Virtualisierung läuft schleppend an

Speicher-Strategien der Top-Unternehmen

14.03.2007 von Reinhold Hölbling
Mit Storage-Insellösungen haben CIOs kaum Chancen, die immer dringlicheren Erfolgsfaktoren für Unternehmen zu erfüllen: IT-Kosten senken, Flexibilität und Servicequalität erhöhen. Doch nur die Hälfte der deutschen Top-100-Unternehmen sieht Bedarf bei der Virtualisierung.
Speichervirtualisierung wird für CIOs in großen Unternehmen ein immer wichtigeres Thema.
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Das Speichern von strategischen Daten wird mehr und mehr zu einer Mammutaufgabe: Analysten schätzen das jährliche Datenwachstum auf 40 bis 50 Prozent, Tendenz steigend. Um diese Datenschwemme in den Griff zu bekommen, geben 45 Prozent der CIOs der deutschen Top-100-Unternehmen zwischen drei und sieben Prozent ihres Etats für Speicherlösungen aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Krefelder Marktforschungsunternehmens MBmedien.

Speichervirtualisierung ist ein Thema, mit dem sich die CIOs in Großunternehmen intensiv auseinandersetzen: 27 Prozent der von MBmedien Befragten haben diese Technologie in Teilbereichen oder umfassend implementiert. "Eine moderne Virtualisierungslösung sorgt dafür, dass die Applikationen je nach Anforderung die Speicherkapazität automatisch zugewiesen bekommen. Das bietet gute Chancen, die Speicherverwaltung deutlich zu vereinfachen", sagt Hans Rösch, CIO beim Energiekonzern Vattenfall Europe AG. "Deshalb diskutieren wir diese Technologie intensiv bei uns."

SAN- und NAS-Umsätze steigen

Mit SAN-Speichernetzwerken (Storage Area Network) wurden laut MBmedien in Deutschland im Jahr 2005 rund 902 Millionen Euro Umsatz erzielt (plus 16 Prozent gegenüber 2004). Die NAS-Technologie (Network Attached Storage) verzeichnete 2005 einen Umsatz von 215 Millionen Euro (plus 18,5 Prozent). Das DAS-Verfahren (Direct Attached Storage) musste bei einem 2005er Umsatz von 482 Millionen Euro in Deutschland einen Verlust von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen.

Für neue Speicherlösungen müssen Unternehmen allerdings auch neue Policies für die Wertdefinition von Informationen und Daten vereinbaren. "Den Wert einer Information gilt es mit den Geschäftszielen und den Auswirkungen auf die Infrastruktur zu harmonisieren. Fast alle großen Storage-Anbieter verschreiben sich aufgrund dieser Erkenntnisse dem ILM-Konzept", sagt Stefan Lüschow, Geschäftsführer des Marktforschers MBmedien.

Die Experton Group prognostizierte im April 2006 in ihrer Studie "Information Lifecycle Management (ILM) im Spannungsfeld zwischen Technologie und Strategie" für Storage-Lösungen und -Services in Deutschland im Jahr 2006 ein Marktwachstum um die elf Prozent. Der deutsche Markt für Speichersysteme inklusive aller Hardware, Software und Dienstleistungen belief sich im Jahr 2006 laut Experton Group insgesamt auf 5,3 Milliarden Euro.

Das ILM-Konzept der Speichervirtualisierung konsolidiert die Summe der vorhandenen Speicherressourcen, indem diese mittels Management-System als Gesamtkapazität dargestellt werden. "Viele Anbieter aus dem Storage-Umfeld propagieren Virtualisierung als Heilmittel für komplexe Speicherumgebungen. Dem Hype fehlt aber bislang immer noch die Unterfütterung durch Verkaufszahlen", sagt MBmedien-Geschäftsführer Lüschow. Mittel- bis langfristig seien die Zukunftsaussichten für Virtualisierung dennoch gut.

Virtualiserung ist komplex

Laut der Studie "IT-Trends 2006" der Beratungsgruppe Capgemini arbeiten bereits 55 Prozent der Befragten aus Deutschland mit Virtualisierungsverfahren, und zwar im Bereich Storage und Server. Klarer Vorteil für viele Unternehmen ist die einfache und effiziente Verwaltung der steigenden Datenvolumina. Storage-Virtualisierungs-Lösungen ermöglichen dank ihres zentralen Administrationskonzepts eine Kostentransparenz der Speicherausgaben und unterstützen die Unternehmen dabei, sich auf Geschäftsprozesse zu konzentrieren - zumindest in der Theorie.

