Chancen und Risiken richtig einschätzen

So vermeiden Sie Enttäuschungen beim Job-Wechsel

19.05.2008 von Klaus Werle
Gehalt und Prestige sind wechselwilligen Führungskräften oft wichtiger als die Frage, ob sie wirklich in das neue Unternehmen passen. Das rächt sich. Wir sagen Ihnen, wie Sie erkennen, ob der neue Job zu Ihnen passt.

Wenn er beim Klassentreffen von seinem Job erzählt, das wünschte sich Falk Homberg (33, Name von der Redaktion geändert) schon lange, sollen die Zuhörer denken: "Wow, nicht schlecht." So schien ein Traum in Erfüllung zu gehen, als er im vergangenen Frühjahr das Angebot bekam, als Manager zu einer internationalen Beratungsgesellschaft zu wechseln. "Im Kopf hatte ich das Bild von Consultants als Überfliegern: hoch komplexe Projekte, hohes Prestige, intellektuell anspruchsvoll."

Die Realität, musste Homberg nach kurzer Zeit feststellen, ist deutlich trister. "Man entwickelt austauschbare Beratungsprodukte und verkauft sie dem Kunden; es fehlt der Tiefgang." Oft ist wochenlang kaum etwas zu tun, und wenn doch, "habe ich selten das Gefühl, etwas zu bewegen. Zu viel Koordination und Geschwafel, zu wenig Handfestes." Auch das hohe Gehalt kann Hombergs Frust kaum kompensieren.

Umso ärgerlicher, dass der Jung-Manager vorher durchaus Zweifel hatte, ob dieser Job der richtige für ihn ist. "Aber das öffentliche Image vom Berater als Highflyer hat alles überstrahlt."

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Wer sich ein Auto oder auch nur eine Waschmaschine kauft, weiß meist exakt, was er will, und wühlt wochenlang in Produktbeschreibungen und Preisvergleichen. Geht es aber um den eigenen Job, "wird viel zu oft aus dem Bauch heraus entschieden", sagt Roman Sauermann von der Personalberatung Civitas International. "Die wenigsten Manager planen ihre Karriere strategisch. Gehalt und Firmenprestige spielen eine viel wichtigere Rolle als die Frage: Passe ich überhaupt in das Unternehmen?"

Schon Berufseinsteiger und Young Professionals wie Homberg wählen in Umfragen regelmäßig Firmen mit coolen Produkten und schickem Image zu den beliebtesten Arbeitgebern. Motto: BMW baut schöne Autos, also ist es auch toll, dort zu arbeiten. Aber auch gestandene Manager entscheiden oft "mit sehr eingeschränktem Kriterienkatalog. Es fehlt eine kulturelle Due Diligence", sagt der Augsburger Top-Management-Coach Eberhard Hauser.

Die Folge ist eine Zahl, die Personalberater wohl nur unter Folter offiziell bestätigen würden, obwohl sie seit Längerem in der Branche kursiert: 40 Prozent der Manager, die von außen in ein Unternehmen kommen, sind nach spätestens 18 Monaten wieder weg.

Die wenigsten, weil sie fachlich inkompetent wären - die meisten gehen, weil sie mit der Kultur des Unternehmens nicht harmonieren oder der Job nicht zu ihnen passt. Wie kann das passieren, trotz Headhunter, Assessment-Center und zahllosen Vorstellungsgesprächen? Lassen sich solche Fehleinschätzungen vermeiden? Wie finde ich heraus, ob ein Job, eine Firmenkultur zu mir passt?

"Firmenkultur wird zu häufig unterschätzt"

Rüdiger Günther (49), Ex-Finanzvorstand bei Infineon, lernte es auf die harte Tour. Der ehemalige Chef des Landmaschinenherstellers Claas war bei Infineon angetreten, "um mehr Transparenz zu schaffen und das Risiko Management neu auszurichten". Schnell merkte er, "dass Veränderung theoretisch erwünscht war, praktisch aber verhindert wurde". Seine mit viel Verve und wenig Diplomatie gestarteten Versuche, die Ressorts enger zu verzahnen, mehr Kundenorientierung durchzusetzen, scheiterten. Bald wurde ihm bedeutet, "mein Tempo und meine Offenheit könnten zu Konflikten führen".

Nach vier Monaten war Schluss. Ruppiges Auftreten, zu wenig Branchenkenntnis, hieß es bei Infineon. Er habe zu viele unbequeme Fragen nach Altlasten gestellt, betonten seine Vertrauten. Klar ist: Günthers forsch-dynamischer Führungsstil, mit dem er bei Claas Erfolge gefeiert hatte, wurde in dem ebenso angeschlagenen wie auf Ruhe bedachten Chip-Konzern zum Problem.

Auch Ex-Real-Chef Andreas Riedel (49), von der Telekom zur Metro-Tochter übergelaufen, wurde nicht recht warm mit der neuen Unternehmenskultur, wie es aus Metro-Kreisen heißt: Nach neun Monaten kam die Trennung. Noch schneller bedauerte Ex-Joop-Geschäftsführer Heinz Hackl (42) den Wechsel zu Karstadt als Einkaufschef: Keine zwei Monate blieb er im Amt.

"Die Bedeutung der Firmenkultur zu unterschätzen ist ein grober, aber häufiger Fehler. Kleine Dinge addieren sich, bis es zu spät ist", sagt Wolfgang Walter, Partner der Personalberatung Heidrick & Struggles. Studien zeigen, dass die Kultur prägender ist als alle anderen beruflichen Faktoren: Der Führungsstil eines deutschen Unilever-Marketing-Chefs ist danach dem eines Controllers seiner Firma ähnlicher als dem des Marketingchefs von Procter & Gamble.

