Gedankenspiele

Sechs Zukunftstrends für Smartphones

18.12.2009 von Thomas Pelkmann und Matt Hamblen (Computerworld)
Viele Analysten und Anwender streiten darüber, ob Smartphones künftig sogar Notebooks und PCs ersetzen können. Die Einschätzungen pendeln zwischen den Polen "nur Ersatzgerät" und "Ersatz für alle Geräte".
Smartphones wie das HTC Touch 2 werden in den kommenden Jahren den Mobilfunkmarkt immer mehr beherrschen, schätzen die Analysten.
Foto: HTC

Schaut man sich die positiven Umsatzkurven bei Smartphones an, ist es ein Kinderspiel, den mobilen Endgeräten auch für 2010 ein opulentes Wachstumspotenzial zu bescheinigen. Aber die nackten Zahlen, so Matt Hamblen in einem Beitrag für die CIO-Schwesterpublikation Computerworld, sind nur ein Teil der Wahrheit.

Tatsächlich hängt der Erfolg sehr viel mehr vom persönlichen Nutzen für die Anwender ab, meint Hamblen. Er zitiert zum Beispiel den Arzt John Davis, der das Droid-Smartphone von Motorola benutzt. Davis lobt die Ähnlichkeit mit dem iPhone von Apple, das aber in den USA wie in Deutschland nur exklusiv über einen einzigen Mobilfunkanbieter verkauft wird.

Zufrieden ist John Davis vor allem mit der Funktionalität: Er kann mit seinem mobilen Endgerät im Internet surfen, E-Mails austauschen und über GPS navigieren. "Ich hoffe", so Davis, "dass das Ding demnächst mein einziger Computer sein wird".

Es sei möglich, so Matt Hamblen, dass Smartphones wie das Droid eines Tages Desktop-Computer, Laptops und andere Mobiltelefone ablösten. Ob das wirklich eintrifft, weiß auch der Computerworld-Autor nicht. Aber es gibt vieles, was dafür spricht, wie der Blick in die Vorhersagen verrät.

Smartphone-Anteil wächst stark an

1. Smartphones werden 2010 einen größeren Anteil am Mobilfunk-Markt erreichen.

Von den mehr als 1,2 Milliarden Mobiltelefonen, die 2009 aller Voraussicht nach verkauft worden sind, gehören rund 190 Millionen in die Kategorie Smartphones. Für 2010 erwartet zum Beispiel Frost & Sullivan eine Verkaufszahl von 1,3 Milliarden Stück und einen Anteil der Smartphones daran von 250 Millionen. Das entspricht einem Wachstum von 16 auf 19 Prozent.

Gerry Purdy, Analyst bei Frost & Sullivan, lehnt sich noch weiter aus dem Fenster: In fünf Jahren, so seine Vorhersage zumindest für die USA, seien alle verkauften Mobiltelefone Smartphones.

2. In den USA wird AT&T den Exklusivvertrag für den Vertrieb des iPhone verlieren

Die Anzeichen mehren sich, dass der Exklusivvertrag zwischen dem US-amerikanischen Mobilfunkanbieter AT &T und Apple über den Vertrieb des iPhones auf Dauer keinen Bestand haben wird. Ein Indikator dafür, so die Analysten, seien weltweite Gespräche Apples auch mit anderen Betreibern. Manche, wenn auch nicht alle Analysten betonen zudem, dass der Deal auch wirtschaftlich für Apple keinen Sinn macht. Ob sich Apple auch in Deutschland dieser Sinnfrage bei seinem Exklusivpartner T-Mobile stellt, ist allerdings nicht bekannt.

3. Android wird als Betriebssystem für Smartphones durchstarten

Gemeinsam mit 33 weiteren Anbietern hatte Google im Jahr 2007 angekündigt, ein Betriebssystem für mobile Endgeräte zu entwickeln. Android ist seit Oktober 2009 in der Version 2.0 verfügbar und zu einem guten Teil quelloffen und frei erhältlich.

Dass Android im kommenden Jahr seinen Durchbruch erleben werde, sei relativ sicher, schreibt Matt Hamblen: Verschiedene Mobiltelefonhersteller hätten angekündigt, 2010 Android-basierte Geräte auf den Markt zu bringen. Damit würde sich die Zahl verfügbarer Smartphones auf 36 erhöhen, rechnet Gerry Purdy von Frost & Sullivan vor. Zudem, so andere Analysten, würden sich auch die Verkaufszahlen derart ausgestatteter Endgeräte sehr positiv entwickeln.

Im Jahr 2009 seien rund 3,7 Millionen Smartphones mit Android ausgerüstet worden, schätzen die Marktforscher. Sie halten es für möglich, dass sich diese Zahl im Jahr 2010 auf 8,2 Millionen mehr als verdoppelt.

