Wie CIOs von digitalen Freiberuflern profitieren können

Teilzeit-Jobs wälzen die Arbeitswelt um

10.08.2007 von Werner Kurzlechner
Sie tun das, weil sie es so wollen - nicht, weil man sie zwingt: Viele hochqualifizierte Fachkräfte suchen künftig berufliche Herausforderungen auf einer Arbeitszeit-Basis von 20 Wochenstunden. Sie wollen sich nicht von Vollzeitarbeit in einem Unternehmen auffressen lassen, sondern Luft für andere Aktivitäten haben. Das sagen die Analysten von Gartner und sehen die CIOs in der Pflicht, diesen Wandel aktiv zu begleiten.
Das Analyse-Schema von Gartner: Für die 20-Stunden-Woche kommen vor allem hochqualifizierte Mitarbeiter in Frage, die es nicht wie Sand am Meer gibt.

Bevor Gartner-Autor Brian Prentice aber auf IT-Fragen eingeht, referiert er erst einmal die Gesellschafts-strukturellen Hypothesen seiner Analyse. Und die haben es in sich. Denn das Gebäude, in dem sich Unternehmen und Arbeitnehmer in den Industrie-Staaten seit Jahrzehnten eingerichtet hatten, stürzt demnach vollends in sich zusammen.

Auf vier Säulen ruhte das traditionelle Arbeitsabkommen, drei davon sind laut Gartner längst weggebrochen: der den Lebensunterhalt deckende Lohn, die dauerhafte Bindung treuer Arbeitnehmer an ein Unternehmen und die vom Staat oder vom Betrieb unterstützte Altersvorsorge. Nach Einschätzung von Prentice fällt jetzt auch die vierte Säule: die 40-Stunden-Woche.

Drei Gruppen identifiziert Gartner als Motoren in diesem Prozess: älter gewordene "Baby-Boomer", Mütter im besten Arbeitsalter und junge Angehörige der Generationen X und Y, denen althergebrachte Lebensentwürfe fremd sind. Die These der Analysten: Die Ökonomien können es sich nicht erlauben, diesen Mitarbeiter-Pool versiegen zu lassen, und müssen den Bedürfnissen dieser Gruppen nach neuen Arbeitsmodellen entgegen kommen.

40-Stunden-Woche vor dem Aus

Eine Reihe von Faktoren bringt die 40-Stunden-Woche unter Druck. Sie stützte lange Zeit ein Familien-Modell mit dem Mann als Alleinverdiener und der Frau zu Hause. Dieses Muster erodiert aus vielerlei Gründen. Oft genug reicht ein Lohn nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Insbesondere gut qualifizierte Frauen wollen nicht am Herd stehen, sondern Karriere machen - und ihre Partner wollen im Familienleben nicht länger außen vor bleiben.

Des Weiteren altern die Industrie-Gesellschaften bekanntlich und kommen mittelfristig nicht umhin, ältere Menschen ins Arbeitsleben zu integrieren. Diese wiederum möchten ihr Know-how weiterhin einbringen, wenngleich nicht per se in einer Vollzeit-Tätigkeit.

Zimmern an individuellen Karriere-Konzepten

Jüngere Mitarbeiter hingegen zimmern sich eigene Konzepte zusammen. Sie wollen durchaus Karriere machen, ordnen sich aber ungern Hierarchien unter, fahren gerne mehrgleisig, betonen ihre Individualität. Für alle drei Gruppen bietet es sich an, als Freiberufler tätig zu sein.

Die Unternehmen reflektieren diesen sozialen Wandel noch nicht ausreichend. Gartner zitiert Umfragen zum Thema Job-Sharing mit deutlichen Ergebnissen. 72 Prozent der Arbeitsuchenden erachten Teilzeit-Arbeit als Option, aber nur 52 Prozent der Arbeitgeber. Und das auf einer paradoxen Grundlage: Sie halten die Rolle der Teilzeit-Arbeiter im Unternehmer für problematisch und nicht angemessen - Bedenken, die das Gros der Betroffenen nicht teilt.

Gartner empfiehlt den Firmen, konkrete Profile für 20-Stunden-Jobs zu entwickeln. Also eine Rolle zu definieren, die in dieser Zeit auszufüllen ist, mit klaren und der Qualifikation entsprechenden Aufgaben und erreichbaren Zielen. "Ein relativ einfacher Weg, einem wachsenden Problem zu begegnen, ohne bewährte Management-Modelle über den Haufen werfen zu müssen", meint Gartner. Es geht also nicht darum, die Arbeitswoche auf brutale Weise zu halbieren, sondern mit neuen Angeboten attraktiv für potenzielle Mitarbeiter zu werden.

Die CIOs spielen bei der Entwicklung dieser Profile eine zentrale Rolle, denn schließlich geht es um "digital free agency": freier Arbeit, die sich auf IT-Abläufe stützt. Die 20-Stunden-Mitarbeiter müssen nicht zwingend in der Firma arbeiten. Sie erledigen ihre Aufgaben vielleicht lieber am eigenen Rechner oder völlig mobil.

Die neuen Arrangements erfordern laut Gartner IT-Strategien, die diese Job-Strukturen widerspiegeln. Aufgabe der CIOs - zumindest in vorausschauenden Firmen - ist es, diese Strategien zu entwickeln.

Spagat zwischen Kontrolle und Freiräumen

Dabei ist ein Spagat zu bewältigen: Zum einen gilt es das IT-Umfeld zu kontrollieren, sprich es kostengünstig und sicher zu organisieren. Zum anderen benötigen die digitalen und freien Mitarbeiter sowohl Zugang zu Gast-Netzwerken als auch Freiräume. Vor diesem Hintergrund sind die richtigen IT-Strategien für das Unternehmen als Ganzes zu bestimmen, ebenso aber eine ganze Reihe individueller Ausnahmen.

Gartner weist die CIOs auf die große Bedeutung einer durchdachten Governance für den Geschäftserfolg hin. Vor einem Reflex warnt Autor Prentice nachdrücklich: aus Mangel an Ideen einfach auf straffere Kontrolle zu setzen.

In "The 20-Hour Job Description: Driving Digital Free Agency" setzt sich Gartner ausführlich mit dieser Entwicklung auseinander.