Europäische Anbieter schauen Indern noch hinterher

Viel Luft nach oben bei Global-Delivery

27.06.2007 von Werner Kurzlechner
Im Global-Delivery haben noch immer die indischen Anbieter die Nase vorn. Amerikanische Firmen wie IBM und Accenture können mittlerweile mithalten, die Europäer noch nicht. Noch mindestens zwei Jahre benötigt der kontinentale Primus Capgemini laut einer Forrester-Analyse, bis er auf Augenhöhe mitspielt.
Capgemini zeigt Offshore-Präsenz, T-Systems bislang nicht.

Die sechs größten Wettbewerber auf dem europäischen Kontinent hat Forrester unter die Lupe genommen: Atos Origin, Capgemini, Getronics, LogicaCMG, Siemens IT Solutions and Services (SIS) und T-Systems.

Die entgegen gesetzten Pole besetzen Capgemini, das 18,4 Prozent seiner Mitarbeiter "offshore" einsetzt und spätestens seit der Kanbay-Übernahme weit vor SIS an der Global-Delivery-Spitze liegt, und T-Systems, nach wie vor ein stark in seiner Heimat verwurzeltes Unternehmen mit dürftigen Offshore-Kapazitäten von 0,4 Prozent.

Bewertet haben die Analysten die Unternehmen nach ihren Global-Delivery-Modellen (GDM) zu niedrigen Preisen. Was genau aber soll das heißen? Klar ist, dass es darum geht, eigene Dienste überall auf der Welt anbieten zu können - und zwar zu konkurrenzfähigen Preisen. Dafür bedarf es einer Präsenz Nearshore und Offshore. Das allein macht die Forrester-Benchmark aber nicht aus.

Das globale Angebot muss nach der GDM-Definition der Analysten bestimmte qualitative Normen erfüllen: Experten-Wissen, technische Fertigkeiten und diszipliniertes Projekt-Management sollten integriert, Prozesse, Tools und Infrastruktur konsistent und robust beschaffen sein. Das Ziel ist, hochwertige IT- und BPO-Lösungen zu verkaufen.

SIS weist die größte Streuung an Kunden auf.

Unter diesem Blickwinkel fallen beträchtliche Unterschiede auf: Nicht nur T-Systems, auch Getronics und LogicaCMG verfügen derzeit kaum über laufende Projekte mit Kunden in Nordamerika oder dem Fernen Osten. Capgemini ist durch den Kauf von Kanbay in den USA und Kanada genauso stark aufgestellt wie in Europa. SIS verfügt über einen soliden Kundenstamm in beiden Offshore-Regionen.

Offshore-Standorte wenig innovativ

Absolut haben sowohl SIS als auch T-Systems zwar mehr Kunden als Capgemini. Der französische Anbieter akquiriert laut Forrester aber die größeren Aufträge. Verglichen mit den indischen Marktführern Infosys, TCS und Wipro, die mit 130 bis 230 europäischen Kunden auf substantiellem Niveau aufwarten können, kochen die Europäer freilich auf Sparflamme.

Selbst die führenden europäischen Unternehmen haben beim Global-Delivery eine nur wenig ausgereifte Strategie. Die Analysten raten zu deutlich höheren Investitionen in Gebäude, Infrastruktur und Service-Mechanismen auf den Offshore-Märkten.

Das Ausmaß der Rückständigkeit umreißen die Analysten mit drei Faktoren:

1. Die sechs Firmen betreiben nur wenige komplexe Großprojekte Offshore - die multinationale Implementierung einer größeren ERP-Anwendung zum Beispiel.

2. Die Offshore-Standorte tragen wenig zur Innovationsfähigkeit der Unternehmen bei.

3. Nur die führenden Anbieter feilen hart an ihren Prozessen.

Die Analysten raten den Firmen, die Validität ihrer Preis-Politik zu hinterfragen und das Potenzial von Nearshore-Standorten genau zu überprüfen.

T-Systems muss laut Forrester angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus den USA und Indien hartnäckig kämpfen, um mit seinem Mix aus Stärke auf dem Heimatmarkt, preisgünstigen Angeboten in Polen und der Slowakei und pfiffiger Technologie die Kosten für innovative und hochwertige Dienstleistungen zu senken.

Forrester analysierte am Jahresende 2006 und im März 2007 die sechs Unternehmen für die Studie "Buyers Take Note: Europe’s Providers Lag in the IT-Services Global Delivery Arms Race".