Android könnte Betriebssystem-Markt für Smartphones beherrschen

Bis 2014, schätzt Frost & Sullivan, könnte Android den Markt der Betriebssysteme für mobile Endgeräte komplett beherrschen und im Gesamtmarkt mit einer Zahl von 65 Millionen verkaufter Einheiten schon auf Platz drei aller mobilen Betriebssysteme landen. Vor Android könnten sich nur Symbian OS, das in Nokia-Geräten verwendet wird, und das Blackberry-Betriebssystem Research in Motion (RIM) platzieren. Noch optimistischer sind die Marktforscher von Gartner. Die sehen Android bereits 2012 und noch vor RIM auf Platz zwei.

Profitieren werde Android vor allem davon, dass es sich um ein weitgehend freies Betriebssystem handelt. Viele Entwickler würden dadurch ermuntert, Geräte auf Android-Basis zu bauen, meint Gartner. Das erlaube zum Beispiel die Konstruktion unterschiedlicher Mobiltelefone für Business- und Privatanwender. Gerade im Consumer-Markt sei es zudem denkbar, Geräte speziell für soziale Netzwerke oder Musikkonsumenten zu bauen.

4. Anbieter mobiler Applikationen werden sich rasant vermehren

Apple mit seinen mehr als 100.000 Apps fürs iPhone hat es vorgemacht, andere werden folgen. Mehr als zwei Milliarden Downloads aus den App-Stores sprechen für den großen Erfolg dieses neuen Vertriebskanals für mobile Anwendungen. Wer hier wachsende Umsätze vorhersage, so Matt Hamblen, sei auf der absolut sicheren Seite.

Der Erfolg werde mit Sicherheit bei anderen Herstellern und Mobilfunknetzbetreibern Nachahmer auf den Plan rufen, so die Analysten. Die Herausforderung für App-Stores sei es, es den Kunden zu erleichtern, aus dem Meer von Anwendungen die richtigen zu finden. Zudem ginge es darum, Entwickler mit angemessenen Honoraren dazu zu bringen, für unterschiedliche Geräte zu programmieren.

5. Standortbezogene Dienste erreichen Smartphones

Schon lange warten Anwender von mobilen Endgeräten auf so genannte standortbezogene Dienste (Location Based Services), 2010 sollen sie nach übereinstimmender Meinung der Analysten endlich vermehrt kommen. Solche Dienste bieten auf den individuellen Standort des Nutzers bezogene Angebote, etwa Sehenswürdigkeiten in der Nähe oder Freunde und Verwandte in fußläufiger Entfernung.

Auch für Business-Anwender wird es solche standortbezogenen Dienste geben, zum Beispiel, um Lieferanten besser steuern oder Mitarbeiter optimal anleiten zu können.

Standortbezogene Werbung wird zunehmen

Einer der größten Wachstumsfaktoren aber werde die Möglichkeit sein, Werbung direkt mit Standortfaktoren zu verknüpfen. Wer beispielsweise italienisch essen möchte, erhält nicht nur einfach eine Straßenkarte mit Pins, sondern gezielte Werbung über die passenden Lokale.

Indikator für den kommenden Boom solcher Anwendungen ist einmal mehr Google. Der Suchmaschinenbetreiber hat kürzlich die Firma AdMob übernommen, ein Unternehmen, das auf solche Art gezielter Werbung spezialisiert ist.

6. Die Typenvielfalt an mobilen Endgeräten wird wachsen

Die Analysten sind sich einig darüber, dass die Vielfalt an Endgeräten im kommenden Jahr zunehmen wird. Besonders bei elektronischen Lesegeräten ("E-Reader") erwartet beispielsweise Gerry Purdy von Frost & Sullivan eine große Bandbreite an Geräten. Zudem setzen die Analysten auf den angekündigten Tablet-PC von Apple, der vieles kann, unter anderem auch E-Books lesen und als Mediaplayer dienen.

So werden, da sind sich alle Analysten einig, Smartphones auch im kommenden Jahr zu den spannendsten Computer- und Kommunikationsgeräten gehören. Allerdings, so schränkt Analyst Purdy ein, werden die mobilen Endgeräte nach wie vor vor allem als Ergänzung zu anderen digitalen Geräten eingesetzt. So hätten Notebooks weiterhin Vorteile beim Bearbeiten von Dokumenten und E-Mails, weil der Monitor größer und die Tastatur ergonomischer ist.

Smartphones ergänzen Notebooks und Desktop-PCs, ersetzen sie aber nicht

Das wird über die kommenden Jahre zu einer eher friedlichen Koexistenz solcher Gerätschaften führen. Anders als seine Analystenkollegen meint Gerry Purdy gar, dass die Bildschirme der mobilen Geräte niemals groß und klar genug sein werden, um stundenlang Bücher mit ihnen lesen oder Filme gucken zu können. Da andere Geräte in diesen Dingen dauerhaft besser sein werden, könnten die mobilen Endgeräte diese niemals ganz ersetzen, sondern allenfalls sinnvoll ergänzen.

Oder, um die Hoffnung des erwähnten John Davis zu trüben: Sein Android-Handy taugt auf absehbare Zeit nicht als vollständiger Ersatz für all’ seine anderen Computer. Aber er wird, und das ist ja auch eine gute Nachricht, die Anzahl der benötigten Geräte drastisch verringern.