Vor allem praktische Erfahrung ebnet den Weg in die IT-Branche

Trainieren geht über Studieren

20.03.2008 von Nicolas Zeitler
"Traning on the job" ist die beste Methode, die für die Arbeit in der IT nötigen Fertigkeiten zu erwerben. Das sehen laut einer Umfrage selbst Akademiker so. Nur jeder fünfte von ihnen glaubt demnach, an der Hochschule mit dem richtigen Handwerkszeug für die Karriere ausgestattet worden zu sein.
Mehr als einem Drittel gelingt der Einstieg in die IT-Karriere gleich mit einer speziellen Arbeitsstelle. Bei den Akademikern liegt diese Quote noch höher. 32 Prozent fangen als Trainee an.
Foto: Global Knowledge

Danach gefragt, welches die wichtigsten Quellen für die in IT-Karrieren nötigen Fertigkeiten sind, gaben die 300 befragten Fachkräfte dem Training on the job eine 4,41 auf einer Skala von eins (gar nicht wichtig) bis fünf (sehr wichtig). Die Akademiker bedachten diese Art der Ausbildung mit einer 4,43, für diejenigen ohne Hochschulabschluss ist das Lernen während der Arbeit hingegen noch wichtiger – im Durchschnitt ergab sich ein Wert von 4,47. Bemerkenswert: Vorlesungen und Seminare an der Hochschule schneiden mit einer 2,97 selbst in den Augen von Absolventen deutlich schlechter ab. Sie werden sogar als weitaus unwichtiger angesehen als Kurse, die der Arbeitgeber abhält (3,55), oder informelle Trainings-Methoden wie zum Beispiel Lernprogramme am Arbeitsplatz (3,8).

Von allen befragten Fachkräften messen nur 22 Prozent der Ausbildung an einer Hochschule eine Bedeutung für den Erwerb der Kenntnisse bei, die sie am Arbeitsplatz brauchen. Unwichtiger sind in ihren Augen nur berufliche Schulungen vor einer Anstellung (15 Prozent). 85 Prozent der IT-Fachleute sagen indes, das Erlernen von Fertigkeiten bei der Arbeit sei für sie wichtig gewesen. Möglicherweise könnte sich dieses Bild allerdings in einigen Jahren zumindest leicht ändern, weil die akademische Ausbildung als immer wichtiger angesehen wird. Das deutet sich in der Befragung an: So war unter den Berufsanfängern die Zahl derer größer, die ein Studium für wichtig halten, als unter alten IT-Hasen.

Dass ohne praxisnahe Ausbildung kaum ein Fuß in die IT-Branche zu bekommen ist, belegen die Antworten auf die Frage, wie entscheidend vorherige Arbeitserfahrung in den Augen der Fachkräfte war, um ihre erste Stelle in der IT zu bekommen. Auf der Skala von eins bis fünf ergab sich ein Wert von 3,64. Die Hochschulausbildung schneidet indes wieder schlecht ab. Die Akademiker stufen ihre Bedeutung für den Berufseinstieg mit 2,44 als wesentlich geringer ein.

Erstaunt zeigen sich die Autoren der Studie darüber, dass 63 Prozent aller Befragten angaben, Arbeitserfahrung sei ein wichtiger Faktor gewesen, der ihnen zu ihrer ersten Anstellung verholfen habe. Denn wer schon Arbeitserfahrung habe, der trete ja schließlich nicht seine erste Stelle an, heißt es. Ob viele bei dieser Frage womöglich ihre Erfahrungen aus Projektarbeiten oder vorheriger freiberuflicher Tätigkeit miteinbezogen, schlüsselt die Befragung nicht auf.

Praxiserfahrung ist fast alles: Mehr als 80 Prozent bezeichnen sie als wichtig, um Kenntnisse zu erwerben. Die Hochschulausbildung spielt in den Augen der Fachleute dagegen eine wesentlich geringere Rolle bei der Vermittlung von Fertigkeiten. (Blau = wichtig, grau = neutral, rot = unwichtig)
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Von den Akademikern sehen 43 Prozent im Thema ihrer Abschlussarbeit einen Faktor, der entscheidend für die Zusage auf die erste feste Stelle war. 34 Prozent meinen, die Art des Abschlusses habe darauf Einfluss gehabt. Nur jeder Vierte indes denkt, dass der Name der von ihm besuchten Hochschule ihm die Tür geöffnet hat.