Manche CIOs sind jedoch noch skeptisch gegenüber der Virtualisierungsstrategie: Sie befürchten eine zusätzliche Belastung aufgrund mangelnder technologischer und Praxisreife dieses Verfahrens. Virtualisierungsprojekte gehören auf jeden Fall zu den Herausforderungen mit hoher Komplexität.

Zumindest große Unternehmen verfügen laut MBmedien-Befragung heute schon über punktuelle ILMLösungen: Insgesamt 13 Prozent haben ILM mehr oder weniger komplett realisiert. Die Befragung zeigt zudem, dass die große Mehrheit zumindest Teilbereiche des ILM-Konzepts erörtert und plant (zusammen 49 Prozent). Zu den Vorarbeiten und Grundlagen eines ILM-Ansatzes zählen dabei die Storage-Konsolidierung, das vernetzte Speichern, die Speichervirtualisierung sowie das Speicher-Ressourcen-Management (SRM).

Im Herbst 2006 erstellte MBmedien die Studie „Der deutsche Storage- und Data-Center-Markt“. Dazu wurden knapp 1300 IT-Entscheider in 623 Unternehmen im Enterprise- und gehobenen Midmarket-Bereich unterschiedlicher Branchen befragt. Die Ergebnisse der Studie, die auch in vertikale Marktgegebenheiten selektiert, resultieren aus den Antworten von 852 IT-Führungskräften sowie zusätzlichen Recherchen.

Hinsichtlich des Themas Speichervirtualisierung bestätigt das Ergebnis den Trend der "Top 100"-Befragung: 42 Prozent gaben an, diese Technologie bereits teilweise oder gar komplett eingeführt zu haben. 17 Prozent wollen sie in den nächsten sechs bis zwölf Monaten implementieren. Demgegenüber stehen 42 Prozent, für die dieses Thema keine Praxisrelevanz hat. Das Gros der befragten Unternehmen (76 Prozent) verfügt im Übrigen über eine Storage-Kapazität von bis zu 24 TByte. Außerdem gibt die Studie Aufschluss über das "Storage-Denken" in verschiedenen vertikalen Märkten. Dazu nachfolgend einige Beispiele.

Handel fehlt Speicherstrategie

Im Retail-Markt stehen einem überaus starken und bestens ausgerüsteten Enterprise-Segment (hohes Aufkommen von Rechenzentren mit ausgebauten Storage-Kapazitäten) ein schwaches Mittelfeld und ein durch niedrige IT-Investitionsbudgets gebeuteltes Low-End gegenüber, wo kaum nennenswerte Speichernetzwerk-Installationen zu finden sind - so lautet ein Ergebnis der MBmedien-Retail-IT-Studie von November 2006. Laut dieser Studie haben bislang etwa zwei Drittel der befragten Handelsunternehmen noch keine Investitionen in Speicherinfrastruktur vorgenommen und werden dies in absehbarer Zeit auch nicht in nennenswerter Form tun, wie weitere Marktanalysten in ihren Untersuchungen bestätigen.

In der gesamten deutschen Unternehmenslandschaft gibt es kaum ein so deutliches Gefälle von Investitionsfreudigkeit wie im Retail-Markt. Der Blick auf die genutzten Betriebssysteme macht dies sehr augenfällig. Während etwa ein Drittel der Unternehmen auf Linux setzt, hat fast die Hälfte noch DOS auf ihren Rechnern im Einsatz. Eine markante Änderung dieser Situation ist nicht in greifbarer Nähe. Einige Marktbeobachter rechnen allerdings mit einem baldigen Aufbruch des IT-Investitionsstaus in diesem Vertical. Die Befragung von Enterprise- und Midmarket-Handelsunternehmen im Rahmen der MBmedien Studie "Der deutsche Storage- und Data-Center-Markt" bestätigt eine im Branchenvergleich eher zurückhaltende Nutzung von Storage-Lösungen (51 Prozent der Befragten).

Die Einführung neuer Storage-Network-Technologien in Retail Data Centers ist ein Spiegelbild der allgemeinen IT-Situation in dieser Branche: Die innovativen Enterprise-Unternehmen haben Technologien wie Virtualisierung und Automatisierung zu großen Teilen längst realisiert, hat die MBmedien-Retail-IT-Studie festgestellt, aber das Gros der kleineren Firmen strebt diese Veränderungen erst innerhalb der nächsten 24 bis 36 Monate an. Ähnliche Tendenzen sind in Bezug auf ILM-Strategien festzustellen.

