"Wir verkaufen Kontrolle"

Warum Blackberrys süchtig machen

28.01.2008 von Eva Müller
Das E-Mail-Telefon Blackberry aus dem Hause Research in Motion hat schon viele verführt. Co-Chef Jim Balsillie erklärt im Gespräch, warum sein Produkt die Manager süchtig macht.

Mister Balsillie, Sie haben Ihren Blackberry neben sich liegen. Können wir dieses Gespräch in Ruhe führen?

Balsillie: Sie haben Glück, meine Kollegen bei Research in Motion (Rim) in Kanada schlafen noch. Deshalb kommen in Deutschland vormittags fast keine Mails bei mir an. Und wenn, leuchtet nur ganz dezent ein rotes Lämpchen auf. Den Klingelton habe ich ausgeschaltet.

Danke, sehr rücksichtsvoll. Manche Manager sind ja so Blackberry-süchtig, dass sie sich kaum noch auf ihr Gegenüber konzentrieren können.

Jetzt übertreiben Sie aber. Ich schaue normalerweise nur alle zehn Minuten nach, ob Nachrichten eingegangen sind. Im Verlaufe des Tages beantworte ich im Schnitt 100 Mails. Abends um zehn schaltet sich mein Blackberry automatisch aus und erst morgens um sieben wieder ein.

Warum kommt kaum noch eine Führungskraft ohne dieses Gerät aus?

Denken Sie mal zehn Jahre zurück. Damals waren die Chefetagen am Wochenende voll besetzt, und an Werktagen brannte das Licht bis Mitternacht. Heute können auch Top-Manager abends mal bei ihrer Familie sitzen oder am Samstag Sport treiben, weil sie dank Blackberry auch auf dem Golfplatz oder im Wohnzimmer ständig Kontakt mit ihren Mitarbeitern halten oder wichtige Aufgaben erledigen können. Sie können ohne jede Einschränkung kommunizieren, ohne dabei persönlich anwesend sein oder bestimmte feste Zeiten einhalten zu müssen.

Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.
Foto: manager-magazin.de

Dafür sind sie jetzt abhängig von ihrem "Crackberry" - so der an das Rauschgift angelehnte Spitzname.

Wenn überhaupt, sind die Topkräfte süchtig nach ihrer Arbeit. Sie fühlen sich rund um die Uhr verantwortlich für ihre Aufgaben. Und die können sie mit dem Blackberry unabhängiger und freier erledigen als früher.

Blackberry Curve: Mit diesem Modell will Balsillie den Normalverbraucher locken.

Außerhalb des Büros arbeiten lässt sich auch mit anderen Smartphones oder Taschencomputern. Warum hat sich ausgerechnet Ihr Produkt zum Kultobjekt entwickelt?

Rim hat als erstes Technologieunternehmen Anfang des Jahrtausends eine wirklich einfache und benutzerfreundliche Technologie für die mobile E-Mail-Kommunikation auf den Markt gebracht. Während bei der Konkurrenz anfangs die elektronische Post umständlich abgeholt werden musste, schickt unser Push-System die Mail schon in dem Moment auf den Blackberry, in dem sie auf dem Server im Unternehmen oder auf dem Computer zu Hause ankommt.

Heute ermöglichen Gratisprogramme aus dem Web denselben Service. Wie wollen Sie dagegen bestehen?

Wir haben ja noch viel mehr zu bieten als Push-Mail - Synchronisierung zum Beispiel. Damit erscheint jede Änderung, jede Antwort, die sie auf dem Blackberry eingeben, automatisch auf jedem anderen Gerät, das Sie sonst benutzen - sei es der Laptop zu Hause oder der Desktop im Büro. Egal ob Mail-System, Adressdatei oder Kalender - unsere Software bringt alle Anwendungen sofort auf den gleichen Stand. So kann etwa Ihr Partner zu Hause sehen, ob Sie am Abend Zeit für ein Essen mit Freunden haben oder ob doch der bislang unsichere Termin stattfindet.

Wo bleibt da die Grenze zwischen Job und privat?

Balsillie: Arbeit und Nichtarbeit vermischen sich immer mehr. Der Blackberry hilft dabei, unser komplexes Leben zu organisieren. Sie können damit das Fußballturnier Ihres Sohnes ebenso planen wie die nächste Vorstandssitzung. Arbeit ist Spaß, und Spaß ist Arbeit. Wir verkaufen Kontrolle über beides.

Die IT-Abteilungen der Firmen hegen große Sicherheitsbedenken gegen Ihre Technik. Wie begegnen Sie den Vorbehalten?

