Die sechs wichtigsten IT-Entscheidungen

Strategie-Serie - Teil 2: IT-Projektsteuerung

27.06.2006 von Peter  Weill und Jeanne W.  Ross
In ihrer Unkenntnis von IT treffen CEOs und CFOs ständig die falschen Entscheidungen - bis hin zum Total-Outsourcing. In der folgenden Artikelserie erklären Peter Weill und Jeanne W. Ross von der Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wie Vorstände ihre Hilflosigkeit bei IT-Entscheidungen überwinden können. Im zweiten Teil der Serie erläutern die Autoren, wie Führungskräfte IT-Prioritäten richtig setzen sollten.

Die meisten Manager wissen, wie schnell sich IT-Projekte vermehren können. Wir kennen Unternehmen mit ein paar hundert Mitarbeitern, die an mehreren hundert Projekten zugleich arbeiten.

Natürlich sind nicht alle gleich wichtig. Aber wir stellen fest, dass Führungskräfte eine Scheu haben, einzuschreiten und eine klare Auswahl zu treffen zwischen Projekten mit erheblichen Auswirkungen auf den Geschäftserfolg und solchen, die zwar auch bestimmte Vorteile bringen, aber letztlich nicht lebenswichtig sind.

2. Entscheidung: Welche Geschäftsprozesse profitieren vom IT-Budget?

Diese Entscheidungen der EDV-Abteilung zu überlassen bedeutet, dass die IT-Manager Prioritäten setzen, die faktisch das ganze Unternehmen betreffen. Oder - nicht minder schlimm - sie versuchen es jedem Abteilungsleiter recht zu machen.

Sobald ein IT-Projekt genehmigt und mit Geld versehen ist, werden die IT-Mitarbeiter ihr Bestes geben, es auch umzusetzen. Aber typischerweise endet das in einem Wust unerledigter Aufgaben und mit einer überforderten und demoralisierten EDV-Abteilung.

Das Versäumnis der Führungskräfte, realistische IT-Prioritäten zu setzen, kann auch direkt ins Desaster führen. Erinnern wir uns nur an die berüchtigte Entscheidung von Hershey Foods vor vier Jahren, mehrere große IT-Systeme gleichzeitig einzuführen, darunter CRM, ERP und ein Supply-Chain-Management-System. Mit dem Resultat, dass Hershey wichtigen Kunden mitten in der Halloween-Saison keine Süßigkeiten liefern konnte.

Ganz anders dagegen die disziplinierte Weise, mit der Delta Airlines in den vergangenen Jahren das Thema IT-Investitionen angegangen ist. 1997 erlebte das Unternehmen eine Technologiekrise. Einige Jahre zuvor hatte die Airline die EDV-Verwaltung ausgelagert. Doch die einzelnen Geschäftsbereiche waren unzufrieden mit dem Service und bauten eigene IT-Ressourcen und -Fähigkeiten auf. Die Existenz unterschiedlicher Systeme in den einzelnen Abteilungen erschwerte den Mitarbeitern jedoch einen pünktlichen und zuverlässigen Kundendienst.

Vorreiter Delta Airlines

Die Frage "An welchem Gate kommt mein Flugzeug an" zum Beispiel generierte bis zu 17 unterschiedliche Antworten - je nachdem, welches System der Mitarbeiter benutzte. Hinzu kam, dass viele Systeme auf alten Technologien basierten, die möglicherweise mit dem Jahr-2000-Problem nicht zurechtkommen würden.
Mit derselben Weitsicht, die UPS bei der Entwicklung seiner Paket-Datenbank gezeigt hatte, nahmen die Führungskräfte von Delta das Jahr-2000-Problem zum Anlass, eine leistungsfähige Technologieplattform mit dem Spitznamen "Delta Nervous System" (DNS) aufzubauen, die für die Flugabfertigung und die Kundenbetreuung Informationen in Echtzeit bereitstellte.

Das Drei-Jahres-Projekt, das eine Milliarde Dollar kostete, versorgte jeden Mitarbeiter mit ständig aktualisierten Daten zu jedem Flug und jedem Passagier. Bei der Ausarbeitung der Vision für das System trafen die Manager eine weitere wichtige Entscheidung: Sie verzichteten darauf, zugleich in ein neues Umsatzplanungssystem zu investieren.

Solche Systeme helfen Airlines bei den schwierigen, für die Profitabilität wichtigen Entscheidungen über Flugpläne, Preise, Ausrüstung und Flug- strecken. Bei Delta wusste man aber, dass es nicht möglich war, sich um alle technischen Bedürfnisse gleichzeitig zu kümmern.

Der Zeitpunkt entscheidet

Angesichts der knappen technischen und unternehmerischen Ressourcen hätte ein zusätzliches Projekt den Erfolg des DNS gefährdet. Also verschoben die Delta-Manager das für die Unternehmensstrategie wichtige neue Umsatzplanungssystem auf die Zeit nach der Einführung des DNS im Jahr 2002.

Peter Weill ist Direktor des Center for Information Systems Research an der renommierten Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Jeanne W. Ross arbeitet als Principal Research Scientist am Center for Information Systems Research.

Bereits erschienen in dieser Reihe ist folgender Artikel: Strategie-Serie - Teil 1: Richtige IT-Budgetierung