Analysten-Kolumne

Vor- und Nachteile neuer Business-Intelligence-Ansätze

12.09.2007 von Barney Finucane
Nur jedes vierte deutsche Unternehmen mit mehr als 50 Mitabeitern setzt Business-Intelligence-Software ein. Die Software-Anbieter reagieren auf den Nachholbedarf, indem sie neue Werkzeuge mit anwenderfreundlichen Funktionen ausstatten: BI-Software soll Spaß machen und mit Office-Anwendungen und Suchmaschinen interagieren können. Cockpits und bessere Integration in operative Systeme sollen Unternehmensprozesse beschleunigen. Leider werden die neuen Ansätze nur teilweise ihrer Aufgabenstellung gerecht.
BARC-Analyst Barney Finucane: "Geringe Anwenderakzeptanz der Software behindert den Einsatz von BI-Werkzeugen."

Business-Intelligence-Anwendungen werden für Unternehmen immer wichtiger. Den Einsatz entsprechender Werkzeuge behindert aber weiterhin die oftmals geringe Anwenderakzeptanz der Software. Auch die hohen Kosten für Anschaffung und Betrieb hemmen nach wie vor die Verbreitung von BI-Software in Deutschland. Die neuesten Entwicklungen im Markt zeigen jedoch, dass die Anbieter reagieren und mit neuen Funktionen und Lizenzmodellen die Vision, Business Intelligence an jedem Arbeitsplatz verfügbar zu machen, vorantreiben wollen. Teilweise vertriebsgesteuerte Ansätze scheinen die grundsätzlichen Funktionen der Werkzeuge wenig zu berühren - können aber Anwendern ihre Arbeit erleichtern.

Das Kernproblem ist aber immer noch das Gleiche: Die Nutzung von Software - gerade von BI-Werkzeugen - muss Spaß machen, denn häufig ist die Bedienung von Software nicht Kernaufgabe eines Mitarbeiters, sondern lediglich unterstützendes Werkzeug. Genauso kann das beste Business-Intelligence-Werkzeug dem Benutzer Entscheidungen nicht abnehmen, sondern "nur" gesicherte Zahlen für diese liefern. Wenn die Software nicht den Anforderungen entspricht, werden andere Werkzeuge wie Excel-
Eigenentwicklungen bevorzugt oder auf eine Werkzeugunterstützung ganz verzichtet. Dies ist weder im Sinne der Arbeitseffizienz noch eine gute Lösung für Unternehmen, da die Qualität der Ergebnisse dann zu wünschen lässt.

Zwingende Eigenschaften moderner Software-Werkzeuge für Business Intelligence sind daher eine ansprechende Visualisierung, gute Antwortzeit, einfache Bedienbarkeit mit einer Komplexität, die zur Aufgabe oder gewünschtem Ergebnis passt sowie hohe Flexibilität und Anpassbarkeit an sich schnell ändernde Anforderungen. Dementsprechend verfolgen die Software-Anbieter derzeit einige verschiedene Stoßrichtungen, um den Absatz von BI-Produkten anzukurbeln:

Integration in Office-Produkte

So gut wie alle großen BI-Anbieter haben in den jüngsten Versionen ihrer Software neue oder deutlich verbesserte Add-Ins für die Microsoft-Office-Produkte Excel und PowerPoint veröffentlicht. Während die Analysewerkzeuge multidimensionaler Datenbanken schon seit Jahren auf die Integration von Tabellenkalkulationen setzen, werden Berichtswerkzeuge erst nach und nach mit entsprechenden bidirektionalen Schnittstellen ausgestattet. So kann jeder Anwender in seiner gewohnten Office-Umgebung die für ihn relevanten Informationen abfragen.

Bei der Powerpoint-Integration stoßen die Hersteller auf das Problem, dass Ihre Kunden in den meisten Fällen sich auf die Funktionalität und Grafiken von Powerpoint beschränken wollen. Diese Gegebenheit schränkt das Produktdesign erheblich ein und verhindert eine klare Differenzierung in der Präsentation. Zum Beispiel bieten manche BI-Hersteller animierte Grafiken an, ein Feature, das Powerpoint nicht unterstützt. Auch das Hinzufügen von zusätzlichen Elementen, wie zum Beispiel Trendpfeile und Kommentare, ist nur schwer umzusetzen.