Der Utility-Markt (Energieversorgung) wird geprägt von international operierenden Global Playern. Erwartungsgemäß hoch ist laut MBmedien-Storage-Studie der Anteil der Branchenunternehmen, die vernetzte Storage-Lösungen nutzen (89 Prozent) - und zwar vorwiegend SAN-Technologie. Im Zuge von bereits vorangetriebenen Umstrukturierungen haben die dominanten Unternehmen im Utility-Markt komplexe Storage-Projekte wie die Einführung von Virtualisierungs-und Automatisierungmechanismen zumindest in Teilbereichen bereits abgeschlossen (über 60 Prozent). Rund 86 Prozent haben sich des Themas ILM noch nicht angenommen.

Traditionell haben Unternehmen im Finanzumfeld hohen Storage-Bedarf. Das bestätigt die MBmedien-Storage-Studie vom Herbst 2006: 96 Prozent der befragten Enterprise- und Midmarket-Finanzinstitute setzen Speichernetzlösungen ein. Die Einführung neuer Storage-Technologien wie etwa Virtualisierung, Automatisierung und ILM in Data Centers ist in der Bankenbranche stark polarisiert. Die eine Seite ist in den Planungen recht weit fortgeschritten oder realisiert bereits deren Umsetzung (53 Prozent), die andere Seite hat keinerlei Ambitionen in dieser Hinsicht.

Bei der Speichervernetzung besteht im deutschen Gesundheitswesen noch großer Nachholbedarf. Laut MBmedien-Healthcare-IT-Studie (Oktober 2006) setzen knapp 60 Prozent der befragten Kliniken keine derartige Technologie ein. Speziell im Bereich medizinischer Anwendungen in Krankenhäusern, großen Arztpraxen und bei medizinischen Dienstleistern ist das Thema Speichervernetzung gleichwohl eine strategische Komponente geworden. Insgesamt erwarten Analysten einen Anstieg der Investitionen: Laut IDC wird Healthcare auch künftig die höchsten jährlichen Zuwächse haben; PAC rechnet bis 2008 mit einem durchschnittlichen Zuwachs pro Jahr um neun Prozent.

Gesundheitswesen im Aufbruch

Die MBmedien-Healthcare-IT-Studie (2006) hat gezeigt, dass in der deutschen Gesundheitsbranche derzeit vorwiegend SAN- und NAS-Lösungen genutzt werden. Bei der Einführung neuer Storage-Technologien im Rechenzentrum wie Virtualisierung oder Automatisierung ist eine klare Aufbruchstimmung zu erkennen. So planen beispielsweise rund 14 Prozent der befragten Einrichtungen die Einführung von Virtualisierung innerhalb der nächsten drei Monate - dabei handelt es sich naturgemäß vorwiegend um große Kliniken und Krankenhäuser.

Ebenfalls zirka 14 Prozent äußerten Projektabsichten, neue Storage-Network-Technologien in zwölf bis 24 Monaten umzusetzen. Vergleichbare Tendenzen sind für ILM-Projekte zu erkennen, allerdings beschränken sich diese vorwiegend auf große private Krankenhausbetreibergesellschaften.

Die öffentliche Hand setzt intensiv auf Storage-Network-Lösungen, wie auch die Ergebnisse der MBmedien-Studie "Der deutsche Storage- und Data-Center-Markt" bestätigen: 89 Prozent der Institutionen im Public Sector setzen dedizierte Speichersysteme ein. Was neue Speichernetztechnologien betrifft: 24 Prozent der befragten Einrichtungen haben bereits Speichervirtualisierung oder -automatisierung zumindest teilweise realisiert. Damit einhergehend stehen einige mittelfristige Planungen an, die überwiegend auf Ende 2007/ Anfang 2008 zielen.

Bei ILM-Strategien ist der Realisierungsgrad nicht so hoch, hier sind Projekte in zwölf bis 24 Monaten geplant. Der Public Sector ist der mit Abstand unzufriedenste vertikale Markt hinsichtlich der bereits eingesetzten Storage-Technologie: 21 Prozent der Befragten äußerten sich negativ über ihre aktuell eingesetzte Speicherlösung.