Heftige Kritik an neuem Lizenzmodell

VMware gibt Kunden-Zorn nach

17.08.2011 von Hartmut  Wiehr
Mit dem neuen Release von vSphere 5 hatte VMware Mitte Juli das Lizenzierungsmodell geändert. Nach scharfem Protest hat VMware den Kurs wieder geändert.

"Zurückrudern" sagen die Schweizer, bei den Amerikanern heißt es "backpedal". VMware hat nach nur einem Monat den Rückwärtsgang eingelegt und die neue Lizenzregelung den Kundenwünschen angepasst. Dies darf als sensibler Vorgang bezeichnet werden, da die EMC-Tochter in der letzten Zeit wiederholt wegen ihrer Preispolitik in die Kritik geraten war, aber bisher nie eine Anlass zu einer Reaktion gesehen hatte. Gerade die großen Unternehmen haben zu VMware gehalten, weil sie die technischen Leistungen dieser Plattform zu schätzen wussten.

Auf der diesjährigen VMworld könnte es für Paul Maritz, Chef der EMC-Tochter VMware, eng werden. Große Teile der Anwender sind unzufrieden mit dem neuen Lizenzmodell von vSphere 5.
Foto: VMware

Im Juli wollte VMware eine Abkehr von dem bisherigen Lizenzmodell einläuten, das je nach Anzahl der verwendeten CPUs berechnet wurde. Statt dessen setzte man getreu dem Anspruch, ein Virtualisierungsanbieter zu sein, mehr auf die virtuellen Ressourcen auf Kundenseite, will heißen auf die Anzahl virtueller Maschinen, die auf einem Prozessor laufen. Das hatte Folgen: Kunden, die bisher vielleicht die Anzahl der CPUs eingeschränkt hatten und stattdessen zur Performance-Steigerung auf ein zum Teil extrem ausgeweitetes Memory- oder RAM-Volumen gesetzt hatten, mussten jetzt plötzlich deutlich mehr zahlen.

Wie unsere Schwesterzeitschriften Network World und CIO USA berichten, beschwerte sich jedoch nicht nur eine Minderheit der Kunden. Offenbar hat in kurzer Zeit ein wahrer Proteststurm eingesetzt. Vielen Kunden fürchten, dass ihre Virtualisierungsbemühungen eingeschränkt werden, wenn sie jetzt plötzlich zusätzliche Lizenzen kaufen müssen, um auf den bisherigen Stand ihrer Server-Virtualisierung zu kommen.

Geld für virtuellen RAM statt für CPUs

Technisch gesehen, bezieht sich diese Furcht auf die benötigte Menge von virtuellem RAM – bei VMware vRAM genannt – statt wie vorher auf die Anzahl der CPUs. VMware hat jetzt dem massiven Druck von Kundenseite nachgegeben und das vRAM-Volumen für Einstiegslizenzen von vSphere Enterprise um 33 Prozent angehoben und für die kostenlosen Versionen des Hypervisors gleich vervierfacht. Damit hat man die mit dem neuen Lizenzmodell verursachte Kostenerhöhung nachträglich wieder gemildert.

Laut VMware hat man nur auf die Beschwerden einiger weniger Kunden reagiert, die insgesamt höhere Kosten für ihre vSphere5-Lizenzen auf sich zukommen sahen. Die vRAM-Beträge werden jetzt, so die Auskunft auf Herstellerseite, auf der Basis des Durchschnitts für 12 Monate berechnet, so dass die Kunden nicht für kurzfristige Belastungen mehr zahlen müssen.

Analysten sehen Investitionsschutz der Anwender in Frage gestellt

Für James Staten, Analyst bei Forrester Research, macht es Sinn, den Anwendern mehr vRAM-Volumen zur Verfügung zu stellen: "Das bedeutet einen größeren Investitionsschutz für neue virtuelle Umgebungen, die aller Voraussicht nach mehr physikalischen Speicher brauchen werden. Es wird nicht alle Kunden betreffen, aber solche Befürchtungen sind nachzuvollziehen."

James Staten, Analyst bei Forrester Research, rät den Anwendern, die Zahl der VMs auf einem Host möglichst hoch zu halten.
Foto: Forrester

Generell ist den Kunden laut Staten zu empfehlen, so viele virtuelle Maschinen und Workloads wie möglich auf einen Host zu packen. Wird es zu dicht, könnten sie Workloads mit niedrigerer Priorität per Live Migration auf andere Hosts verschieben.

Rat: Lebenszyklus virtueller Maschinen beobachten

"Wir raten den Kunden auch, ständig den Lebenszyklus ihrer virtuellen Maschinen (VMs) zu beobachten und nicht mehr benötigte aus einem physikalischen Server herauszunehmen", sagt Staten. "Das gleiche gilt für Applikationen mit geringeren Ansprüchen an die Hardware-Ressourcen: Es ist ökonomischer, sie in kleinere VMs zu verlagern. Die Kunden sollten ihre durchschnittliche CPU-Auslastung auf mindestens 60 Prozent hochschrauben."

Der Analyst Mark Bowker von Enterprise Strategy Group (ESG) weist darauf hin, dass Microsoft und andere Hypervisor-Anbieter von der Unzufriedenheit der VMware-Kunden profitieren könnten. Für Kunden, die erst mit Virtualisierung und Server-Konsolidierung anfangen, reiche zum Beispiel Hyper-V im Bundle mit Windows Server vollkommen aus.

Die meisten von ihnen bräuchten gar nicht die ausgefeilteren Funktionen, die VMware bietet. Der Marktführer müsse jetzt alles tun, damit die Lizenzproblematik nicht zu dem beherrschenden Thema auf der VMworld in Las Vegas wird, die Ende August beginnt.

Neue Cloud-Plattformen bedrängen die Vormachtstellung von VMware

Andere Analysten wie Bernd Harzog von The Virtualization Practice merken an, dass auch der Konkurrenzdruck einer ganzen Reihe von neuen Anbietern für Cloud-Plattformen VMware zu einem partiellen Nachgeben bewegt habe. Modelle für Platform as a Service (PaaS), die neben VMware auch Raum für weitere Virtualisierungslayer als Basis der darüber liegenden, letztlich entscheidenden Applikationsschicht bieten, gewinnen rasant Marktanteile.

Dazu gehören neue Anbieter wie CumuLogic, Elastic Beanstalk oder Terremark, aber auch Amazon EC2, Red Hat Openshift sowie Microsoft Azure. In einem Report von Morgan Stanley wird diesen und weiteren Ansätzen zugebilligt, dass sie gegenüber VMwares bisherigem Technologievorsprung schon ein ganzes Stück aufgeholt hätten.