Analysten-Kolumne

Unified Communications: Die Unsicherheit bleibt

12.11.2008 von Dan Bieler
Unified Communications sollten Firmen nicht zu einer reinen Kommunikationslösung degradieren. UC sollte vielmehr darauf abzielen, Geschäftsprozesse zu verbessern. Entgegen den Anbieter-Werbekampagnen gibt es aber kein UC "von der Stange". UC ist ein Konzept, keine Technologielösung.
IDC-Analyst Dan Bieler: "Kernbestandteil einer UC-Strategie müssen offene Schnittstellen, sprich offene Standards sein."

In Dutzenden Gesprächen, die wir in den letzten zwölf Monaten mit IT Managern und CIOs in Deutschland zum Thema Unified Communications (UC) geführt haben, wurde folgendes sehr deutlich: Die Unsicherheit darüber wie man sich dem Thema nähern soll.

Dabei hängt der Weg zu UC in erster Linie von den Bedürfnissen der jeweiligen Firmen, ihrer CIOs, CFOs und COOs ab. Es gibt nicht den "einzig richtigen" Weg, der für alle Firmen gilt. Genauso wenig wird UC eine einheitliche Kommunikationslösung werden. Der Aufbau erfolgt auf verschiedenen Endgeräten, Applikationen und Netzwerk-Infrastruktur-Komponenten.

UC-Anbieter aller Schattierungen versprechen Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen und eine höhere Profitabilität durch UC. In den meisten Werbekampagnen dieser Anbieter klingt es fast als ob man als Anwender UC "von der Stange" und von einem einzelnen Anbieter kaufen kann. Dem ist unserer Meinung nach nicht so.

IDC sieht UC vielmehr als ein Konzept und nicht als eine Technologielösung. Die Kernaufgabe von IT Managern und CIOs besteht darin, eine IT- und Kommunikationsinfrastruktur zu schaffen, die es dem Unternehmen erlaubt, sich in effizienter und produktiver Weise seinem Kerngeschäft zu widmen. UC kann dabei helfen, bleibt aber Mittel zum Zweck.

Trotz der Unsicherheit sehen wir eine deutliche Interessenszunahme am Thema UC. Dennoch versteht derzeit die Mehrheit von IT-Managern und CIOs UC lediglich als die Integration von Sprache, Messaging, Kalenderfunktionen und Präsenzapplikationen. Nur wenige IT-Manager und CIOs haben heute schon konkrete Pläne, auch CRM (Customer Relationship Management) und ERP-Lösungen (Enterprise Resource Planning) in ihre UC-Konzepte einzubinden. Noch weniger IT Manager und CIOs haben Pläne, Web 2.0 Applikationen wie Wikis oder Blogs als Teil von UC zu integrieren.

Geschäftsprozesse und Kommunikationskultur

Wenn man UC nur als die Integration von Sprache, Messaging, Kalender- und Präsenzapplikationen interpretiert, ist es in der Tat so, dass einige Anbieter UC "von der Stange" anbieten. Allerdings bleibt das Potenzial von solchen "UC-light" Lösungen weit hinter dem, was UC unserer Meinung nach wirklich bieten kann. UC sollte nicht auf eine reine Kommunikationslösung degradiert werden. UC sollte vielmehr darauf abzielen, Geschäftsprozesse zu unterstützen und zu verbessern.

Neue Kommunikationsmethoden in Unternehmen schaffen, das sollte mittelfristig die Basis von UC sein. Dies betrifft in erster Linie die interne Kommunikation, aber auch Zulieferbetriebe und Kunden dürfen hier nicht außen vor bleiben. UC treibt eine dynamischere Kommunikationskultur voran. Nicht zuletzt kann und soll UC auch Firmenkulturen selber verändern. UC kann neue Kommunikationsformen durch Wikis oder Blogs stimulieren, die traditionell nicht stattgefunden haben.

Zum Beispiel können Mitarbeiter, die sich traditionell nicht aktiv in Prozesse wie Produktentwicklung eingebracht haben, ihr bisher nicht geteiltes Wissen künftig besser mit Entscheidungsträgern in der Firma teilen. Procter & Gamble ist ein gutes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Web-2.0-Applikationen im Bereich Produktentwicklung.

Seit einigen Monaten tauchen in Gesprächen zu UC mit IT-Managern und CIOs immer öfter Schlagwörter wie Projektplan und Arbeitszeiterfassung, Optimierung der Logistik, Auftragserfassung, Tourenfindung, Nachrichtenverwaltung, Ablaufplanung oder Verfügbarkeit von Mitarbeitern auf. Die Gespräche zeigen immer deutlicher, dass UC zunehmend auf Geschäftsprozesse abzielt. IT-Manager und CIOs erkennen immer öfter den Wert, den UC für die Firmen-ITK-Infrastruktur (Informations- und Telekommunikationstechnologie) allgemein haben wird. Darauf gilt es sich vorzubereiten. Das bezieht sich sowohl auf die Anwender als auch auf die Anbieter.