Jobbeschreibungen: Missverständnisse sind vorprogrammiert

Beim Wechsel zwischen den Kulturen gilt: Der Einäugige ist nicht König unter den Blinden. Sondern diese erklären ihm, dass Sehen doof ist. So können aus Stärken im Handumdrehen Schwächen werden. Was bei der Beratung Fokussierung war, wird im Konzern Blindheit; was anderswo als selbstständiges Arbeiten gelobt wird, heißt in der neuen Firma vielleicht Autismus.

So wird "Firmenkultur" zum Passepartout-Begriff für alle möglichen Gründe, warum Job-Wechsler trotz scheinbar perfekter Qualifikation scheitern, etwa:

Udo Lanz (Name von der Redaktion geändert) etwa war nach seinem Trainee-Programm bei einem Optikkonzern von einem Handelsunternehmen abgeworben worden, um dessen Internationalisierung voranzutreiben. Er bereitete Markteintritte für diverse Länder vor, sollte Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft in Südeuropa werden. Nur: Die Markteintritte wurden verschoben, die Gesellschaft wurde nie gegründet. "Es blieben nationale Projekte, die immer provinzieller wurden", klagt der 35-Jährige. Als er die internationalen Projekte einforderte, von denen in Vorgesprächen die Rede gewesen war, zeigte man ihm die kalte Schulter.

"Job-Beschreibungen, aber auch Vorstellungsgespräche sind oft vage und voller Floskeln wie 'dynamisches Umfeld'. Beide Seiten machen sich ihr eigenes Bild - Missverständnisse sind programmiert", sagt Stefan Wolf, Geschäftsführer der Wiesbadener Personalberatung TMP. Grund: Viele Bewerbungsverfahren sind dilettantisch konzipiert; oft kennt der Recruiter die Stelle nicht genau, der Chef braucht aber dringend Ersatz - da wird gern das unkomplizierte Klima betont, obwohl Abstimmungsorgien den Alltag bestimmen.

Die Headhunter wiederum, selten psychologisch geschult, achten häufig zu stark auf formale Qualifikationen. Und der Kandidat "ist zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu präsentieren, anstatt präzise nachzufragen", sagt Coach Hauser. Hinzu kommt häufig, gerade in höheren Rängen, eine gewisse Hybris gegenüber weichen Kulturthemen. Parole: Dieses zwischenmenschliche Gedöns, das pack' ich schon.

Geringere Wechselquote bei weiblichen Managern

Dabei erwarten viele Unternehmen sogar präzise Fragen zum künftigen Job und der Firmenkultur. "Wenn ein Kandidat nicht von sich aus fragt, überprüfen wir seine Wertvorstellungen anhand konkreter Situationen seiner Biografie", erklärt Gerhard Steiger, Personalleiter der Bosch-Gruppe. "Wir suchen nicht den idealen Kandidaten, sondern den idealen Kandidaten für Bosch."

Der Konzern rekrutiert neun von zehn Führungskräften aus den eigenen Reihen; umso penibler achtet die Firma bei den übrigen darauf, dass sie in die homogene, konsensorientierte Kultur passen. "Wir reden ganz konkret über Karrierewege und Berichtslinien", sagt Steiger. "Wenn das nicht offen diskutiert wird, führt es schnell zum Konflikt."

Das Problem ist: Wechselwillige Manager mögen oft gar nicht so genau nachfragen. "Viele wollen raus aus dem alten Job, haben aber nur vage Vorstellungen, welcher neue Job zu ihnen passt", sagt Heidrick-Experte Walter. Vor dem Wechsel steht daher das Erforschen der eigenen "beruflichen Identität: Dabei sollten nicht nur Fähigkeiten analysiert werden, sondern auch persönliche Werte und Wünsche: Brauche ich etwa den Konsens bei SAP, oder laufe ich in der toughen Oracle-Kultur erst zu großer Form auf?

Nach intensiver Recherche über die Zielfirma sind schließlich die Gespräche mit dem Personaler und dem künftigen Chef entscheidend. Es wäre fatal, diese Interviews nur als formalen Schlusspunkt zu betrachten.

Vielmehr kommt es darauf an, "aus der Bewerbungs- in eine echte Informationssituation zu kommen", so Coach Hauser: "Kandidaten sollten in verbindlicher Form Neugierde zeigen und bei unklaren Punkten auf Antworten beharren." Alles muss auf den Tisch: Bekomme ich die nötigen Ressourcen, um die Erwartungen zu erfüllen? Kann ich mein Team selbst zusammenstellen?

"Die eigene Vorstellung von der Firma darf Zweifel, die im Gespräch auftauchen, nicht überstrahlen", sagt Personalberater Sauermann. Zumal "in Einstellungsgesprächen nie die volle Wahrheit gesagt wird", wie TMP-Mann Stefan Wolf meint. Da heißt es "Wir suchen einen, der frischen Wind reinbringt" - aber wehe, er macht die Tür auf.

Besonders interessant ist jetzt das Unausgesprochene: Gibt es Floskeln statt klarer Karriereperspektiven? Betont der Chef die mitreißende Atmosphäre, während sein Kollege jeden Moment einzuschlafen droht? So hilfreich Rationalität bis hierher war, jetzt ist ein Gefühl für solche Brüche gefragt. Da können männliche Führungskräfte noch einiges lernen - und zwar von den Frauen: Die Wechselquote in den ersten 18 Monaten ist unter weiblichen Managern, die von außen in ein Unternehmen kommen, deutlich niedriger.