Jobinterview

Was Sie im Bewerbungsgespräch fragen sollten

15.03.2023 von Christiane Pütter
Wer zu einem Vorstellungstermin eingeladen wird, sollte Fragen über Karriere-Chancen und Arbeitsalltag, Unternehmenskultur und die wirtschaftliche Situation des potenziellen Arbeitgebers stellen.
Als Bewerber sollten Sie auch mal Fragen stellen.
Foto: baranq - shutterstock.com

Ein Vorstellungstermin ist keine Verkaufsveranstaltung, sondern ein Gespräch. Bewerber sollten daher nicht nur Fragen beantworten, sondern auch selbst welche stellen. Wie man das macht, erklärte Dave Willmer von Robert Half Technology unserer Schwesterpublikation Itworldcanada.com.

Er rät, zu folgenden vier Themenfeldern Fragen zu stellen:

1. Entwicklungsmöglichkeiten: Willmer empfiehlt, die Karriere-Chancen bei potenziellen Arbeitgebern abzuklopfen. Dazu eignen sich Fragen wie "Welche Aufstiegschancen hat man in dieser Position?" oder "Welche Personalentwicklungsprogramme gibt es bei ihnen?"

Darüber hinaus kann sich der Bewerber nach dem vorigen Stelleninhaber erkundigen. Ist er intern befördert worden? Hat er in einem anderen Unternehmen eine vergleichbare oder eine höherwertige Position eingenommen?

2. Firmenkultur: Jeder Bewerber will wissen, ob er von der Mentalität und Arbeitsweise her in das neue Unternehmen passen würde. Daher ist es sinnvoll, sich in dem Gebäude umzuschauen. Wie gehen die Angestellten miteinander um, welchen Eindruck machen sie?

Die Expertenstrategie
Sie kennen sich mit einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich, dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können.
Die Power-Mail-Strategie
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss "Ihr Können und Ihr Hintergrund" sehr interessant sein.
Die Baumeister-Strategie
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Die Projektstrategie
Oft ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Die Anti-Aging-Strategie
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Private Vermittler helfen gerne weiter.
Die Terminstrategie
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Angebotsstrategie
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. "Das kann alles Mögliche sein vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt", sagt Autorin Hofert. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.

Um mehr darüber zu erfahren, rät Willmer, den Gesprächspartner beim Vorstellungsgespräch zu fragen, wie er die Firmenkultur beschreiben würde. Man könne auch direkter werden und fragen: "Was hat sie an dem Unternehmen gereizt und warum arbeiten sie gern hier?" Willmer erklärt, man könne ruhig auch fragen, wie oft Überstunden anstehen.

3. Arbeitsalltag: Um sich ein besseres Bild von der ausgeschriebenen Stelle zu machen, helfen Fragen nach den typischen Aufgaben und Problemen, die der Arbeitsalltag bieten wird. Der Bewerber kann sein Gegenüber auch bitten, einen typischen Arbeitstag zu beschreiben. Wer sicher ist, dass er gern spezifische Aufgaben übernehmen möchte, kann konkret fragen: "Wie viel Zeit hätte ich für die VB.Net-Entwicklung?"

4. Wirtschaftliche Lage des Unternehmens: Informationen über die ökonomische Situation des potenziellen Arbeitgebers finden sich in Fachmedien oder Internet. Laut Willmer spricht aber nichts dagegen, auch im Bewerbungsgespräch darauf zu kommen, etwa durch die Frage: "Wie ist ihr Unternehmen durch die Krise gekommen?" Eine andere Möglichkeit sind Formulierungen wie: "Welche Zukunftspläne hat das Unternehmen?

Infos recherchieren und damit punkten

Willmer gibt Bewerbern noch einen weitere Tipp mit auf den Weg: Über den potenziellen Arbeitgeber recherchieren und damit punkten. Fragen wie "Welche technischen Probleme haben sich aus der Konsolidierung ihrer Server ergeben?" oder "Wie hat sich die Performance des Call Centers entwickelt, seit die neuen Services gestartet sind?" zeigen, dass man sich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hat. Zum Abschluss des Gespräches sollte der Bewerber noch einmal sein Interesse bekunden. Er sollte fragen, wann er mit einer Nachricht seines Gegenübers rechnen kann.

Verblüffen
Verblüffen Sie Ihren Gesprächspartner mit der Wahrheit, nach der Sie niemand gefragt hat, die Sie auch gut hätten verschweigen können! Dann kann sich dann folgendermaßen anhören: "Über die Merkmale F und G hingegen verfüge ich nicht, jedenfalls nicht in der Ausprägung, wie Sie sie vermutlich wünschen."
Wahrheit
Für die schriftlichen Unterlagen gilt dasselbe wie für das Interview: Oft ist die Grenze schmal zwischen Formulierungskunst und blanker Übertreibung oder gar Unwahrheit. Wer sich im Gespräch "zu gut verkauft", muss sich nicht wundern, wenn auch er "verraten und verkauft" wird.