Die Techniker stellen nicht nur bei der Sicherheit extrem hohe Anforderungen an uns. Sie verlangen auch, dass wir uns voll an ihre individuellen Regeln halten und 100-prozentig zuverlässig arbeiten. Die Systeme müssen beliebig erweiterbar sein, dabei aber einfach zu warten und an verschiedene Standards anzupassen.

Aber es gelingt uns immer wieder, all diese hohen Ansprüche zu erfüllen. Sonst wäre unser System nicht weltweit auf mehr als 110.000 Unternehmens-Servern installiert. Wir sind mit überwältigendem Vorsprung Weltmarktführer, also machen wir offenbar etwas richtig. Und das, obwohl wir drei Herren dienen müssen - neben den Nutzern und den IT-Abteilungen auch noch den Mobilfunkbetreibern.

Welche Rolle spielen die Mobilfunker?

Balsillie: Sie sind unsere wichtigsten Partner. Wir vermarkten unsere Produkte und Dienste über die Mobilfunkfirmen. Deshalb behandeln wir unsere gut 300 Partner in mehr als 110 Ländern nicht wie einfache Datentransporter, sondern als Serviceplattform.

Was bedeutet das?

Wir helfen den Anbietern, mit unseren Diensten Gewinne zu erwirtschaften. Wir liefern ihnen die Software, mit deren Hilfe sie die unterschiedlichsten Datenservices für den Blackberry anbieten können. Dabei dürfen die Mobilfunkbetreiber die Preise für solche Leistungen selbst bestimmen. So verdienen sie zum Beispiel mit, wenn ein Geschäftsführer mit unserem Gerät aus seinem Firmennetz Präsentationen oder SAP-Anwendungen herunterlädt und bearbeitet.

Mittlerweile scheint jeder Manager einen Blackberry zu besitzen. Wie wollen Sie weiter wachsen?

Balsillie: Wir haben in den vergangenen elf Jahren fast 60.000 Prozent zugelegt. Und dabei haben wir nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was möglich ist. Unser Geschäft geht gerade erst richtig los. Unsere Geräte werden bald nicht nur für Top-Manager unentbehrlich sein, sondern für jedermann.

Wie wollen Sie die Massen verführen?

Balsillie: Mit Konvergenz. Bisher sind Computer, Telefon, Handy, Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte noch streng getrennte Welten. Wir bringen diese unterschiedlichen Universen zusammen - mit den passenden Geräten und der technischen Grundlage, der sogenannten Middleware.

Und was hat der Normalverbraucher davon?

Unser neuestes Produkt zum Beispiel, der Blackberry Curve, synchronisiert sich nicht nur automatisch mit dem PC, sondern auch mit allen Unternehmensanwendungen. Sie können sehen, ob jemand die Kundendatei aktualisiert oder endlich die geforderten Änderungen ins SAP-System eingetippt hat. Der Curve meldet Ihnen, wenn jemand auf Ihrer Telefonanlage oder im Messaging-System anklingelt.

Solche Dienste braucht doch kein Privatmann.

Der Curve kann ja noch viel mehr. Er kommuniziert permanent mit dem Internet, zeigt Ihnen den aktuellen Stand Ihrer Ebay-Auktion oder Ihres Aktienportfolios. Und Sie können damit Ihren Computer zu Hause managen, etwa während einer langweiligen Bahnfahrt Ihre Digitalfotos aus dem letzten Urlaub ordnen oder die Steuererklärung fertig machen. Ein GPS-System mit ständig frischen Daten weist Ihnen im Auto den Weg um den Stau herum. Und das ist erst der Anfang.

Was kommt denn noch?

Jede Anwendung, die Sie sich nur vorstellen können. Das ist ja das Geniale an unserer Plattformstrategie mit den Mobilfunkanbietern. Was immer die Betreiber als Service anbieten, können die Kunden mit dem Blackberry nutzen. Sie sind nicht auf die Funktionen angewiesen, die irgendein Hersteller auf einem Handy vorinstalliert hat.

Genau mit dieser Verheißung vermarktet Apple auch sein iPhone ...

Davon träumt Steve Jobs vielleicht. Unsere Technik ist einmalig. Oder arbeitet das iPhone etwa mit GPS? Nein, tut es nicht.

Haben Sie überhaupt keine Angst vor Apple?

Das Zusammenwachsen von Geräten und Service-Angeboten ist das heißeste Wachstumsgebiet in der Technikwelt. Rim führt diesen Markt an. Und wir stehen unter enormem Druck, unsere Nummer-eins-Position zu verteidigen und auszubauen. Deshalb investieren wir aggressiv.

Wo genau?

Das werde ich Steve Jobs doch nicht verraten.