, etwa indem erfahrene Spieler ihr Wissen an ­Einsteiger weitergeben, ist das Scheitern programmiert.

Scrum-Prinzip: Das Wesentliche im Blick

Aber genau das passiert oft in der Realität, weiß Björn Stieler, der in agilen Projekten oft die Rolle des Product Owners übernimmt, die Verbindung zum Auftraggeber hält, gleichzeitig aber auch als Puffer zwischen Kunde und Entwicklungsteam agiert. "Eines der wesentlichen Scrum-Prinzipien ist der Fokus, das Wesentliche immer im Blick zu halten", erläutert Stieler. ­

So muss zum einen der zeitliche Rahmen eingehalten werden, der die Dauer der einzelnen agilen Abschnitte wie Planning, Sprint, Stand-up, Review oder Retrospektive genau definiert. Zum anderen "hängt der Mehrwert eines jeden Projekts an Nutzen und Kosten", so Stieler weiter. "Darum empfiehlt es sich, erst die Aufgaben zu erledigen, die wenig kosten und viel bringen." Das setzt aber voraus, dass das gesamte Team die einzelnen Aufgaben bewertet und den Entwicklungsaufwand einschätzt - nicht in konkreten Zeiten, sondern im Verhältnis.

Nach dem ersten Sprint und einer gewissen Entwicklungs­erfahrung wissen die Teilnehmer, dass sie eine Stunde gebraucht haben, um ein Firmenschild mit grünem Logo auf weißem Grund zu bauen. Aufgrund dieser Erfahrung geben sie ihre Einschätzung ab, um wie viel aufwendiger es ist, etwa die Empfangshalle oder einen Parkplatz zu bauen. Am Ende der Schätzungsrunde hängen 30 Klebezettel mit diversen Aufgaben schön geordnet an der Wand, unter ,eins' alle leichten Aufgaben, unter ,unendlich', die Items, die nicht zu erfüllen sind. In der Minecraft-Welt ist das etwa der Bau eines Hubschraubers. Mit diesem Wissen kann das Team leichter ent­scheiden, wie viele dieser Aufgaben es in einem Sprint nimmt.

Tatsächlich geht die Lern- und Leistungskurve im Scrum-Workshop nach der Einordnung und Priorisierung der Aufgaben steil nach oben, bis die Nacht einbricht und plötzlich Spinnen und andere Monster normales Arbeiten unmöglich machen. Vermeintlich einfache Aufgaben können im Sprint nicht mehr geschafft werden, weil alle nur noch damit beschäftigt sind, gegen Monster zu kämpfen und die dringend benötigte Nahrung für die virtuellen Akteure zu organisieren. Der steigende Frustpegel lässt sich gut an der Schale mit den bunten Schokolinsen ablesen, die zunehmend leerer wird.

Eine Situation, die die Scrum-Coaches Radon und Stieler oft in der Praxis vorfinden, "etwa wenn sich die Rahmenbedingungen komplett ändern, ein System ausfällt oder jemand länger erkrankt. Die natürliche Reaktion eines Teams ist es dann, zu sagen, wir schaffen das trotzdem irgendwie." Oft unterbleibt die Rücksprache mit dem Product Owner, man macht im ineffizienten Modus einfach weiter und bemerkt dann erst zu spät, dass der ursprüngliche Projektplan nicht mehr einzuhalten ist.

Retrospektive: Kritik im geschützten Raum

Hier kommen zwei weitere Scrum-Prinzipien ins Spiel. Bei "Inspect and Adapt" fragt sich das Team: Wo wollen wir hin? Was müssen wir anpassen? Fragen, die man sich in jedem Meeting stellen sollte. Schließlich sollte "Transparenz" über allem Tun stehen. Das bedeutet, Fehler und Versäumnisse zuzugeben, zuallererst in einem geschützten Raum des Teams. Scrum kennt dafür das Format der Retrospektive, in dem Scrum Master und Team über die Sachebene hinaus die Methoden ihrer Arbeit hinterfragen.

Muss die Stimmung des Teams gehoben werden, wählt Björn Radon gerne eine Art "Kuschelretro". Die Teilnehmer stellen sich nach einem Sprint gegenseitig drei Fragen: Worauf warst du stolz? Worauf noch? Was hast du getan, das anderen geholfen hat? In Karlsruhe haben diese Fragen geholfen, Strategien gegen die Monster zu entwickeln und die restlichen Aufgaben mit Bravour zu erfüllen.

Scrum-Workshop in München

Am 19. und 20. Januar veranstalten die COMPUTERWOCHE und Diva-e "Scrum in Two Days" in München.

Björn Radon ist einer von 20 zertifizierten Scrum-Trainern in Deutschland. Auch weltweit verfügen nur 250 Scrum-Profis über dieses Zertifikat. Er wird zusammen mit Björn Stieler den Scrum-Workshop in München leiten.
Foto: Mesmer

Der Workshop richtet sich an

Mit dem Open-World-Spiel Minecraft sollen Erfahrungen in agilem Arbeiten und Projekt-Management vermittelt werden. Die Teilnehmer erleben den Unterschied zwischen klassischer und agiler Arbeitsweise. Vorkenntnisse in Minecraft oder Softwarentwicklung sind nicht ­nötig - die Bereitschaft, sich auf das Spiel einzulassen, schon.

Informieren und anmelden kann man sich bei Ulrike Zschiegner oder auf der Infoseite zum Workshop.