Denken und Arbeit völlig anders

Warum Scrum-Einführungen scheitern

11.01.2011 von Nicolas Zeitler
Wer agile Methoden wie Scrum erfolgreich einführen will, muss die gesamte Firmenkultur verändern. Das sagt im Interview Ken Schwaber, Miterfinder von Scrum.
Ken Schwaber hat zusammen mit Jeff Sutherland Scrum entwickelt. Unlängst besuchte er Deutschland und hielt Scrum-Kurse.
Foto: Ken Schwaber

CIO.de: Vor allem große Unternehmen tun sich schwer, Scrum einzuführen. Woran liegt das?

Schwaber: Zunächst: Das stimmt. Nur etwa 30 Prozent gelingt die Scrum-Einführung ohne große Schwierigkeiten. Hauptgrund dafür, dass es oft schief geht, ist ein falscher Ansatz. Wenn man agile Methoden wie Scrum einführt, muss man die ganze Kultur verändern. Jeder einzelne im Unternehmen muss wissen, was die Veränderung für ihn persönlich bedeutet. Wenn die Leute das nicht verstehen, leisten sie Widerstand. Scrum ist nur ein Werkzeug, aber es verändert völlig die Art und Weise, wie gedacht und gearbeitet wird.

CIO.de: Heißt das, es ist nicht nur eine Herangehensweise beispielsweise für die Software-Entwicklung, sondern ein Prinzip, das man im ganzen Unternehmen einführen muss?

Schwaber: Ja. Man mag bei Software-Projekten anfangen, aber dann muss man das Prinzip ausweiten. Und Führungskräfte müssen verstehen, dass es dabei darum geht, den Mitarbeitern zu helfen. Scrum soll die Teams unterstützen. John Chamabers, der CEO von Cisco, hat Scrum eingeführt. Er sagt, das seien die fünf härtesten Jahre seines Lebens gewesen. Wer Scrum allerdings einführt, sticht Wettbewerber aus.

CIO.de: Was sind denn nun die größten Probleme großer Unternehmen im Umgang mit Scrum? Die strengen Hierarchien?

Schwaber: In vielen Unternehmen werden Zeitpläne nicht eingehalten oder Mitarbeiter sind veränderungsresistent. Diese typischen Probleme hängen bei vielen mit der Unternehmenskultur zusammen. Schwierig wird es, wenn Führungskräfte diese Probleme beseitigen möchten, gleichzeitig aber die Kultur beibehalten wollen - also träge sind. Es ist ein Fehler, zu denken: Ich führe Scrum ein und erhalte automatisch alle Vorteile von Agilität. Noch einmal: Scrum ist nur ein Werkzeug.

CIO.de: Wenn ein CIO den ersten Schritt machen will, wie fädelt er das am besten ein?

Schwaber: Eins vorab: Wenn er mit allen Arbeitsabläufen zufrieden ist, sollte er nicht auf Scrum umsteigen. Wer agile Prinzipien einführen will, sollte mit Pilotprojekten beginnen - auf keinen Fall den Test gleich über die ganze Firma ausdehnen. Man kann sein Team aufteilen in eine Gruppe, die Projekte nach agilen Methoden umsetzt und eine, die weiter arbeitet wie bisher. Grundbedingung ist, dass die Mitarbeiter bereit dafür sind. Will die Mannschaft partout nicht überzeugt werden, kriegt man es nicht hin.

IT-Chef muss Rahmenbedingungen für Scrum schaffen

CIO.de: Wie verändert Scrum die Rolle des CIO?

Schwaber: Einerseits erhöhen agile Methoden sehr stark die Transparenz. Außerdem verändert sich die Verantwortung des CIO. Wird mit Scrum gearbeitet, ist er eher für Rahmenbedingungen und Strukturen verantwortlich. Die Verantwortung für die Produkte, die herauskommen, geht stärker auf den Kunden über.

CIO.de: Scrum hat ja nicht nur Freunde. In Internetforen liest man zum Beispiel Klagen, Scrum sei eine Art Akkordarbeit. Einer schreibt, es sei "eine Methode, die Entwickler am Laufen zu halten". Was sagen Sie dazu?

Schwaber: Schauen Sie sich mal die Arbeitsweise nach dem klassischen Wasserfall-Modell an: Die Leute bekommen gesagt, was sie tun sollen. Dann arbeiten sie, gehen nach Hause und vergessen die zurückliegende Arbeit schnell. Scrum bindet den einzelnen ganz anders ein: Man hat eine Vereinbarung mit dem Kunden, erledigt in jedem Sprint kleine Dinge - und man erinnert sich, was man erarbeitet hat. Sicher, alle Kritiker wird man nie überzeugen. Ich würde sagen, im Durchschnitt ist immer etwa ein Fünftel der Leute gegen Arbeitsweisen wie bei Scrum.