Systeme aufbohren

Tuning für ERP

05.04.2004 von Lars Reppesgaard
Software-Werkzeuge helfen CIOs, die Schwachstellen in ihren Systemlandschaften aufzuspüren. Das spart Zeit und Geld - und sorgt für zufriedene Anwender.

Komplexeste Auswertungen, blitzschnell per Mausklick? Wer regelmäßig mit ERP-Systemen arbeitet, weiß, dass das bestenfalls ein Marketing-Versprechen ist und man Geduld braucht, wenn man auf sie angewiesen ist. ERP-Anwendungen werden zunehmend komplexer gestrickt und mit Features überfrachtet, die massenhaft Speicher fressen. Zudem müssen sie Daten aus den unterschiedlichsten Quellen verarbeiten.

Doch nicht alle dafür entwickelten Schnittstellen sind gleich leistungsstark. Dazu kommt der Spaghetti-Effekt. "ERP-Systeme werden so gut wie nie out-of-the-box konfiguriert, sondern angepasst", weiß Christian Tabernig, Senior Manager Product Marketing Central Europe beim Softwarehersteller Mercury International. Um Geschäftsprozesse abbilden zu können, werden selbst gestrickte Anwendungen mit der ERP-Standardlösung verzahnt. Zudem werden Querverbindungen zwischen Anwendungen und Modulen programmiert, die nicht optimal unterstützt werden. "Das killt die ganze Performance", sagt Tabernig.

Weil die manuelle Fehlersuche in derart komplexen Strukturen aussichtslos ist, bieten Unternehmen wie etwa Mercury International oder Compuware Prüf- und Leistungsmessungssoftware an. Sie besteht in der Regel aus mehreren Analyse-Anwendungen, die an bestimmte Produkte und Systemlandschaften gebunden sind.

Schon bei der Implementierung neuer ERP-Strukturen lassen sich mit diesen Tools Schwachstellen erkennen und ausbessern. Das Pharmaunternehmen Merck KGaA setzte bei der Einführung von SAP R/3 für 3000 Arbeitsplätze unter anderem auf Mercury Interactives "LoadRunner". Die Software simuliert den Datenverkehr von einigen Tausend Anwendern. Ein zentrales Test-Team führte damit einen Monat vor der Migration von SAP R/2 auf R/3 Lasttests durch. Ohne das Tool hätte das Projektteam parallel am Echtsystem alle Transaktionsvarianten durchprobieren müssen - ein teureres und langwierigeres Verfahren. Mit Hilfe der Beobachtungssoftware "QuickTest Professional" prüfte die Merck-IT zudem, ob die neuen Systemkomponenten zueinander passen und die Daten korrekt austauschen. Die Software zeichnet alle Transaktionen auf und stellt sie für grafische Auswertungen zusammen. So wird transparent, wo es beim Zusammenspiel der unterschiedlichen Systemkomponenten hakt.

Software ist die geeignete Stellschraube

Oft wird versucht, Leistungsengpässe mit dem Zukauf neuer Hardware in den Griff zu bekommen. Die Analysten von Gartner ermittelten allerdings, dass 80 Prozent der Performance-Probleme ihre Ursache beim Anwender oder in der Anwendung selbst und nur 20 Prozent in der Infrastruktur haben. Die Softwaresysteme selbst stellen also geeignetere Stellschrauben dar, um die System-Leistung zu steigern. Robert Hellwig, Leiter IT Produktions-Services bei Total, setzte auf Messsoftware, um herauszufinden, wo der Datenverkehr stockte. So deckte er auf, dass das Problem im Verantwortungsbereich eines Outsourcing-Partners lag und schaffte durch Vertragsänderungen Abhilfe.

Beim Einsatz dieser Testumgebungen werden die ERP-Dienste durch die Virtualisierung der Systeme von fest zugeordneten Servern entkoppelt. Diesen Weg schlug auch der Automobilzulieferer Hella KG aus Lippstadt ein. Der Beleuchtungsspezialist verfügt über eine der größten Handelsorganisationen und betreut den Fachhandel und die Autowerkstätten. Gesteuert werden die damit verbundenen Geschäftsprozesse durch SAP-Anwendungen. Nach ausgiebigen Tests entschied CIO Stefan Osterhage, die Systeme in eine flexible Laufumgebung einzubetten. Dadurch kann das Netzwerk heute beim Start eines SAP-Dienstes selbstständig auf dessen Ressourcenanforderungen reagieren. Performance-Engpässe sind ausgeschlossen. Kleinere Systemänderungen etwa bei der Lastenverteilung, die früher Stunden dauerten, sind heute mit drei Mausklicks erledigt. Und während es früher bis zu acht Tage dauerte, eine Hardwareplattform auszutauschen, gelingt dies nun in einigen Stunden.

Das Resultat kann sich sehen lassen: Obwohl das System nun mehr leistet als zuvor, gelang es, die Zahl der benötigen Server zu reduzieren. Bei Hella rechnet man damit, dass unter anderem deshalb die künftigen Ausgaben für die gesamte IT durch das Projekt um mindestens 30 Prozent sinken werden.