(Quelle: Jürgen & Nane Nebel, "Die CEO-Bewerbung")

Glaubwürdigkeit
Sie gewinnen zusätzlich an Glaubwürdigkeit. Denn wer von sich aus Nachteile anspricht, genauer Nichtstärken oder auch nur nicht gemachte Erfahrungen oder fehlende Kenntnisse, ist ehrlich, will sich offenbar nicht "verkaufen", den Job nicht um jeden Preis bekommen. Daraus lässt sich für Ihr Gegenüber schließen, dass Sie doch sicherlich auch die Wahrheit sagten, als Sie die von Ihnen erfüllten Merkmale A bis E zusammenfassten.
Verantwortung des Gegenübers
Sie nehmen mit dem expliziten Daraufhinweisen, worüber Sie nicht verfügen, Ihren möglichen künftigen Arbeitgeber mit in die Verantwortung. Ihr Gesprächspartner, der das Unternehmen schon länger kennt, muss dessen Bedarf abschätzen, muss "Flagge zeigen", ob die wenigen fehlenden Kenntnisse oder Erfahrungen gemeinsam mit Ihnen "behebbar" sind, etwa durch künftige Mitarbeiter von Ihnen, die das abdecken.
Verantwortung des Gegenübers
Oder der Arbeitgeber kann Ihnen die Zeit geben, in diesen Teil der Aufgabe hineinzuwachsen. Oder abwägen, ob das Fehlende "hinnehmbar" ist, einfach ohne Flankierungen akzeptiert wird, weil es bei Gesamtwürdigung Ihrer Person und Qualifikation doch nicht so entscheidend ist.
Akzeptanz
Ihr Gesprächspartner weiß vorher, was ihn nachher erwartet. Sie können mit Akzeptanz rechnen, wenn Sie nachher auf diesem Gebiet wie angekündigt nicht dieselbe Leistung zeigen wie auf anderen.
Weniger Druck
Sie nehmen Druck aus der Verhandlung! Solange Sie vorgeben, alles zu können, zu wissen, schon einmal gemacht zu haben, wird Ihr Gesprächspartner eine gesunde Skepsis aufrechterhalten. Druck erzeugt Gegendruck. "Nachgeben" dagegen, von sich aus das Wahre zuzugestehen, nötigt Respekt ab, getreu dem Motto: "Schwäche zu zeigen, heißt Stärke zu haben."
Fragen zuspitzen
Nachdem Sie mit Ihrer ehrlichen Art "in Vorlage" gegangen sind, ist es an Ihnen, auf ihren Gesprächspartner überzuleiten und von ihm Offenheit und Ehrlichkeit einzufordern. Das könnte so aussehen: "Könnte es sein, dass wir etwas übersehen haben? Ich habe Ihnen die Punkte genannt, die ich erfülle, ebenso diejenigen, die aus meiner Sicht nur bedingt oder gar nicht vorliegen.
Fragen zuspitzen
Gibt es etwas, das ich wissen sollte, was wir noch nicht angesprochen haben? Laufen Patente aus? Droht ein wichtiger Kunde wegzubrechen? Stehen Fusionen, Aufkäufe, Abspaltungen an?"
Emotionen
Ist emotional das Gegenteil von professionell? Nein, ganz im Gegenteil - auch wenn Emotionalität öfter mal als vornherein "unprofessionell" abgetan wird! Sie brauchen Emotionen nicht gezielt einzusetzen. Es genügt, sie nicht fortwährend zu unterdrücken. Das alleine schon verschafft Ihnen mehr Glaubwürdigkeit und größere Überzeugungskraft.
Humor
Innere Attraktivität macht sympathisch. Hierzu gehört der Humor. Ein Gespräch des Karriere-Experte Jürgen Nebel begann mit der Frage: "Tell me your latest joke, please." Solche Fragen stehen wohl in keinem Bewerbungsratgeber, sie sind aber aus der Praxis, sie sind emotionsgeladen und ihre Beantwortung womöglich sogar aufschlussreich.
Mythos Motivationsschreiben
Zum komischsten bei Bewerbungsverfahren zählt das Ansinnen eines Unternehmensvertreters, vom Bewerber ein Motivationsschreiben zu fordern. Woher soll ein Manager vor dem ersten Gespräch wissen, ob er eine Vakanz überhaupt will, oder warum sollte er dies auch noch schriftlich vorab begründen? Hier würde das Pferd von hinten aufgezäumt. Für C-Level-Manager sind solche hingehaltenen Stöckchen fehl am Platz.
Warum sind Sie der Richtige?
Lassen Sie sich nicht in die Defensive drängen - auf Fragen wie "Warum glauben Sie, dass Sie der Richtige für diese Aufgabe sind?" ist nur zu antworten: "Das weiß ich noch nicht, ob ich das bin. Deswegen sitzen wir ja überhaupt erst hier zusammen."
Referenzen einholen
Verbreitet ist, dass vor Besetzung von Topmanagementpositionen Referenzen über den "Bewerber" eingeholt werden, die dieser benennt. Warum, bitte schön, sollten Manager nicht ihrerseits Referenzen über ihren künftigen Chef einholen?
Augenhöhe par excellence
Bewerber mit Chuzpe fragen bisweilen den Unternehmensvertreter, der auf ihre Initiativbewerbung geantwortet hat: "Was hat Ihnen an meiner Bewerbung so gut gefallen, dass Sie mich eingeladen haben?". Diese "Umkehrfrage" demonstriert Augenhöhe par excellence.
Stärken und Schwächen - aber nicht Ihre!
Fragen Sie doch mal den Personalchef oder Vorstand nach den Stärken und Schwächen des Unternehmens! Das signalisiert nicht nur Augenhöhe, sondern kann Ihnen auch wertvolle Informationen für Ihre Entscheidung liefern.