Nutzung von Suchmaschinen

Der Erfolg von Google hat einen starken Eindruck auf die gesamte Software-Industrie gemacht. Auf den ersten Blick scheint die Firma eine Zauberformel gefunden zu haben, um den endlosen Wüst ungeordneter Daten im Internet Ordnung zu geben. BI-Hersteller sind scheinbar auch begeistert, so dass BI-Software immer mehr Suchmöglichkeiten innerhalb der Werkzeuge anbietet, um Filterelemente oder ganze Berichte schnell zu finden. Problematisch ist, dass Google sich nicht durch bessere Indizierung, sondern durch Ranking nach Relevanz von seinen Konkurrenten abgesetzt hat. Googles großer Durchbruch ist der Page-Ranking-Algorithmus, der in der Lage ist, relevante Suchergebnisse von nicht relevanten zu unterscheiden, und nur diese zurückzuliefern.

Dieser Ranking-Algorithmus ist aber von der "Community" abhängig, weil er die Muster der Verlinkungen im Internet berücksichtigt. In einer BI-Umgebung gibt es eine solche Community nicht, weil die Daten aus der Datenbank des operativen Geschäfts entstehen, und nicht von den BI-Endanwendern erstellt werden.

Integration in operative Systeme

Die Integration der analytischen Möglichkeiten von BI-Software in die operativen ERP-Anwendungen erlaubt einen gezielteren und kontextbezogenen Einsatz von Business Intelligence. Zur Ausführung und Überwachung von Geschäftsprozessen werden Berichts- und Analysemöglichkeiten direkt integriert angeboten - ein Wechsel von Werkzeugen oder die Übertragung von Daten zwischen Anwendungen entfällt.

Das Hauptproblem bei diesem Ansatz ist, dass die Inhalte und Strukturen der ERP-Systeme in einem Format vorliegen, der von außen nicht nachvollziehbar ist. Allgemein gesagt sind ERP-Systeme Anwendungen, die eine komplexe, optimierte relationale Datenquelle so interpretieren, dass sie für den Business User verständlich ist. Die eigentliche Struktur der Datenquelle wird also versteckt. In den meisten Fällen gibt es keine Zusage vom Hersteller, dass die Strukturen bei Versionswechsel erhalten bleiben. BI-Werkzeuge, die auf ERP-Daten direkt zugreifen, müssen aus diesem Grund aufwendig an die relationale Struktur angepasst werden. Versuche, dies zu umgehen scheitern, wenn am ERP-System kundenspezifische Anpassungen gemacht worden sind. Der Ansatz ist also nicht geeignet, wenn die Zusammenarbeit mit dem ERP-Hersteller nicht gegeben ist.

Daten-Cockpits

Ein weiterer Trend ist die verstärkte Entwicklung von einfacheren Anwendungen, die von einer breiten Zahl an Mitarbeitern genutzt werden können. Als "Dashboards" oder "Cockpits" werden benutzerfreundliche und intuitiv zu bedienende Anwendungen bereitgestellt, die als Informationsportal die wichtigsten Kennzahlen eines Mitarbeiters darstellen. In diese Situation hinein positionieren sich BI-Anbieter, mit deren Produkten durch eine strukturierte Datenhaltung eine gemeinsame Entscheidungsgrundlage im Unternehmen geschaffen werden soll. Problem hierbei ist, das fast jeder Hersteller ein "Cockpit" anbietet. Der Begriff ist so wage, dass manche Anbieter "Cockpits" in ihre Marketingaussagen aufnehmen, ohne eine entsprechende Änderung an ihrem Produkt-Portfolio vorgenommen zu haben. Genauer betrachtet reicht der Funktionsumfang dieser Cockpits von komplexen Anwendungen wie Balanced Scorecards bis hin zu simplen, statischen Webseiten, die ein paar Tachometer präsentieren. Auch ist die Rollenaufteilung oft nicht geklärt. Bei manchen Herstellern sind Cockpits von Entwicklern vordefiniert, bei manchen lassen Sie sich von den Endanwendern gestalten.

Näher am Kunden?

BI-Funktionen kommen näher zum Anwender, indem sie sich in gewohnte Werkzeuge wie Office-Produkte, Suchmaschinen oder operative Systeme integrieren. Dennoch werden auch in Zukunft spezielle Werkzeuge eingesetzt werden, die durch technologische Innovationen im Bereich der neuen Web-Technologien eine höhere Benutzerfreundlichkeit und Funktionalität bei sinkenden Entwicklungs- und Betriebskosten versprechen. Dennoch sollten diese Entwicklungen differenziert betrachtet werden. Es entsteht teilweise der Eindruck, dass neue Funktionen wie Office-Einbindung und Suchmaschinen vertriebsgesteuerte Ansätze sind, die in manchen Fällen nicht zu Ende gedacht wurden.

Barney Finucane ist Analyst und Berater bei der Business Application Research Center - BARC GmbH.