Tragende Säulen einer soliden UC Strategie

IDC sieht eine solide UC-Strategie auf drei Hauptpfeilern aufgebaut:

Stufenweise fortschreitender Aufbau der Lösung: Firmen wollen selber entscheiden, wann sie welche Applikationen zu ihrer UC-Lösung schalten. Verfügbare Budgets bestimmen das Tempo genauso wie die sich entwickelnde Vision des Managements.

Integration mit existierender ITK-Infrastruktur: Praktisch keine Firma wird eine UC-Lösung ohne Einbezug von bestehenden Kommunikations- und IT-Komponenten aufbauen. Nicht nur PIM-Applikationen (Personal Information Management) müssen integriert werden, sondern längerfristig auch IT-Lösungen im ERP und CRM Umfeld.

Skalierbarkeit der Lösung: UC-Lösungen zielen heute in den wenigsten Fällen auf alle Mitarbeiter ab. Aber längerfristig muss eine UC-Lösung skalierbar sein, da mehr Mitarbeiter einbezogen werden. Je größer die Firma, umso wichtiger ist die Thematik Skalierbarkeit.

Herausforderungen einer UC-Strategie

Für Firmen ist es schwer eine wirklich allumfassende und langfristige UC-Strategie zu planen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich:

Zuständigkeiten: Es ist bei Weitem nicht immer klar, welche Abteilungen für welche Komponenten von UC verantwortlich sind. In vielen Fällen fällt es Abteilungen nicht leicht diese Verantwortungen zu koordinieren. Firmen müssen UC-Verantwortlichkeiten klar abstecken.

Mitarbeiterzustimmung: Mitarbeiter wollen ein Mitspracherecht über bestimmte UC-Aspekte, die sie betreffen. Zum Beispiel sind Präsenzfunktionen und die damit manchmal verbundenen Bedenken vor einem "Großen Bruder" Szenario ein heißes Thema. UC muss daher auch auf Betriebsratsseite vorbereitet werden.

Anbietersuche: Anbieter decken in den seltensten Fällen all die Aspekte ab, die UC-Anwender benötigen. In den meisten Fällen sind daher Anwender in die Lage versetzt, UC-Komponenten von verschiedenen UC-Anbietern zu kaufen, um diese dann integrieren zu müssen. UC-Anbieter sollten daher den Integrationsaspekt als Teil des UC-Angebotes abdecken - auch durch Partnerschaften mit System-Integratoren.

Abschreibungshorizonte: Wenige Firmen sind bereit, neue Investitionen in ITK zu tätigen, solange die alten Investitionen nicht abgeschrieben sind.

Interoperabilität: Damit bestehende und neue Endgeräte, IT und Kommunikationskomponenten ein Teil der UC-Lösung werden können, gilt es wo immer möglich, offene Schnittstellen zu schaffen. Nur so können komplexe Middleware Lösungen minimiert werden.

Offene Standards

Kernbestandteil einer UC-Strategie müssen unserer Meinung nach offene Schnittstellen, sprich offene Standards sein. Session Initiation Protocol (SIP) spielt hierbei eine zentrale Rolle. Viele UC-Anbieter finden es jedoch in der Realität schwer, sich dem Mantra der offenen Standards zu beugen und die Welt der proprietären Standards aufzugeben. Wir glauben aber, dass Anwender offene Standards einfordern werden.

Der Trampelpfad als Basis einer UC-Strategie

Für CIOs ist es nicht leicht mit Sicherheit vorauszusagen, in welcher Form Endnutzer kommunizieren werden. Heute zu planen was der Nutzer von morgen tun wird, ist und bleibt eine Prognose. Daher sollte eine UC-Lösung auch schrittweise implementiert werden, um das Risiko zu minimieren an der Endnutzernachfrage vorbeizuplanen.

UC Komponenten sollten an den Stellen weiterentwickelt werden, die Endnutzer auch wirklich nutzten. Genauso wie Straßen früher dort gebaut wurden wo die Menschen Trampelpfade in den Boden "gelaufen" haben, sollten UC-Applikationen an den Stellen ausgebaut werden, an denen die Endnutzer sie auch schon nutzen.

Dan Bieler ist Director Consulting, European Telecommunications & Networking bei IDC.