Finanzbranche will Akademiker

Höheres Ansehen als im Durchschnitt scheint ein Hochschulstudium in der Finanzbranche zu genießen. Arbeitgeber interessieren sich hier stärker für das Fach, in dem ein Bewerber seinen Abschluss gemacht hat, und im Vergleich mit anderen Branchen weniger für praktische Erfahrung.

Der Einstieg in die IT-Karriere gelingt mehr als jedem Dritten über eine spezifische Stelle (37 Prozent). Diese Quote ist bei den Berufsanfängern mit Hochschulabschluss sogar noch etwas höher (43 Prozent). Eine geringere Rolle spielen Trainee-Programme, über die 32 Prozent aller IT-Fachkräfte ins Geschäft gekommen sind. Ein Fünftel ist auch auf einer Stelle in der Informationstechnologie gelandet, nachdem er zuvor im selben Unternehmen in einem anderen Bereich gearbeitet hat.

Management-Fähigkeiten weniger wichtig bewertet

Technisches Verständnis und fachliche Qualifikation sehen die IT-Fachkräfte als den wichtigsten Faktor an, um ihre Aufgabe zu erfüllen (im Schnitt wichtig bis sehr wichtig). Am zweitwichtigsten ist in ihren Augen die Neigung, sich mit IT-Fragen zu beschäftigen. Die Fähigkeit, Projekte zu lenken, bewerten die Befragten dagegen mit 3,30 auf der Skala zwischen eins und fünf. Für die Verfasser der Untersuchung ist das ein überraschendes Ergebnis. Schließlich sei es unübersehbar, dass IT-Projekte immer wieder gerade an Schwächen auf diesem Gebiet scheiterten, kommentieren sie.

Für die Untersuchung wurde auch gefragt, was die Experten tun, um ihr Wissen auf dem neuesten Stand zu halten und das berufliche Fortkommen zu fördern. Drei von vier sehen einen Schlüssel dazu darin, selbst die Verantwortung für die persönliche Weiterentwicklung zu übernehmen. Was genau der einzelne darunter versteht, wurde nicht abgefragt. Fast zwei Drittel bilden sich weiter, indem sie beispielsweise Fachzeitschriften oder Blogs lesen. Und die Hälfte der Befragten folgt den Lernprogrammen und Entwicklungsstrategien, die die IT-Abteilung ihres Arbeitgebers vorgibt. Nur zwei Prozent gaben an, gar nichts dafür zu tun, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Dass es einen Mangel an ausreichend qualifiziertem IT-Personal gibt, lässt sich aus der Studie ebenfalls lesen. Viele IT-Abteilungen können demnach häufig die Anforderungen des Unternehmens nicht erfüllen, weil Kräfte mit den nötigen Kenntnissen fehlen. Diesen Mangel bewerteten die Fachkräfte im Durchschnitt mit 3,39 (1 stand für gar nicht bedeutend, 5 für sehr bedeutend). Fast genauso schwer wiegen offenbar mangelhafte Kenntnisse bei der bestehenden Belegschaft.

IT-Bereich wird zum Karriere-Turbo

Was ihre berufliche Lage insgesamt angeht, zeigten sich die Befragten eher zuversichtlich. 46 Prozent stimmen der Aussage zu, in der Informationstechnologie zu arbeiten sei hervorragend für die Karriere. Nur jeder Zehnte stimmt dieser Behauptung nicht zu. Vier von zehn Fachkräften gaben an, sie blickten optimistischer in die berufliche Zukunft als noch vor einem Jahr. Jeder Vierte gab allerdings an, das zunehmende Outsourcing habe die Attraktivität von IT-Berufen geschmälert. 38 Prozent sehen dies hingegen nicht so.

Der britische Anbieter für Weiterbildung in der IT "Global Knowledge" hat sein "IT Career and Skills Barometer" dieses Jahr erstmals erstellt. Befragt wurden rund 300 Kursteilnehmer. Gut die Hälfte von ihnen arbeitet in der Informations- und Telekommunikationsbranche, die anderen im Finanzsektor oder anderen Bereichen der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. 18 Prozent der Befragten haben bis zu fünf Jahre Berufserfahrung, ein Drittel zwischen sechs und zehn Jahren; die übrigen sind schon länger im Geschäft. Ausgewertet wurden die Daten vom Beratungsunternehmen Pardo Fox.