Analysten-Kolumne

Vom Wesen der Bank und den Folgen für die IT

27.02.2008 von Joachim Benner
Die Subprime-Krise stürzt Bankhäuser, darunter die meisten mit öffentlichem Auftrag, in existenzielle Krisen, Angestellte verzocken Milliarden an den Finanzmärkten, Banken stecken als Drahtzieher hinter der jüngsten Steueraffäre! Die negativen Schlagzeilen aus der Bankenwelt reißen nicht ab und werfen kein gutes Bild auf die einstige Vorzeigebranche der deutschen Wirtschaft. Aufsichtsgremien scheinen systematisch zu versagen und man hat das Gefühl, dass vielen Banken-Managern das Steuer aus der Hand zu gleiten droht.
IDC-Analyst Joachim Benner: "Die IT-Abteilungen der Banken werden sich in Zukunft weiter vom rein technikorientierten IT-Betreiber zum Prozessgestalter entwickeln."

Tatsache ist, dass der Bankensektor unter erheblichem Druck steht. Der zunehmende globale Wettbewerb bei gleichzeitiger Übermacht der öffentlichen Banken in Deutschland, eine abnehmende Kundentreue und neue Vertriebskanäle haben bei vielen Instituten die Margen schwinden lassen. Kommen dann noch Verwerfungen auf den Finanzmärkten hinzu, dann geht offenbar einigen Banken schnell die Luft aus. Den Druck bekommen auch die Mitarbeiter zu spüren. Horrormeldungen über Bankberater scheinbar seriöser Bankhäuser, die ihre Kunden über den Tisch ziehen, um so ihre Ziele zu erfüllen und der drohenden Entlassung zu entgehen, mehren sich. Welche Folgen hat diese Entwicklung für die Banken-IT?

Eines ist klar, die Banken müssen effizienter, flexibler und transparenter werden. Hierzu kann und muss die IT einen Beitrag leisten. Mit Hilfe der IT lässt sich erreichen, was in der Industrie längst Standard ist - eine weitgehend automatisierte Fertigung. Zwar befinden sich viele Banken auf dem Weg dort hin, aber etliche Potenziale sind noch ungenutzt und liegen brach. Wie eine Befragung von IDC unter deutschen Kreditinstituten zeigt, bieten sich insbesondere im Kreditgeschäft noch erhebliche Potenziale für eine Automatisierung. Die Automatisierung des kompletten Kreditprozesses von der Beratung, über die Prüfung bis hin zur Genehmigung und Abwicklung müssen die Banken also in Zukunft weiter vorantreiben. Schneller, flexibler und kostengünstiger heißt das Ziel.

Geschäftsfeldern mit den größten Potenziale für eine durchgängige Prozessautomatisierung.

Hinzu kommt der Ausbau technologischer Vertriebskanäle. Längst wird ein großer Teil des Bankgeschäfts über das Internet abgewickelt und die ersten Banken haben virtuelle Bankschalter in Second Life eröffnet. Besteht die Bankfiliale von morgen also nur noch aus Nullen und Einsen? Bei weitem nicht. Der persönliche Kontakt in den Geschäftsstellen oder der Berater, der auch Hausbesuche macht, wird auch in Zukunft seinen Platz haben. Nicht zuletzt deshalb überdenken viele Banken derzeit ihr Filialkonzept und wollen es für ihre Kunden ansprechender, familiärer gestalten. Der integrierte Einsatz der verschiedenen Vertriebskanäle stellt ein wichtiges Mittel zur Kundenbindung und -gewinnung dar. Der Datenaustausch zwischen den Kanälen muss dabei zeitnah und reibungslos erfolgen.

Und noch ein Trend aus der Industrie wird sich durchsetzen - die Verringerung der Fertigungstiefe, das Auslagern von Geschäftsprozessen. Die Fertigungstiefe ist bei den Banken in Deutschland noch sehr hoch, dies wird sich aber in Zukunft stark ändern. Die deutschen Großbanken haben es im Zahlungsverkehr bereits vorgemacht, andere Bereiche werden folgen. Dies alles setzt eine leistungsfähige IT voraus. Der Datenaustausch muss reibungslos und schnell verlaufen, Prozesse müssen vernetzt und so synchron wie möglich ablaufen, Medienbrüche vermieden werden.

Ist die IT hierfür gerüstet? Viele Kreditinstitute sind gerade dabei, ihre IT-Infrastruktur, ihr Kernbankensystem und ihre Applikationslandschaft zu modernisieren und auf den neusten Stand zu bringen, um den wachsenden Anforderungen an die IT gewachsen zu sein. Neben den technischen Voraussetzungen ist aber auch die organisatorische Ausrichtung der IT entscheidend. Sie muss in die strategische Unternehmensplanung eingebunden sein und auf das Business ausgerichtet werden.

Neue Aufgaben für die Banken-IT

Zudem ist eine enge Kommunikation zwischen IT und den Fachabteilungen notwendig. Ist dies nicht der Fall, bleiben die Potenziale, die sich aus dem IT-Einsatz bieten, ungenutzt. Nicht von ungefähr kommt es, dass etwa die Deutsche Bank das Prozess- und Produktverständnis ihrer ITler verbessern will. Sie sollen Mittler zwischen Technik und Business werden. Die IT muss sich in Zukunft also immer stärker auf das Business ausrichten und einen messbaren Beitrag zum Geschäftserfolg leisten.

Den Betrieb standardisierter Aufgaben der IT, für die nur ein geringes Banken-Know-how notwendig ist, wie etwa der Server- oder Desktopbetrieb, die von externen Anbietern aufgrund von Skaleneffekten effizienter erledigt werden können, werden viele Banken auf absehbare Zeit ganz oder zumindest in Teilen auslagern. Diese Entwicklung ermöglicht es aber der internen IT den Blick auf die Aufgaben zu richten, die eben nur von der internen IT erledigt werden können. Aufgaben, für die ein hohes Maß an Branchenkenntnis und Verständnis für die Unternehmensprozesse notwendig ist, die externe Dienstleister nur begrenzt leisten können.

Ressourcenverteilung der IT-Abteilung.

Doch noch sind viele Banken nicht so weit. Nur gut die Hälfte der IT-Ressourcen wird in Projekte investiert, die das Business unmittelbar betreffen. Ein Großteil der Mittel fließt hingegen in Projekte, die keinen fachspezifischen Bezug haben.

Die IT-Abteilungen der Banken werden sich in Zukunft weiter vom rein technikorientierten IT-Betreiber zum Prozessgestalter entwickeln. Dies ist in Ansätzen zu erkennen, ist aber bei weitem noch nicht bei der Mehrzahl der Kreditinstitute der Fall. Wer als IT-Abteilung in den Banken überleben will, sollte schleunigst hiermit anfangen.

Joachim Benner ist Research Analyst bei IDC Central Europe GmbH .