Analysten-Kolumne

Steve Jobs, The Digitizer

09.06.2004 von George Colony
Die Geschichte der Informationstechnologie der letzten 25 Jahre ist eng mit den Lebensläufen von zwei Männern verwoben: Steve Jobs und Bill Gates. Beide begannen als Träumer und hatten die Vision, wie der Personal Computer die Welt verändern würde - und stellten die Umsetzung dieser Vision in der Wirklichkeit in den Mittelpunkt ihres Handelns.

Während Bill Gates in den ausgehenden 1980ern dabei war, eines der rentabelsten und straff kontrollierten Monopole zu schaffen, schwand die Bedeutung von Steve Jobs zunehmend. Nach seinem schmählichen Rauswurf aus eben der Firma, die er selbst gegründet hatte, war er auch später mit NeXT nicht erfolgreich. Apple begann langsam aus dem Blickfeld zu verschwinden. Steve Jobs war bedeutungslos.

Heute ist es Steve Jobs, der den Traum erfüllt, durch digitale Technologien die Art wie wir leben, zu verändern - nicht Microsoft, und nicht Bill Gates. Als Chef der Pixar Animation Studios, die unter anderem "Toy Story" und "Findet Nemo" produziert haben, hat er die Filmindustrie revolutioniert. Steve Jobs ist innerhalb der Musikindustrie die Primärkraft in einer Phase des Übergangs. Der derzeit erfolgreichste MP3-Player, der Apple iPod, ist eine Idee von Steve Jobs. Die "iLife Software-Suite" ist ein verblüffendes Set integrierter Applikationen für das Arrangement von Musik, Fotos, Videos und Filmen. Auch das Produkt "GarageBand" dürfte eine neue Anwendergeneration zu Apple hinüberziehen. Steve Jobs ist "The Digitizer".

Als Jobs vor einigen Jahren wieder zu Apple zurückkehrte, setzte er auf die Strategie aus den Urzeiten der "Minicomputer-Industrie": ein Computer, eine Architektur, eine Software - und keine Rücksichtnahme auf Interoperabilität und "Offenheit". Ohne Standards und den Einfluß Dritter kann man Software optimal integrationsfähig und "nahtlos" machen. Keine Schnittstellen oder open drivers, die an den cool edges des Systems feilen und reiben oder versuchen, die Ecken und Kanten abzuschmirgeln. Und wenn die Software gut genug ist, müssen die Konsumenten die Computer kaufen, um die Software nutzen zu können. Sie ist nicht open, sie ist kein Standard oder zertifiziert. Sie ist einfach besser.

Während andere Unternehmen der Technologiebranche entweder taumeln (Sony), Service- fokussiert sind (IBM), ihre Monopole schützen (Intel) oder ihre Legacy-Systeme behüten (Microsoft), sorgt Steve Jobs für begeisternde, zwingende digitale Alternativen zur alten analogen Welt. Dieser Kerl hat die Kreativität von Google's Sergey Brinn und Larry Page, die Erfahrung von Michael Dell und die Verbindungen und Überzeugungskraft von Carly Fiorina.

1. Welche Bedeutung hat heute das Engagement von Steve Jobs für die Welt der Unternehmen? Keine! Jobs digitalisiert die consumer world. Die Anwendungen sind nicht dafür gedacht, großen Unternehmen dabei zu helfen, Kontrollfunktionen zu übernehmen, eine Lieferkette aufzusetzen oder Warenbestände zu verwalten. Aber Steve Jobs hat auch nie etwas davon verstanden, wie man Computertechnologie in großen Unternehmen einsetzen muß.

2. Die Anbieter von Unterhaltungselektronik, ob diese wollen oder nicht, werden sich mit einem wiedererwachten Unternehmen Apple und einem omnipräsenten Steve Jobs auseinandersetzen müssen. 2003 gehörte Apple laut Forrester-Untersuchungen zu den fünf brands im Consumer-Bereich mit dem höchsten Wiedererkennungswert.

3. Man sollte Apple und die Umsetzung seiner Strategie im Musikmarkt in anderen Bereichen verfolgen. Der Markt für Foto- und Videokameras ist ganz offensichtlich ein mögliches Ziel. Das Erreichen eines hohen Integrationsgrades zwischen Handy und Desktop wäre ein großer Gewinn für Apple. iSync und Bluetooth würden es absolut einfach machen, Handys zu wechseln ohne Adressbücher zu zerschießen.

4. Linux und Apple? Jobs wird sich hiergegen wohl nicht sträuben wollen. Nennen wir es einfach "iWorks" - eine integrierte Desktop-Suite und Linux-basiert. Apple würde zunächst den Mac mit "iWorks" ausstatten und dann auch für Intel-Geräte verfügbar machen. Dies würde bedeuten, daß fünf Prozent aller Desktops mit Linux ausgestattet wären - ein großartiger Start für den ersten ernsthaften Linux-basierten Gegner für Microsoft Office.

Es gibt nicht viele, die im Technologie-Business zurückkehren - fragen Sie Phillipe Kahn, Fred Wang, Steve Chase und Edson DeCastro. Umso verblüffender ist die Odyssee von Steve Jobs und seine "Mission" der Digitalisierung.

George F. Colony, Chairman of the Board, Gründer und CEO Forrester Research.

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